Papst Benedikt XVI.: Ansprache während der Generalaudienz
am 27.8.08:
Paulus (2)
Liebe Brüder und Schwestern!
Die beiden Bezeichnungen sind offensichtlich
allgemein gehalten, entsprechend der antiken Zählweisen jedoch wurde ein Mann
"jung" genannt, wenn er um die dreißig Jahre alt war, während die Bezeichnung
"alt" einem Mann vorbehalten war, der ungefähr 60 Jahre erreicht hat. Absolut
gesehen hängt das Geburtsdatum des Paulus zum Großteil von der Datierung des
Briefs an Philemon ab. Üblicherweise wird dessen Verfassung in die Zeit während
seiner römischen Gefangenschaft gesetzt, Mitte der sechziger Jahre. Paulus soll
im Jahr 8 geboren worden sein, somit wäre er mehr oder weniger 60 Jahre alt
gewesen, während er im Augenblick der Steinigung des Stephanus 30 war. Dies
dürfte die richtige Zeitfolge sein. Und die Feier der
Paulus-Jahres, das wir begehen, folgt gerade dieser Chronologie. Das Jahr 2008
ist dem Gedanken an eine Geburt um das Jahr 8 folgend gewählt worden.
An der Grenze zu drei
verschiedenen Kulturen
Auf jeden Fall wurde er in Tarsus in Zilizien
geboren (vgl. Apg 22, 3). Die Stadt war die Verwaltungshauptstadt der Region
und hatte im Jahr 51 v. Chr. als Prokonsul niemanden geringeren als Marcus
Tullius Cicero gehabt, während Tarsus dann zehn Jahre später, 41 v. Chr., der
Ort der ersten Begegnung zwischen Marcus Antonius und Cleopatra gewesen war. Er
war ein Diasporajude und sprach griechisch, obwohl er einen Namen lateinischer
Herkunft hatte, der übrigens durch eine Assonanz vom ursprünglichen jüdischen
Namen Saul/Saulos abstammt, und verfügte über das römische Bürgerrecht (vgl.
Apg 22, 25–28). Paulus tritt also als ein Mann in Erscheinung, der an der
Grenze zu drei verschiedenen Kulturen steht – der römischen, griechischen und
jüdischen – und vielleicht war er auch deshalb zu fruchtbaren
universalistischen Öffnungen, zu einer Vermittlung zwischen den Kulturen, zu
einer wahren Universalität bereit. Er erlernte auch ein Handwerk, das er
vielleicht von seinem Vater übernahm und im Beruf des "Zeltmachers" bestand
(vgl. Apg 18, 3: skenopoiós), worunter wahrscheinlich einer zu verstehen ist,
der Rohwolle von Ziegen oder Leinenfasern verarbeitet, um Matten oder Zelte
herzustellen (vgl. Apg 20, 33–35).
Im Alter von 12–13 Jahren, dem Alter, in dem ein
jüdischer Junge bar mitzvá ("Sohn des Gebots") wird, verließ Paulus Tarsus und
siedelte nach Jerusalem über, um zu Füßen des Rabbi Gamaliël des Alten, einem
Neffen des großen Rabbi Hillél, entsprechend den strengsten Normen des
Pharisäertums erzogen zu werden und so einen großen Eifer für die mosaische
Torah zu erwerben (vgl. Gal 1,14; Phlm 3, 5–6; Apg 22, 3; 23, 6; 26, 5).
