Papst Benedikt XVI.
Generalaudienz am 11.3.9
Bonifatius
Liebe Brüder und Schwestern!
Gestärkt und getragen durch
die Unterstützung des Papstes setzte Bonifatius sich dafür ein, in jenen
Gebieten das Evangelium zu verkünden, gegen die heidnischen Kulte zu kämpfen
und die Grundlagen der menschlichen und christlichen Moral zu stärken. Mit
großem Pflichtgefühl schrieb er in einem seiner Briefe: „Wir stehen fest im
Kampf am Tag des Herrn, da Tage des Leids und des Elends gekommen sind... Wir
sind weder Hunde, die nicht sprechen können, noch schweigsame Bobachter, noch
Söldner, die vor den Wölfen davonlaufen! Wir sind vielmehr fleißige Hirten, die
über die Herde Christi wachen, die den einflussreichen und den einfachen
Menschen, den Reichen und den Armen den Willen Gottes verkünden... in guten und
in schlechten Zeiten...“ (Epistulae, 3, 352.354: MGH). Mit seiner unermüdlichen
Aktivität, seinem organisatorischen Talent, seinem trotz seiner Bestimmtheit
nachgiebigen und liebenswürdigen Charakter, erzielte Bonifatius große Erfolge.
Gestärkt vom Papst
Der Papst erklärte
daraufhin, „er wolle ihm die Bischofswürde verleihen, damit er auf diese Weise
die Sünder mit größerer Entschiedenheit zurechtweisen und auf den Weg der
Wahrheit zurückführen könne, sich durch die größere Autorität der apostolischen
Würde gestärkt fühle, und allen im Amt der Verkündigung umso willkommener sei,
je deutlicher werde, dass er dazu vom apostolischen Oberhirten geweiht worden
war“ (Otloh, Vita S. Bonifatii, ed. Levison, lib. I, S. 127). Der Papst selbst
weihte Bonifatius auch zum „Landesbischof“ – also zum Bischof für ganz
Germanien. Er nahm dann seine apostolische Arbeit in dem Gebiet, das ihm
anvertraut worden war, wieder auf und dehnte sein Wirken auch auf die Kirche
Galliens aus: Mit großer Klugheit stellte er die kirchliche Disziplin wieder
her, berief mehrere Synoden ein, um die Autorität der kirchlichen Regeln zu
garantieren und stärkte die notwendige Gemeinschaft mit dem römischen Papst;
ein Punkt, der ihm besonders am Herzen lag. Auch bei den Nachfolgern von Papst
Gregor II. stand er in höchstem Ansehen: Gregor III. ernannte ihn zum
Erzbischof aller germanischen Stämme, sandte ihm das Pallium und ermächtigte
ihn, die kirchliche Hierarchie in diesen Gebieten zu organisieren (vgl. Epist.
28: S. Bonifatii Epistulae, ed. Tangl, Berolini 1916); Papst Zacharias
bestätigte sein Amt und lobte seinen Einsatz (vgl. Epist. 51, 57, 58, 60, 68,
77, 80, 86, 87, 89: op. cit.); Papst Stefan III. empfing kurz nach seiner Wahl
einen Brief von ihm, in dem er seine kindliche Ehrerbietung zum Ausdruck
brachte (vgl. Epist. 108: op. cit.).
