xmlns:o="urn:schemas-microsoft-com:office:office" xmlns:w="urn:schemas-microsoft-com:office:word" xmlns="http://www.w3.org/TR/REC-html40">
Papst Benedikt XVI.
Generalaudienz am 23.3.11
Laurentius von Brindisi
Liebe Brüder und Schwestern!
Dank der Beherrschung so vieler Sprachen konnte Laurentius bei
verschiedenen Personengruppen ein intensives Apostolat entfalten. Er war ein
begabter Prediger und war nicht nur mit der Bibel zutiefst vertraut, sondern
auch mit der rabbinischen Literatur, sodass selbst die Rabbiner erstaunt und
verwundert waren und ihm ihre Wertschätzung und ihren Respekt erwiesen. Als in
der Heiligen Schrift und in den Kirchenvätern versierter Theologe vermochte er
die katholische Lehre auf beispielhafte Weise auch den Christen zu erläutern,
die sich – vor allem in Deutschland – der Reformation angeschlossen hatten. Mit
seiner ruhigen und klaren Darlegung zeigte er die biblische und patristische
Grundlage aller Glaubensartikel auf, die Martin Luther in Frage gestellt hatte.
Unter ihnen der Primat des heiligen Petrus und seiner Nachfolger, der göttliche
Ursprung des Episkopats, die Rechtfertigung als innere Verwandlung des
Menschen, die Notwendigkeit guter Werke für das Heil. Der Erfolg, dessen
Laurentius sich erfreute, hilft uns zu verstehen, dass auch heute, wenn wir mit
großer Hoffnung den ökumenischen Dialog vorwärtsbringen wollen, die
Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift, die in der kirchlichen Tradition
gelesen wird, ein unverzichtbares Element von fundamentaler Bedeutung
darstellt, wie ich in dem Apostolischen Schreiben "Verbum Domini" (Nr. 46) in
Erinnerung rufen wollte.
Auch die schlichtesten Gläubigen, die über keine große Bildung
verfügten, profitierten von den überzeugenden Worten Laurentius, der sich an
die einfachen Menschen wandte, um alle dazu aufzurufen, das eigene Leben
konsequent nach dem Glaubensbekenntnis ausrichten. Das war einer der großen
Verdienste der Kapuziner und anderer Orden, die im sechzehnten und siebzehnten
Jahrhundert zur Erneuerung des christlichen Lebens beitrugen, indem sie mit
ihrem Lebenszeugnis und ihrer Lehre tief in die Gesellschaft eindrangen. Auch
heute bedarf die Neuevangelisierung gut vorbereiteter, eifriger und mutiger Apostel,
damit das Licht und die Schönheit des Evangeliums über die kulturelle
Ausrichtung des ethischen Relativismus und religiöser Gleichgültigkeit siegen
und die verschiedenen Denk- und Handlungsweisen in einen echten christlichen
Humanismus verwandeln können. Es überrascht, dass der heilige Laurentius von
Brindisi seine Tätigkeit als geschätzter und unermüdlicher Prediger in vielen
italienischen Städten und in verschiedenen Ländern ununterbrochen wahrnehmen
konnte, obwohl er andere wichtige und verantwortungsreiche Aufgaben zu erfüllen
hatte. So war er innerhalb des Kapuzinerordens Professor für Theologie,
Novizenmeister, mehrere Male Provinzial und Generaldefinitor sowie schließlich
von 1602 bis 1605 Generalminister.
Trotz dieser vielen Aufgaben pflegte Laurentius ein tiefes
geistliches Leben und widmete dem Gebet und vor allem der Feier der Heiligen
Messe viel Zeit, die er häufig über Stunden hinzog, ganz in das Gedächtnis des
Leidens, des Todes und der Auferstehung der Herrn vertieft und davon ergriffen.
Von den Heiligen lernt jeder Priester – worauf während des Priesterjahres
mehrfach hingewiesen worden ist – ,dass er die Gefahr des Aktivismus, also die
Gefahr zu handeln, ohne dabei an die tiefen Beweggründe seines Amtes zu denken,
nur umgehen kann, wenn er auf sein eigenes inneres Leben achtet. Bei einer
Ansprache an die Priester und Seminaristen in der Kathedrale von Brindisi, der
Geburtsstadt des heiligen Laurentius, habe ich daran erinnert: "Der Augenblick
des Gebets ist der wichtigste Moment im Leben des Priesters, denn in ihm wirkt
die göttliche Gnade und verleiht seinem Dienst Fruchtbarkeit. Beten ist der
vorrangige Dienst an der Gemeinde. Deshalb müssen die Momente des Gebets in
unserem Leben eine bevorzugte Stelle einnehmen... Wenn wir nicht mit Gott
innerlich in Gemeinschaft sind, können wir auch den anderen nichts geben.