Auf der Grundlage dieser tiefen Orthodoxie, die er
in der Schule des Hillél in Jerusalem erlernt hatte, erkannte er in der neuen
Bewegung, die sich auf Jesus von Nazareth berief, eine Gefahr, eine Bedrohung
für die jüdische Identität, für die wahre Orthodoxie der Väter. Dies erklärt
die Tatsache, dass er "stolz die Kirche Gottes verfolgte", wie er dreimal in
seinen Briefen zugibt (1 Kor 15, 9; Gal 1, 13; Phlm 3, 6). Auch wenn man sich
nicht leicht konkret vorstellen kann, worin diese Verfolgung bestand, war seine
Haltung auf jeden Fall eine Haltung der Intoleranz. In diesem Zusammenhang
steht das Damaskusereignis, auf das wir in der nächsten Katechese zurückkommen
werden. Sicher ist, dass sich von diesem Augenblick an sein Leben änderte und
er ein unermüdlicher Apostel des Evangeliums wurde. In der Tat, Paulus ging in
die Geschichte mehr aufgrund dessen ein, was er als Christ, mehr noch: als
Apostel getan hat, als aufgrund seines Wirkens als Pharisäer. Gewöhnlich wird
seine Tätigkeit ausgehend von den drei Missionsreisen unterteilt, zu der als
vierte seine Ankunft in Rom als Gefangener kam. Von allen erzählt Lukas in der
Apostelgeschichte. Hinsichtlich der drei Missionsreisen ist jedoch die erste
von den beiden anderen zu unterscheiden.
Für die erste (vgl. Apg 13–14) trug Paulus
nämlich nicht direkt die Verantwortung; diese wurde hingegen dem Zyprioten
Barnabas anvertraut. Zusammen brachen sie als Gesandte jener Kirche von
Antiochia am Orontes auf (vgl. Apg 13, 1–3), und nachdem sie vom Hafen von
Seleuzia an der syrischen Küste in See gestochen waren, zogen sie quer durch
die Insel Zypern von Salamis nach Paphos; von dort aus erreichten sie die
Südküste Anatoliens, der heutigen Türkei, und streiften die Städte von Attalía,
Perge in Pamphylien, Antiochia in Pisidien, Ikonion, Lystra und Derbe, von wo
aus sie zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrten. So war die Kirche der Völker
entstanden, die Kirche der Heiden. Und in der Zwischenzeit war – vor allem in
Jerusalem – eine harte Diskussion entbrannt, bis zu welchem Punkt diese aus dem
Heidentum stammenden Christen dazu verpflichtet seien, auch in das Leben und
Gesetz Israels einzutreten (verschiedene einzuhaltende Gebote und Vorschriften,
die Israel vom Rest der Welt trennten), um wirklich an den Verheißungen der
Propheten Anteil zu haben und effektiv in das Erbe Israels einzugehen.
Um dieses für die Entstehung der künftigen
Kirche grundlegende Problem zu lösen, trat in Jerusalem das sogenannte
Apostelkonzil zusammen, um über dieses Problem zu befinden, von dem die
tatsächliche Entstehung einer universalen Kirche abhing. Und es wurde
beschlossen, den bekehrten Heiden die Beachtung des mosaischen Gesetzes nicht
aufzuerlegen (vgl. Apg 15, 6–30): Das heißt, sie waren nicht an die
Vorschriften des Judentums gebunden; die einzige Notwendigkeit bestand darin,
Christus zuzugehören, mit Christus und nach seinem Wort zu leben. Indem sie
Christus zugehörten, waren sie so auch Abraham und Gott zughörig und hatten
Anteil an allen Verheißungen. Nach diesem entscheidenden Ereignis trennte sich
Paulus von Barnabas, wählte Silas und nahm seine zweite Missionsreise auf (vgl.
Apg 15, 36–18, 22). Nachdem er Syrien und Zilizien durchquert hatte, sah begab
er sich erneut in die Stadt Lystra, wo er Timotheus mitnahm (eine sehr wichtige
Gestalt für die entstehende Kirche, Sohn einer Jüdin und eines Heiden), und
ließ ihn beschneiden, durchquerte Zentralanatolien und erreichte die Stadt
Troas an der Nordküste der Ägäis.
Und hier kam es zu einer neuen wichtigen
Begebenheit: Im Traum sah er einen Mazedonier auf der anderen Seite des Meeres,
das heißt in Europa, der sagte: "Komm herüber und hilf uns!" Es war das
künftige Europa, das um die Hilfe und das Licht des Evangeliums bat.
Angetrieben von dieser Vision betrat er Europa. Von dort brach er auf dem
Seeweg nach Makedonien auf und kam so nach Europa. Er ging in Neapolis von
Bord, kam nach Philippi, wo er eine schöne Gemeinde gründete, und reiste dann
nach Thessalonich, von wo er aufgrund der Schwierigkeiten, die ihm die Juden
bereiteten, aufbrechen musste und dann über Beröa Athen erreichte.
