Papst Benedikt XVI. Generalaudienz am 12.8.09

Johannes Eudes

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute begehen wir den liturgischen Gedenktag des heiligen Johannes Eudes, eines unermüdlichen Apostels der Verehrung der heiligsten Herzen Jesu und Mariens, der im 17. Jahrhundert in Frankreich gelebt hat, einem Jahrhundert, das von gegenläufigen religiösen Phänomenen und schweren politischen Problemen gezeichnet war: es war die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der nicht nur große Teile Mitteleuropas, sondern auch die Seelen verheert hat. Und während sich die Verachtung des christlichen Glaubens seitens einiger damals vorherrschender Denkströmungen breitmachte, erweckte der Heilige Geist eine von Eifer erfüllte geistliche Erneuerung mit herausragenden Persönlichkeiten wie Pierre de Bérulle, dem heiligen Vinzenz von Paul, dem heiligen Louis-Marie Grignion de Montfort und eben dem heiligen Johannes Eudes. Diese große „Französische Schule“ der Heiligkeit brachte als eine ihrer Früchte auch den heiligen Jean-Marie Vianney hervor. Durch den geheimnisvollen Plan der Vorsehung sprach mein verehrter Vorgänger Pius XI. am 31. Mai 1925 Johannes Eudes und den Pfarrer von Ars zusammen heilig und bot so der Kirche und der ganzen Welt zwei außerordentliche Beispiele priesterlicher Heiligkeit.

Verbunden mit dem Priesterjahr liegt es mir daran, den Akzent auf den apostolischen Eifer des heiligen Johannes Eudes zu legen, der sich besonders auf die Ausbildung des Diözesanklerus richtete. Die Heiligen sind die wahre Auslegung der Heiligen Schrift. Die Heiligen haben in der Erfahrung des Lebens die Wahrheit des Evangeliums überprüft; so führen sie uns in die Kenntnis und das Verständnis des Evangeliums ein. 1563 hatte das Konzil von Trient Normen für die Errichtung von Diözesanseminaren und die Ausbildung der Priester erlassen, insofern sich das Konzil wohl bewusst war, dass die gesamte Krise der Reformation auch durch eine unzureichende Ausbildung der Priester bedingt war, die intellektuell und geistlich, im Herzen und in der Seele nicht richtig für das Priestertum vorbereitet worden waren. Dies geschah im Jahr 1563; da sich jedoch die Anwendung und die Verwirklichung der Normen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich hinauszögerten, sah der heilige Johannes Eudes die Folgen dieses Mangels. Getrieben vom klaren Bewusstsein des großen Bedürfnisses an geistlicher Hilfe, in dem sich die Seelen gerade auch aufgrund der Unangemessenheit eines Großteils des Klerus befanden, errichtete der Heilige, der ein Pfarrer war, eine Kongregation, die sich spezifisch der Ausbildung der Priester widmete. In der Universitätsstadt Caen gründete er sein erstes Seminar, eine Erfahrung, der große Wertschätzung zuteil wurde und die sich bald auf andere Diözesen ausweitete. Der von ihm unternommene und seinen Schüler vorgeschlagene Weg der Heiligkeit gründete in einem festen Vertrauen auf die Liebe, die Gott der Menschheit im priesterlichen Herzen Jesu und im mütterlichen Herzen Mariens offenbart hat. Zu jener Zeit der Grausamkeiten und des Verlustes der Innerlichkeit wandte er sich an das Herz, um dem Herzen ein sehr gut vom heiligen Augustinus interpretiertes Wort aus den Psalmen zuzusprechen. Er wollte die Aufmerksamkeit der Personen, der Menschen und vor allem der künftigen Priester auf das Herz lenken, indem er das priesterliche Herz Christi und das mütterliche Herz Mariens zeigte. Jeder Priester muss Zeuge und Apostel dieser Liebe des Herzens Christi und Mariens sein. Und damit kommen wir zu unserer Zeit.

Auch heute ist die Notwendigkeit wahrzunehmen, dass die Priester die unendliche Barmherzigkeit Gottes mit einem gänzlich von Christus „eroberten“ Leben bezeugen und dies von den Jahren ihrer Vorbereitung in den Seminaren an lernen. Papst Johannes Paul II. veröffentlichte nach der Synode 1990 das apostolische Schreiben „Pastores dabo vobis“, in dem er die Normen des Konzils von Trient aufnimmt, sie auf den laufenden Stand bringt und vor allem die notwendige Kontinuität zwischen dem anfänglichen und dem ständigen Moment der Ausbildung hervorhebt; dies ist für ihn, für uns, ein wahrer Ausgangspunkt für eine echte Reform des Lebens und des Apostolates der Priester, und es ist auch ein zentraler Punkt, damit die „Neuevangelisierung“ nicht einfach nur ein anziehender Slogan ist, sondern sich in Wirklichkeit umsetzt. Die Grundlagen, die in der Seminarausbildung gelegt werden, bilden jenen unersetzlichen „geistlichen Humus“, in dem „Christus“ dadurch „zu lernen ist“, dass man sich fortschreitend ihm gleich gestalten lässt, dem einzigen Hohen Priester und Guten Hirten. Die Seminarzeit ist daher als eine Aktualisierung jenes Augenblickes zu sehen, in dem Jesus, der Herr, die Apostel nach deren Berufung und vor ihrer Aussendung zur Verkündigung aufforderte, bei ihm zu bleiben (vgl. Mk 3, 14). Als der heilige Markus die Berufung der zwölf Apostel berichtet, sagt er uns, dass Jesus ein zweifaches Ziel verfolgte: Das erste bestand darin, dass sie mit ihm bleiben, das zweite darin, dass sie ausgesandt werden, um zu predigen. Indem sie jedoch immer mit ihm gehen, verkünden sie wirklich Christus und bringen der Welt die Wirklichkeit des Evangeliums.

Während dieses Priesterjahres lade ich euch ein, liebe Brüder und Schwestern, für die Priester und all jene zu beten, die sich darauf vorbereiten, das außerordentliche Geschenk des Amtspriestertums zu empfangen. An alle richte ich – und damit komme ich zum Schluss – die Ermahnung des heiligen Johannes Eudes, der so zu den Priestern spricht: „Schenkt euch Jesus, um in die unendliche Weite seines großen Herzens einzugehen, das das Herz seiner heiligen Mutter und aller Heiligen einschließt, und um euch in diesem Abgrund der Liebe, der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit, der Demut, der Reinheit, der Geduld, der Unterwerfung und der Heiligkeit zu verlieren“ (Coeur admirable, III, 2).

 

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