Papst Benedikt XVI.
Generalaudienz am 1.8.09
Priesterjahr:
Portiuncula Ablaß
Liebe Brüder und Schwestern!
Liebe Brüder und Schwestern, das Priesterjahr, das wir feiern,
stellt eine gute Gelegenheit dar, um die Bedeutung des priesterlichen Auftrags
in der Kirche und in der Welt eingehend zu untersuchen. Hilfreiche Anregungen
zum Nachdenken erhalten wir aus dem Gedächtnis an die Heiligen, welche die
Kirche täglich unserer Betrachtung empfiehlt. In diesen ersten Tagen des Monats
August erinnern wir uns etwa an einige, die wirkliche Vorbilder an Spiritualität
und priesterlicher Hingabe sind. Gestern war das liturgische Gedächtnis des
heiligen Bischofs und Kirchenlehrers Alfons Maria von Liguori, eines großen
Lehrermeisters der Moraltheologie und Vorbilds christlicher und pastoraler
Tugend, der immer auf die Glaubensbedürfnisse der Menschen geachtet hat. Heute
betrachten wir im heiligen Franz von Assisi die glühende Liebe für das Heil der
Seelen, die jeder Priester beständig nähren muss: So jährt sich der sogenannte
„Portiuncula-Ablass“, den er im Jahr 1216 von Papst Honorius III. erhielt,
nachdem er eine Vision gehabt hatte, während er sich im Gebet in der Kapelle
von Portiuncula aufhielt. Jesus, der ihm in seiner Herrlichkeit erschienen war
– mit der Jungfrau Maria zu seiner Rechten und umgeben von zahlreichen Engeln –
hatte ihn gebeten, einen Wunsch zum Ausdruck zu bringen, und Franziskus bat ihn
um einen „umfassenden und großzügigen Ablass“ für alle, die „reuevoll und nach
der Beichte“ diese Kapelle besuchten. Nachdem der Heilige die päpstliche Bewilligung
erhalten hatte, wartete er nicht auf ein schriftliches Dokument, sondern eilte
nach Assisi und verkündete, als er bei der Portiuncula ankam, die schöne
Nachricht: „Meine Brüder, ich möchte euch alle ins Paradies schicken!“. Seitdem
kann man – unter den üblichen Bedingungen – vom Mittag des 1. August bis zur
Mitternacht des 2. August den vollen Ablass auch für die Verstorbenen gewinnen,
wenn man eine Pfarrkirche oder eine Kirche der Franziskaner besucht. Was sollen
wir dann über den heiligen Jean Marie Vianney sagen, dessen Gedenktag wir am 4.
August feiern? Eben um des einhundertfünfzigsten Jahrestages seines Todes zu
gedenken, habe ich das Priesterjahr ausgerufen. Ich habe mir vorgenommen, bei
der Katechese der Generalaudienz am kommenden Mittwoch über diesen demütigen
Pfarrer zu sprechen, der nicht nur für die Pfarrer, sondern für alle Priester
ein Vorbild priesterlichen Lebens darstellt. Am 7. August ist dann das
Gedächtnis des heiligen Kajetan von Thiene, der zu wiederholen pflegte, dass
die Seelen nicht durch empfindsame Liebe, sondern durch tatkräftige Liebe
geläutert würden. Und am Tag darauf, dem 8. August, zeigt uns die Kirche den
heiligen Dominikus als Vorbild an, über den geschrieben wurde, dass er „den
Mund nur öffnete, um im Gebet mit Gott zu sprechen oder um über Gott zu
sprechen“.
Schließlich kann ich nicht umhin, auch an die große Gestalt von
Papst Montini, Paul VI. zu erinnern, der am 6. August vor einunddreißig Jahren
gerade hier in Castel Gandolfo gestorben ist. Sein Leben, das zutiefst
priesterlich und so reich an Humanität war, bleibt für die Kirche ein Geschenk,
für das sie Gott danken kann. Die Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, helfe
allen Priestern, ganz und gar in Christus verliebt zu sein, indem sie dem
Beispiel dieser Vorbilder an priesterlicher Heiligkeit folgen.