xmlns:o="urn:schemas-microsoft-com:office:office" xmlns:w="urn:schemas-microsoft-com:office:word" xmlns:dt="uuid:C2F41010-65B3-11d1-A29F-00AA00C14882" xmlns="http://www.w3.org/TR/REC-html40"> Predigt zum 50. Todestag von Papst Pius XII.

Papst Benedikt XVI.

Predigt bei der Messe zum fünfzigsten Todestag von Papst Pius XII.

am 9.10.2008

Dem Ansehen Papst Pius XII. wurde durch das Theaterstück "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth ab 1963 großer Schaden zugefügt. Papst Pius XII. Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist nicht leicht, da bei positiver Bewertung leicht der Fehler begangen wird, Positives und Negatives gegeneinander abzuwägen. In Wirklichkeit ist niemand so vollkommen, daß er nicht vollkommener hätte handeln können. Papst Benedikt XVI. begibt sich nicht auf die apologetische Schiene und läßt sich nicht auf den Aspekt der Judenverfolgung einengen, sondern führt einerseits Fakten und Zeugnisse für beispielhaftes Verhalten an und würdigt andererseits die lehramtlichen Verdienstes dieses Papstes.

Meine Herren Kardinäle,verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,

liebe Brüder und Schwestern!

Der Abschnitt aus dem Buch Jesus Sirach und der Prolog des ersten Briefes des heiligen Petrus, die als erste und zweite Lesung vorgetragen worden sind, bieten uns bei dieser Eucharistiefeier, während der wir meines verehrten Vorgängers, des Dieners Gottes Pius XII., gedenken, signifikante Überlegungsanreize. Es sind genau fünfzig Jahre seit seinem Tod vergangen, der in den ersten Stunden des 9. Oktober 1958 erfolgte. Das Buch Jesus Sirach ruft – wie wir gehört haben – allen, die dem Herrn folgen wollen, in Erinnerung, dass sie sich darauf vorbereiten müssen, Prüfungen, Schwierigkeiten und Leiden zu begegnen. Um ihnen nicht zu erliegen – heißt es – bedarf es eines aufrichtigen und beständigen Herzens, der Treue zu Gott und der Geduld, die mit der unbeugsamen Entschlossenheit verbunden ist, den Weg des Guten weiter zu verfolgen. Das Leiden läutert das Herz der Jünger des Herrn, so wie Gold in einem Brennofen gereinigt wird. "Nimm alles an, was über dich kommen mag – schreibt der Verfasser dieser heiligen Schrift – halt aus in vielfacher Bedrängnis. Denn im Feuer wird das Gold geprüft, und jeder, der Gott gefällt, im Schmelzofen der Bedrängnis" (2, 4–5).

Der heilige Petrus seinerseits, der sich in dem Abschnitt, der uns unterbreitet worden ist, an die Christen der Gemeinschaften Kleinasiens wendet, die "unter mancherlei Prüfungen leiden" mussten, geht sogar noch darüber hinaus: er fordert sie dazu auf, trotz allem "voll Freude" zu sein (1 Petr 1, 6). Die Prüfung ist notwendig, so bemerkt er, denn: "Dadurch soll sich euer Glaube bewähren und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi" (1 Petr 1, 7). Und dann ermahnt er sie zum zweiten Mal zur Freude, ja sogar zu jubeln "in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude" (V. 8). Der tiefe Grund dieser spirituellen Freude liegt in der Liebe zu Jesus und in der Gewissheit seiner unsichtbaren Gegenwart. Er sorgt dafür, dass der Glaube und die Hoffnung der Gläubigen auch in den schwierigeren und härteren Abschnitten des Daseins unerschütterlich bleiben.

Im Lichte dieser biblischen Texte können wir das irdische Leben von Papst Pacelli und seinen langen Dienst für die Kirche lesen, der im Jahr 1901 unter Leo XIII. begonnen hatte und unter Pius X., Benedikt XV. sowie Pius XI. fortgeführt wurde. Diese biblischen Texte helfen uns vor allem zu verstehen, aus welcher Quelle er den Mut und die Geduld für sein Papstamt geschöpft hat, das in die schlimmen Jahre des Zweiten Weltkriegs fiel sowie in die darauf folgende, nicht weniger komplizierte Periode des Wiederaufbaus und der schwierigen internationalen Beziehungen, die unter der vielsagenden Bezeichnung "Kalter Krieg" in die Geschichte eingegangen ist.