In dieser Hauptstadt der antiken griechischen
Kultur predigte er zunächst auf der Agorá und dann im Areopag zu den Heiden und
den Griechen. Und die Rede im Areopag, die in der Apostelgeschichte
wiedergegeben ist, ist ein Beispiel dafür, wie das Evangelium in griechische
Kultur übersetzt wird, wie den Griechen verständlich gemacht werden kann, dass
dieser Gott der Christen, der Juden, nicht ein ihrer Kultur fremder Gott ist,
sondern der unbekannte, von ihnen erwartete Gott, die wahre Antwort auf die
tiefsten Fragen ihrer Kultur.
Höhen und Tiefen
auf Missionsreisen erlebt
Von Athen gelangte er dann nach Korinth, wo er
eineinhalb Jahre blieb. Und hier haben wir ein chronologisch sehr gesichertes
Ereignis, das am meisten gesicherte seiner ganzen Biographie. Denn während
dieses ersten Aufenthalts in Korinth musste er vor dem Gouverneur der
Senatorenprovinz von Achaia erscheinen, dem Prokonsul Gallio, da er eines
ungesetzlichen Kultes angeklagt war. Über diesen Gallio und seine Zeit in
Korinth gibt es eine antike Inschrift, die in Delphi gefunden wurde, wo es
heißt, dass er Prokonsul von Korinth zwischen 51 und 53 war. Hier haben wir
also ein absolut gesichertes Datum. Der Aufenthalt des Paulus in Korinth fällt
in diese Jahre. Somit können wir annehmen, dass er ungefähr im Jahr 50
angekommen und bis 52 geblieben ist. Von Korinth aus begab er sich über
Kenchreä, dem östlichen Hafen der Stadt, nach Palästina und erreichte Cäsarea,
von wo aus er nach Jerusalem hinaufstieg, um dann nach Antiochia am Orontes
zurückzukehren.
Die dritte Missionsreise (vgl. Apg 18, 23–21,
16) nahm ihren Anfang wie immer in Antiochia, das zum Ursprungspunkt der Kirche
der Heiden, der Heidenmission, geworden war, und es war auch der Ort, an dem
der Begriff "Christen" entstand. Hier wurden, so sagt der heiligen Lukas, die
Nachfolger Jesu zum ersten Mal "Christen" genannt. Von dort aus begab sich
Paulus direkt nach Ephesus, Hauptstadt der Provinz Asien, wo er sich zwei Jahre
aufhielt und einen Dienst verrichtete, der fruchtbare Folgen für die Region hatte.
Von Ephesus aus schrieb Paulus die Briefe an die Thessalonicher und Korinther.
Die Bevölkerung der Stadt wurde jedoch gegen ihn von den ortsansässigen
Silberschmieden aufgewiegelt, die ihre Einkünfte aufgrund des Rückgangs des
Artemiskultes geringer werden sahen (der dem Kult in Ephesus geweihte Tempel,
das Artemysion, war eines der sieben Wunder der antiken Welt); deshalb musste
er nach Norden fliehen. Nachdem er erneut Makedonien durchquert hatte, ging er
wieder nach Griechenland, wahrscheinlich nach Korinth, wo er drei Monate blieb
und den berühmten Brief an die Römer schrieb.
Von dort aus kehrte er zurück: Er begab sich
wieder nach Makedonien, auf dem Seeweg erreichte er dann Troas, streifte die
Inseln Mytilene, Chios und Samos, um dann nach Milet zu kommen, wo er eine
wichtige Rede vor den Ältesten der Kirche von Ephesus hielt und dabei ein Bild
des wahren Hirten der Kirche zeichnete (vgl. Apg 20). Von dort brach er auf und
segelte nach Tyrus, von wo aus er nach Cäsarea kam, um erneut nach Jerusalem hinaufzusteigen.
Dort wurde er aufgrund eines Missverständnisses verhaftet: Einige Juden hatten
andere griechischstämmige Juden, die von Paulus in den nur den Israeliten
vorbehaltenen Tempelbereich eingeführt worden waren, mit Heiden verwechselt.