Neben der
Evangelisierungsarbeit und der Organisation der Kirche durch die Gründung von
Diözesen und die Abhaltung von Synoden, versäumte der große Bischof es nicht,
die Gründung mehrerer Männer- und Frauenklöster zu fördern, damit sie wie
Leuchttürme für das Ausstrahlen des Glaubens und der humanen und christlichen
Kultur auf diesem Gebiet sorgten. Aus den Benediktinerklöstern seiner Heimat
hatte er Ordensmänner und Ordensfrauen gerufen, die ihm äußerst wichtige und
wertvolle Hilfe bei der Aufgabe leisteten, das Evangelium zu verkünden und die
Humanwissenschaften und die Künste in der Bevölkerung zu verbreiten. Er war zu
recht der Meinung, dass die Arbeit für das Evangelium auch Arbeit für eine
wirklich menschliche Kultur sein müsse. Vor allem das Kloster von Fulda – das
um 743 gegründet worden war – wurde das Herz und das Zentrum für die
Ausstrahlung religiöser Spiritualität und Kultur: Dort bemühten sich die
Mönche, durch Gebet, Arbeit und Buße ein heiligmäßiges Leben zu führen, sich im
Studium der religiösen und weltlichen Disziplinen auszubilden und sich für die
Verkündigung des Evangeliums, für die Mission vorzubereiten. Durch Bonifatius'
Verdienst also, sowie das seiner Ordensmänner und Ordensfrauen – auch die
Frauen spielten bei diesem Evangelisierungswerk eine ganz wichtige Rolle –
erblühte jene menschliche Kultur, die untrennbar mit dem Glauben verbunden ist
und dessen Schönheit offenbart. Bonifatius selbst hat uns bedeutende geistige
Werke hinterlassen. Vor allem seine umfangreiche Briefsammlung, in der sich
Pastoralbriefe mit amtlichen Briefen oder solchen privaten Charakters
abwechseln, die gesellschaftliche Begebenheiten und vor allem sein reiches
menschliches Temperament sowie seinen tiefen Glauben enthüllen. Er hat auch
eine Abhandlung über die „Ars grammatica“ verfasst, in der er Deklinationen,
Verben und die Syntax der lateinischen Sprache erklärte, die für ihn aber auch
ein Werkzeug wurde, um den Glauben und die Kultur zu verbreiten. Es werden ihm
zudem eine „Ars metrica“, also eine Einführung in die Gedichtschreibung, als
auch verschiedene Dichtungen und schließlich eine Sammlung von fünfzehn
Predigten zugeschrieben.
Obwohl er schon in
fortgeschrittenem Alter war – um die achtzig Jahre – bereitete er sich auf eine
neue Evangelisierungsmission vor: Mit etwa fünfzig Mönchen kehrte er nach Friesland
zurück, wo er sein Werk begonnen hatte. Als hätte er seinen bevorstehenden Tod
geahnt, spielte er auf die Reise seines Lebens an und schrieb seinem Schüler
und Nachfolger auf dem Bischofsstuhl von Mainz, den Bischof Lullus: „Ich möchte
die Absicht dieser Reise zu Ende führen; ich kann auf keinen Fall auf den
Wunsch verzichten, aufzubrechen. Der Tag meines Endes ist nahe, und es kommt
die Zeit meines Sterbens; ist der sterbliche Leichnam bestattet, werde ich zum
ewigen Lohn hinaufsteigen. Du aber, liebster Sohn, rufe unermüdlich die
Menschen aus den Verstrickungen der Sünde zurück, führe den Bau der bereits
begonnenen Basilika von Fulda zu Ende und begrabe dort meinen Leib, der in
langen Lebensjahren alt geworden ist“ (Willibald, Vita S. Bonifatii, ed. cit.,
S. 46). Am 5. Juni 754 wurde er, während die Feier der Heiligen Messe in Dokkum
(heute im Norden der Niederlande) begann, von einer Bande von Heiden
angegriffen. Ruhig trat er vor, „verbot den Seinen zu kämpfen und sagte:
,Stellt die Kämpfe ein, meine Söhne, lasst ab vom Krieg, denn das Zeugnis der
Schrift ermahnt uns, Böses nicht mit Bösem, sondern mit Gutem zu vergelten.
Hier ist nun der lange herbeigesehnte Tag: Die Zeit unseres Endes ist gekommen;
seid mutig im Herrn!“ (ebd. S. 49–50). Es waren seine letzten Worte, bevor er
unter den Schlägen der Angreifer fiel. Die sterbliche Hülle des
Märtyrerbischofs wurde dann in das Kloster von Fulda gebracht, wo sie ein
würdiges Begräbnis empfing. Bereits einer seiner ersten Biografen spricht sich
mit folgendem Urteil über ihn aus: „Der heilige Bischof Bonifatius kann sich
Vater aller Einwohner Germaniens nennen, da er sie durch das Wort seiner
frommen Verkündigung als erster für Christus hervorgebracht, sie durch sein
Beispiel bestärkt und schließlich für sie sein Leben gelassen hat – eine Liebe,
die größer nicht sein kann“ (Otloh, Vita S. Bonifatii, ed. cit., lib. I, S.
158).