Deshalb hat Gott den absoluten Vorrang. Wir müssen immer die notwendige Zeit
aufbringen, um mit unserem Herrn in Gebetsgemeinschaft zu sein." Im übrigen
fordert Laurentius mit der unverwechselbaren Leidenschaft seines Stils alle und
nicht nur die Priester dazu auf, das Gebetsleben zu pflegen, da wir durch das
Gebet zu Gott sprechen und Gott zu uns spricht: "O, wenn wir das beachten
würden!", ruft er aus. "Dass nämlich Gott wirklich bei uns ist, wenn wir im
Gebet zu ihm sprechen; dass er unser Gebet wirklich hört, auch wenn wir nur mit
dem Herzen und im Geiste beten. Und dass er nicht nur bei uns ist und uns
zuhört, sondern dass er gerne und mit größter Bereitwilligkeit auf unsere Bitten
eingehen kann und möchte". Ein weiterer Zug, der das Werk dieses Sohnes des
heiligen Franziskus kennzeichnet, ist sein Wirken für den Frieden. Sowohl die
Päpste als auch die katholischen Fürsten vertrauten ihm wiederholt wichtige
diplomatische Missionen an, um Streitigkeiten zu schlichten und die Eintracht
unter den europäischen Staaten zu fördern, die zu jener Zeit durch das
Osmanische Reich bedroht wurden. Das moralische Ansehen, das er genoss, machte
ihn zu einem gesuchten Berater, dem zugehört wurde. Heute, wie zu den Zeiten
des heiligen Laurentius, bedarf die Welt so sehr des Friedens, bedarf sie
friedfertiger und friedbringender Männer und Frauen. Alle, die an Gott glauben,
müssen stets Quelle und Stifter des Friedens sein. Bei einer seiner diplomatischen
Missionen verschied Laurentius aus diesem irdischen Leben: 1619 in Lissabon,
wohin er sich zu Philipp III., dem König von Spanien, begeben hatte, um sich
für die neapolitanischen Untertanen einzusetzen, die von den lokalen
Obrigkeiten schikaniert wurden.
Er wurde 1881 heiliggesprochen und aufgrund seiner unermüdlichen
und intensiven Tätigkeit sowie seines umfangreichen Wissens wurde ihm 1959 aus
Anlass des vierhundertsten Jahrestags seiner Geburt vom seligen Papst Johannes
XXIII. der Titel "Doctor apostolicus" zugesprochen. Diese Auszeichnung wurde
Laurentius von Brindisi auch deswegen zuerkannt, weil er zahlreiche Werke zur
Bibelexegese, zur Theologie sowie von Predigtschriften verfasst hatte. In ihnen
bietet er eine organische Darlegung der Heilsgeschichte, die auf das Geheimnis
der Menschwerdung ausgerichtet ist, der größten Bekundung der Liebe Gottes zu
den Menschen. Außerdem stellt er als bedeutender Mariologe und Verfasser einer
Predigtsammlung über die Muttergottes mit dem Titel "Mariale" die einzigartige
Rolle der Jungfrau Maria hervor, deren unbefleckte Empfängnis und deren
Mitwirken am Heilswerk Christi er klar hervorhebt.
Mit feinem theologischem Gespür hat Laurentius von Brindisi auch
das Wirken des Heiligen Geistes im Dasein des Gläubigen herausgestellt. Er ruft
uns in Erinnerung, dass die dritte Person der heiligen Dreifaltigkeit mit ihren
Gaben unser Bemühen erleuchtet und unterstützt, voller Freude die Botschaft des
Evangeliums zu leben. "Der Heilige Geist" – so schreibt der heilige Laurentius
– "macht das Joch der göttlichen Gebote süß und die Last leicht, damit wir sie
mit größter Leichtigkeit, ja sogar mit Freude befolgen können."
Ich möchte diese kurze Darstellung des Lebens und der Lehre des
heiligen Laurentius von Brindisi mit dem Hinweis vervollständigen, das seine
gesamte Tätigkeit von einer großen Liebe zur Heiligen Schrift inspiriert wurde,
die er in weiten Teilen auswendig konnte, sowie von der Überzeugung, dass das
Hören auf das Wort Gottes und seine Annahme eine innere Verwandlung
hervorbringt, die uns zur Heiligkeit führt. "Das Wort Gottes ist Licht für den
Verstand und Feuer für den Geist, so dass der Mensch Gott erkennen und lieben
kann. Dem inneren Menschen, der vom Geist Gottes lebt, ist es Brot und Wasser:
Brot, das süßer ist als Honig, und Wasser, das besser ist als Wein und Milch.
... Es ist ein Hammer gegen ein Herz, das hartnäckig im Laster verharrt. Es ist
ein Schwert gegen das Fleisch, die Welt und den Teufel, um jede Sünde zu
zerstören." Der heilige Laurentius von Brindisi lehrt uns, die Heilige Schrift
zu lieben, in der Vertrautheit mit ihr zu wachsen, täglich die Beziehung der
Freundschaft zum Herrn im Gebet zu pflegen, damit alle unsere Taten, all unser
Handeln in Ihm ihren Anfang und ihre Erfüllung finden. Das ist die Quelle, aus
der wir schöpfen müssen, damit wir ein leuchtendes christliches Zeugnis
ablegen, das die Menschen unserer Zeit zu Gott zu führen vermag.