Die dafür vorgesehene Todesstrafe wurde ihm durch das Eingreifen des römischen
Tribuns erspart, der beim Tempelbereich Wache stand (vgl. Apg 21, 27–36); dazu
kam es, während Antonius Felix kaiserlicher Prokurator von Judäa war. Nach
einer Zeit der Haft (über deren Dauer diskutiert wird) und da Paulus als
römischer Bürger an den Kaiser appelliert hatte (der damals Nero war), sandte
ihn der nachfolgende Prokurator Porcius Festus unter militärischem Gewahrsam
nach Rom.
Die Reise nach Rom streifte die Mittelmeerinseln
Kreta und Malta, und dann die Städte Syrakus, Reggio Calabria und Pozzuoli. Die
Christen Roms gingen ihm auf der Via Appia bis nach Forum appium entgegen (ca.
70 km südlich der Hauptstadt), und andere bis nach Tre Taverne (ca. 40
Kilometer). In Rom begegnete er den Abgesandten der jüdischen Gemeinde, denen
er anvertraute, dass er "um der Hoffnung Israels willen" seine Fesseln trug
(vgl. Apg 28, 20). Die Erzählung des Lukas endet mit der Erwähnung der beiden
in Rom unter lindem militärischen Gewahrsam verbrachten Jahre, ohne eine
Verurteilung durch den Kaiser (Nero) sowie den Tod des Angeklagten zu erwähnen.
Spätere Überlieferungen sprechen von seiner Befreiung, die sowohl eine
Missionsreise nach Spanien als auch einen späteren Abstecher nach Osten
begünstigt hätte, genauer nach Kreta, Ephesus und Nikopolis in Epirus. Immer
auf hypothetischer Grundlage vermutet man eine erneute Verhaftung und eine
zweite Gefangenschaft in Rom (von wo aus er die drei sogenannten Pastoralbriefe
geschrieben hätte: die beiden Briefe an Timotheus und jenen an Titus),
verbunden mit einem zweiten Prozess, der einen für ihn schlechten Ausgang
genommen hätte. Dennoch veranlasst eine Reihe von Gründen viele Paulusforscher
dazu, die Biographie des Apostels mit der Erzählung des heiligen Lukas in der
Apostelgeschichte enden zu lassen.
Die Leidenschaft
des Apostels für das Evangelium
Auf sein Martyrium werden wir später in der
Reihe unserer Katechesen zurückkommen. In dieser kurzen Aufzählung der Reisen
des Paulus ist es für jetzt ausreichend festzustellen, dass er sich der
Verkündigung des Evangeliums gewidmet hat, ohne an Kraft zu sparen, und dabei
einer Reihe von schweren Prüfungen entgegengetreten ist, deren Verzeichnis er
uns im zweiten Brief an die Korinther hinterlassen hat (vgl. 11, 21–28).
Andererseits ist er es, der schreibt: "Alles aber tue ich um des Evangeliums
willen" (1 Kor 9, 23), und er übte mit absoluter Großherzigkeit das aus, was er
"Sorge für alle Gemeinden" nennt (2 Kor 11, 28). Wir sehen einen Einsatz, der
sich nur durch eine wahrhaft vom Licht des Evangeliums faszinierte, in Christus
verliebte Seele erklärt, eine Seele, die von einer tiefen Überzeugung getragen
ist: Es ist notwendig, der Welt das Licht Christi zu bringen, allen das
Evangelium zu verkünden. Dies, so scheint es mir, ist das, was von diesem
kurzen Überblick über die Reisen des heiligen Paulus bleibt: seine Leidenschaft
für das Evangelium zu sehen und so die Größe, die Schönheit, mehr noch: die
tiefe Notwendigkeit des Evangeliums für uns alle zu erahnen. Bitten wir, dass
der Herr, der Paulus sein Licht sehen, sein Wort hören lassen und sein Herz
zuinnerst berührt hat, auch uns sein Licht sehen lasse, damit auch unser Herz
von seinem Wort berührt werde und so auch wir der Welt von heute, die danach
dürstet, das Licht des Evangeliums und die Wahrheit Christi geben können.