"Miserere mei Deus, secundum magnam misericordiam tuam" (Gott sei mir gnädig nach deiner Huld): mit dieser Anrufung aus Psalm 51 begann Pius XII. sein Testament. Und weiter sagte er: "Diese Worte, die ich in dem Augenblick sprach, in dem ich, bebend, meine Wahl zum Papst annahm, in der Meinung, unwürdig und der Aufgabe nicht gewachsen zu sein, wiederhole ich nun mit um so offenkundigerem Grund." Es fehlten damals noch zwei Jahre bis zu seinem Tod. Sich Gottes barmherzigen Händen überlassen: das war die Haltung, die dieser mein verehrter Vorgänger beständig gepflegt hat, welcher der letzte der in Rom geborenen Päpste war und zu einer Familie gehörte, die seit vielen Jahren mit dem Heiligen Stuhl verbunden war.

In Deutschland, wo er zuerst in München und dann bis 1929 in Berlin das Amt des Apostolischen Nuntius ausgeübt hat, erinnert man sich seiner mit Dankbarkeit, vor allem, weil er mit Benedikt XV. an dem Versuch mitgewirkt hat, "das unnütze Blutbad" des Weltkriegs zu verhindern, und weil er von Anfang an die Gefahr erfasst hat, welche die unmenschliche nationalsozialistische Ideologie mit ihrem bösartigen Antisemitismus und Antikatholizismus darstellte. Kurz nach seiner Erhebung zum Kardinal im Dezember 1929 wurde er Staatssekretär und war neun Jahre treuer Mitarbeiter von Papst Pius XI., in einer Zeit, die durch Totalitarismen gekennzeichnet war: der Faschismus, der Nationalsozialismus und der Kommunismus in der Sowjetunion, die in den Enzykliken "Non abbiamo bisogno", "Mit Brennender Sorge" und "Divini Redemptoris" verurteilt wurden. "Wer mein Wort hört und glaubt ... hat das ewige Leben" (vgl. Joh 5, 24). Diese Zusage Jesu, die wir im Evangelium gehört haben, lässt uns an die schwierigsten Momente des Pontifikats von Pius XII. denken, in denen er das Dahinschwinden jeder menschlichen Sicherheit wahrnahm und das starke Bedürfnis verspürte, Christus – auch durch ständige Askese – nachzufolgen, der einzigen Gewissheit, die nicht vergeht. So erleuchtete das Wort Gottes seinen Weg, einen Weg, auf dem Papst Pacelli Evakuierte und Verfolgte trösten und Tränen des Leids trocknen musste sowie zahlreiche Kriegsopfer zu beweinen hatte. Nur Christus ist die wahre Hoffnung des Menschen: nur, indem das menschliche Herz auf Ihn vertraut, kann es sich der Liebe öffnen und den Hass besiegen. Dieses Bewusstsein begleitete Pius XII. während seines Amts als Nachfolger Petri, eines Amts, das er gerade in dem Augenblick antrat, als sich über Europa und dem Rest der Welt die drohenden Wolken eines neuen internationalen Konflikts zusammenzogen, den er auf jede mögliche Art und Weise zu verhindern versuchte: "Es droht Gefahr, doch noch ist Zeit. Nichts ist mit dem Frieden verloren. Mit dem Krieg kann alles verloren sein", hatte er in seiner Radiobotschaft vom 24. August 1939 ausgerufen (AAS, XXXI, 1939, p. 334).

"Entbehrungen

hinsichtlich Verpflegung, Heizung und Kleidung und gewisser

Bequemlichkeiten nahm er gern auf sich, um die Lage der Menschen zu teilen, die von den Bombenangriffen und den Folgen des Krieges schwer geprüft waren"

Der Krieg machte die Liebe, die er für sein "geliebtes Rom" hegte, deutlich, eine Liebe, die durch das intensive karitative Wirken bezeugt wurde, das er zum Schutz der Verfolgten förderte, ungeachtet welcher Religion, Volksgruppe, Nationalität oder politischen Richtung sie angehörten. Als ihm nach der Besetzung der Stadt wiederholt dazu geraten wurde, den Vatikan zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen, gab er stets dieselbe entschlossene Antwort: "Ich werde Rom und meinen Platz nicht verlassen, auch wenn ich sterben sollte" (vgl. Summarium, S. 186). Die Familienangehörigen und andere Zeugen berichteten außerdem über Entbehrungen hinsichtlich Verpflegung, Heizung, Kleidung und gewisser Bequemlichkeiten, die er gerne auf sich nahm, um die Lage der Menschen zu teilen, die von den Bombenangriffen und den Folgen des Krieges schwer geprüft waren (vgl. A. Tornielli, Pio XII, Un uomo sul trono di Pietro).