Seine Botschaft für unser
Leben
Welche Botschaft können wir
heute, Jahrhunderte später, aus der Lehre und dem außergewöhnlichen Wirken
dieses großen Missionars und Märtyrers empfangen? Als erstes drängt sich
demjenigen, der sich Bonifatius nähert, folgende Tatsache auf: die Zentralität
des Wortes Gottes, das im Glauben der Kirche gelebt und ausgelegt wird, ein
Wort, das er bis zu seiner höchsten Selbsthingabe als Märtyrer lebte, predigte
und bezeugte. Er war so sehr vom Wort Gottes begeistert, dass er die
Notwendigkeit und die Pflicht verspürte, es zu den anderen zu tragen, auch auf
sein persönliches Risiko hin. Auf dem Wort beruhte jener Glaube, zu dessen
Verbreitung er sich im Moment seiner Bischofsweihe feierlich verpflichtet
hatte: „Ich bekenne vollständig die Reinheit des heiligen katholischen
Glaubens, und mit Gottes Hilfe möchte ich in der Einheit dieses Glaubens
bleiben, in dem ohne Zweifel das ganze Heil der Christenheit liegt“ (Epist. 12,
in S. Bonifatii Epistolae, ed. cit., S. 29). Die zweite äußerst wichtige
Tatsache, die sich aus dem Leben des heiligen Bonifatius ergibt, ist seine
treue Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl, die ein fester und zentraler
Punkt seiner Arbeit als Missionar war. Er hat diese Gemeinschaft stets als
Regel seiner Mission bewahrt und sie praktisch als sein Testament hinterlassen.
In einem Brief an Papst Zacharias erklärte er: „Unaufhörlich fordere ich alle
zum Gehorsam gegenüber dem Apostolischen Stuhl auf, die im katholischen Glauben
und in der Einheit der römischen Kirche bleiben wollen und alle, die Gott mir
in dieser meiner Mission als Zuhörer und Schüler anvertraut“ (Epist. 50: in
ibid. S. 81). Frucht dieses Bemühens war der unerschütterliche Geist des
Zusammenhalts mit den Nachfolgern Petri, den Bonifatius der Kirche seines
Missionsgebiets vermittelte und dadurch England, Deutschland und Frankreich mit
Rom vereinte und so auf entscheidende Weise dazu beitrug, jene christlichen
Wurzeln Europas zu schaffen, die in den kommenden Jahrhunderten reiche Frucht
hervorbringen sollten. Bonifatius empfiehlt sich unserer Aufmerksamkeit noch
aufgrund einer dritten Eigenschaft: Er förderte die Begegnung zwischen der
römisch-christlichen und der germanischen Kultur. Er wusste, dass die
Humanisierung und Evangelisierung der Kultur integrierender Bestandteil seines
bischöflichen Auftrags war. Durch die Weitergabe des alten Erbes der
christlichen Werte vermittelte er den germanischen Völkern einen neuen,
menschlicheren Lebensstil, dank dessen die unveräußerlichen Rechte der Person
stärker respektiert wurden. Als wirklicher Sohn des heiligen Benedikt wusste er
Beten und Arbeiten (handwerklich und geistig), Feder und Pflug zu vereinen.
Das mutige Zeugnis
Bonifatius' stellt eine Aufforderung an uns alle dar, in unserem Leben das Wort
Gottes als wesentlichen Bezugspunkt anzunehmen, die Kirche leidenschaftlich zu
lieben, uns für ihre Zukunft mitverantwortlich zu fühlen und die Einheit um den
Nachfolger Petri zu suchen. Gleichzeitig erinnert es uns daran, dass das
Christentum dadurch, dass es die Verbreitung der Kultur begünstigt, den
Fortschritt des Menschen fördert. Es liegt jetzt an uns, uns diesem kostbaren
Erbe gewachsen zu zeigen und es zum Nutzen der kommenden Generationen Frucht
bringen zu lassen.
Mich beeindruckt immer
wieder sein glühender Eifer für das Evangelium: Mit vierzig Jahren lässt er das
schöne und fruchtbare Klosterleben hinter sich, das Leben als Mönch und Lehrer,
um den einfachen Menschen, den Barbaren das Evangelium zu verkünden; mit
achtzig Jahren begibt er sich in ein Gebiet, wo er sein Martyrium vorhersieht.
Wenn wir diesen seinen glühenden Glauben, diesen Eifer für das Evangelium mit
unserem häufig lauen und bürokratisierten Glauben vergleichen, sehen wir, was
wir tun müssen und wie wir unseren Glauben erneuern können, um unserer Zeit die
kostbare Perle des Evangeliums zu schenken.