Und wie könnte man seine Weihnachtsbotschaft vergessen, die im Dezember 1942 im Radio übertragen wurde? Mit von Bewegung gebrochener Stimme beklagte er mit einer klaren Bezugnahme auf die Deportationen und die Vernichtung der Juden, die Lage von "Hunderttausenden von Menschen, die ohne jede eigene Schuld, manchmal nur aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Abstammung, dem Tod oder dem fortschreitenden Verderben bestimmt sind" (AAS, XXXV, 1943, S. 23). Er handelte häufig leise und im Verborgenen, weil er im Lichte der konkreten Situation jenes komplexen historischen Moments erahnte, dass nur auf diese Weise das Schlimmste zu verhindern und die größtmögliche Zahl von Juden zu retten war. Für sein Einschreiten erhielt er nach dem Krieg und auch im Momente seines Todes, zahlreiche, einmütige Zeugnisse der Dankbarkeit von den höchsten Autoritäten der jüdischen Welt, wie etwa von der israelischen Außenministerin Golda Meir, die schrieb: "Als das schrecklichste Martyrium während der zehn Jahre des Naziterrors unser Volk getroffen hat, hat der Papst seine Stimme zugunsten der Opfer erhoben", und bewegt schloss: "Wir beweinen den Verlust eines großen Dieners für den Frieden."

Leider hat die nicht immer sachlich geführte historische Debatte über die Gestalt des Dieners Gottes Pius XII. es versäumt, alle Aspekte seines vielseitigen Pontifikats zu beleuchten. Er richtete zahlreiche Ansprachen, Reden und Botschaften an Wissenschaftler, Ärzte und Vertreter der verschiedensten Berufsgruppen, von denen einige auch heute noch von außerordentlicher Aktualität und ein sicherer Bezugspunkt sind. Paul VI., der viele Jahre sein treuer Mitarbeiter war, beschrieb ihn als belesenen, aufmerksamen Gelehrten, der offen war für die modernen Wege der Forschung und der Kultur und dabei stets treu und konsequent sowohl an den Prinzipien der menschlichen Vernunft als auch am unantastbaren Gut der Wahrheit des Glaubens festhielt. Er sah ihn als einen Vorläufer des Zweiten Vatikanischen Konzils an (vgl. Angelus vom 10. März 1974). Aus dieser Perspektive verdienten viele seiner Dokumente angeführt zu werden, doch ich werde mich darauf beschränken, einige zu nennen. Mit der Enzyklika "Mystici Corporis", die am 29. Juni 1943 veröffentlicht wurde, während der Krieg noch wütete, beschrieb er die spirituellen und die sichtbaren Beziehungen, welche die Menschen mit dem fleischgewordenen Wort verbinden und schlug vor, alle wichtigen Themen der Ekklesiologie in diese Sicht einzubeziehen, womit er zum ersten Mal eine dogmatische und theologische Synthese anbot, welche die Grundlage für die dogmatische Konzilskonstitution "Lumen gentium" sein sollte.

Wenige Monate später, am 20. September 1943, setzte er mit der Enzyklika "Divino afflante Spiritu" die Lehrvorschriften für das Studium der Heiligen Schrift fest und stellte ihre Bedeutung und ihre Rolle im christlichen Leben heraus. Es handelt sich um ein Dokument, das von großer Offenheit gegenüber der wissenschaftlichen Forschung über die biblischen Texte zeugt. Wie könnte man diese Enzyklika nicht erwähnen, während die Arbeiten der Synode stattfinden, deren Thema lautet: "Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche"? Der prophetischen Intuition Pius XII. ist der Beginn einer ernsthaften Untersuchung über die Charakteristik der antiken Geschichtsschreibung zu verdanken, um das Wesen der heiligen Schrift besser zu verstehen, ohne ihren historischen Wert zu schwächen oder zu leugnen. Die gründlichere Erforschung der "literarischen Gattungen", deren Absicht darin bestand, zu einem besseren Verständnis dessen zu führen, was der Verfasser hatte sagen wollen, war bis zum Jahr 1943 – auch aufgrund nachweislichen Missbrauchs – mit einem gewissen Argwohn gesehen worden. Die Enzyklika erkannte die richtige Anwendung der Methode an und erklärte ihre Verwendung nicht nur für das Studium des Alten, sondern auch des Neuen Testaments für legitim. "Diese Wissenschaft der Textkritik – erklärte der Papst –, die bei der Herausgabe von Profanschriften anerkennenswert und erfolgreich angewandt wird, betätigt sich heute mit Fug und Recht auch an den heiligen Büchern, gerade wegen der Ehrfurcht, die wir dem Worte Gottes schulden". Und weiter sagte er: "Ihre Aufgabe ist es ja, den heiligen Text, soweit möglich, in vollkommenster Weise wiederherzustellen, ihn von den Verderbnissen, die aus der Unzuverlässigkeit der Abschreiber stammen, zu reinigen und ihn tunlichst zu befreien von Zusätzen und Lücken, von Umstellungen und Wiederholungen und von anderen derartigen Fehlern, die sich bei jahrhundertlanger Überlieferung in die Schriftwerke einzuschleichen pflegen" (AAS, XXXV, 1943, p. 336).

Die dritte Enzyklika, die ich erwähnen möchte, ist die der Liturgie gewidmete "Mediator Dei", die am 20. November 1947 veröffentlicht wurde. Mit diesem Dokument regte der Diener Gottes die liturgische Bewegung an, wobei er darauf insistiert, "das Hauptgewicht bei der Gottesverehrung auf das Innere zu verlegen. Wir müssen immer – so schreibt er – in Christus leben und uns ihm ganz hingeben, damit in ihm, mit ihm und durch ihn dem himmlischen Vater die gebührende Ehre erwiesen werde. Die heilige Liturgie verlangt aber, dass die beiden Elemente aufs engste miteinander verknüpft seien. .... Sonst wird die Religion zweifelsohne zum leeren Ritus und reinen Formalismus". Wir können des Weiteren nicht unerwähnt lassen, dass dieser Papst mit den Enzykliken "Evangelii praecones" (1951) und "Fidei donum" (1957) der Missionstätigkeit der Kirche einen wichtigen Impuls gegeben hat, indem er die Pflicht jeder Gemeinde herausgestellt hat, den Völkern das Evangelium zu verkünden, wie es auch das Zweite Vatikanische Konzil mit Mut und Kraft tun wird. Die Liebe für die Mission hatte Papst Pacelli im Übrigen von Beginn seines Pontifikats an gezeigt, als er im Oktober 1939 persönlich zwölf Bischöfe aus den Missionsländern weihen wollte, zu denen ein Inder, ein Chinese, ein Japaner, der erste afrikanische Bischof und der erste Bischof von Madagaskar gehörten. Eine seiner beständigen pastoralen Sorgen war schließlich die Förderung der Rolle der Laien, auf dass sich die kirchliche Gemeinschaft aller zur Verfügung stehenden Kräfte und Mittel bedienen könne. Auch dafür sind die Kirche und die Welt ihm dankbar.

Liebe Brüder und Schwestern, während wir für die glückliche Fortführung des Seligsprechungsverfahrens des Dieners Gottes Pius XII. beten, ist es schön, sich daran zu erinnern, dass die Heiligkeit sein Ideal war, ein Ideal, das allen anzuempfehlen er niemals versäumte. Daher regte er Selig- und Heiligsprechungsverfahren von Personen verschiedener Völker an, die alle Lebensstände, Tätigkeiten und Berufe repräsentierten, wobei er den Frauen einen großen Platz einräumte. Gerade Maria, die Frau des Heils, hat er der Menschheit als Zeichen sicherer Hoffnung angezeigt, indem er während des Heiligen Jahres 1950 das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete. In dieser unserer Welt, die wie damals von Zukunftssorgen und -ängsten geplagt wird, in dieser Welt, wo heute vielleicht noch mehr als damals, die Abwendung vieler Menschen von der Wahrheit und von der Tugend ein Szenario ohne Hoffnung erahnen lässt, lädt Pius XII. uns dazu ein, den Blick auf Maria zu richten, die in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen worden ist. Er lädt uns dazu ein, voller Vertrauen zu ihr zu beten, damit sie uns immer mehr den Wert des Lebens auf der Erde würdigen lässt, und uns helfe, den Blick auf das wahre Ziel zu richten, für das wir alle bestimmt sind: jenes Ewige Leben, das, wie Jesus uns versichert, derjenige schon besitzt, der Sein Wort hört und Ihm folgt. Amen!

 

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