Papst Benedikt XVI.
Generalaudienz am 9.2.11
Petrus Canisius
Liebe Brüder und Schwestern!
1548 ließ ihn der heilige
Ignatius in Rom seine geistliche Ausbildung vervollständigen und schickte ihn
dann ins Kolleg von Messina. Nachdem er am 4. Oktober 1549 in Bologna das
Doktorat in Theologie erworben hatte, wurde er vom heiligen Ignatius für das
Apostolat in Deutschland bestimmt. Am 2. September jenes Jahres, 1549, besuchte
er Papst Paul III. in Castel Gandolfo und begab sich anschließend in den
Petersdom, um zu beten. Hier flehte er die heiligen Apostel Petrus und Paulus
um ihren Beistand an, dass sie dem Apostolischen Segen für seine große
Bestimmung, für seinen neuen Auftrag, dauerhafte Wirksamkeit verleihen wollten.
In seinem Tagebuch hat er einige Worte dieses Gebets festgehalten. Er sagt:
„Dort habe ich gespürt, dass mir durch solche Fürsprecher (Petrus und Paulus)
großer Trost und große Gnade gewährt wurden. Sie bekräftigten meine Sendung
nach Deutschland und schienen mir wie einem Apostel Deutschlands ihre
wohlwollende Unterstützung zu vermitteln. Du weißt, Herr, wie sehr und wie
häufig Du mir an jenem Tag Deutschland anempfohlen hast, um das ich mich in der
Folge kümmern sollte und für das ich dann leben und sterben wollte.“
Wir müssen uns
vergegenwärtigen, dass wir uns in der Zeit der lutherischen Reform befinden,
der Zeit, in der der katholische Glaube in den Ländern deutscher Sprache
angesichts der Faszination der Reform zu verlöschen schien. Canisius hatte die
nahezu unmögliche Aufgabe, den katholischen Glauben in den deutschsprachigen
Ländern zu erneuern. Nur kraft des Gebets war das möglich. Nur von seinem
Zentrum her war das möglich, also ausgehend von einer tiefen persönlichen
Freundschaft mit Jesus Christus; einer Freundschaft mit Christus in seinem
Leib, der Kirche, die durch die Eucharistie, seine reale Gegenwart, gestärkt
wird.
Dem Auftrag folgend, den er
von Ignatius und Papst Paul III. empfangen hatte, brach Canisius nach
Deutschland auf, genauer gesagt ins Herzogtum Bayern, das mehrere Jahre sein
Amtssitz war. Als Dekan, Rektor und Vizekanzler der Universität Ingolstadt
kümmerte er sich um das akademische Leben des Instituts und um die religiöse
und moralische Reform der Menschen. In Wien, wo er für kurze Zeit Administrator
der Diözese war, verübte er seinen Seelsorgedienst in den Krankenhäusern und
Gefängnissen, sowohl in der Stadt als auch in der Umgebung, und bereitete die
Publikation seines „Katechismus“ vor. 1556 gründete er das Prager Kolleg und
bis 1569 war er erster Provinzial der Oberdeutschen Jesuitenprovinz.
In diesem Amt baute er in
den deutschen Ländern eine enges gemeinschaftliches Netz seines Ordens auf –
vor allem der Kollege –, die Ausgangspunkt für die
katholische Reform, für die Erneuerung des katholischen Glaubens waren. In
jener Zeit nahm er auch am Wormser Religionsgespräch mit den protestantischen
Führern teil, zu denen Philipp Melanchthon gehörte (1557); er übte das Amt des
Apostolischen Nuntius in Polen aus (1558); er nahm an den beiden Reichstagen in
Augsburg teil (1559 und 1565); er begleitete Kardinal Stanislaus Hozjusz, den
Legaten von Papst Pius IV. bei Kaiser Ferdinand (1560); er nahm an der
Schlusssitzung des Konzils von Trient teil, wo er über die Frage der Kommunion
unter zwei Gestalten sowie über den Index der verbotenen Bücher sprach (1562).
1580 zog er sich nach
Fribourg in der Schweiz zurück, wo er sich ganz der Verkündigung und der
Abfassung seiner Werke widmete. Dort starb er am 21. Dezember 1597. Nach seiner
Seligsprechung durch den seligen Pius IX. im Jahr 1864 wurde er 1897 durch
Papst Leo XIII. zum zweiten Apostel Deutschlands proklamiert und 1925 von Papst
Pius XI. heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer ernannt.
Der heilige Petrus Canisius
verbrachte einen guten Teil seines Lebens im Kontakt mit den gesellschaftlich
wichtigsten Menschen seiner Zeit und übte durch seine Schriften einen
besonderen Einfluss aus. Er gab die vollständigen Werke des heiligen Cyrill von
Alexandrien und des heiligen Leo des Großen, die Briefe des heiligen Hieronymus
und die Gebete des heiligen Nikolaus von Flüe heraus. Er veröffentlichte
Andachtsbücher in verschiedenen Sprachen, die Biografien einiger Schweizer
Heiliger und viele Texte zur Homiletik. Doch seine verbreitetesten Schriften
waren die drei „Katechismen“, die er zwischen 1555 und 1558 verfasst hatte. Der
erste „Katechismus“ war für die Studenten bestimmt, die die Grundbegriffe der
Theologie zu verstehen vermochten; der zweite für die Kinder aus dem Volk für
eine erste religiöse Unterweisung; der dritte für Kinder mit einer Schulbildung
auf Ebene der Mittel- und Oberschule. Die katholische Lehre wurde durch Fragen und
Antworten dargestellt, kurz, mit biblischen Begriffen, mit großer Klarheit und
ohne Polemik. Allein zu seinen Lebzeiten gab es gut zweihundert Auflagen dieses
Katechismus! Und Hunderte von weiteren Auflagen folgten bis zum zwanzigsten
Jahrhundert. So nannten die Menschen in Deutschland noch in der Generation
meines Vaters den Katechismus einfach den „Canisius“; und der „Katechet“ hat
wirklich über Jahrhunderte hinweg den Glauben der Menschen geformt.
„Unterschieden zwischen dem
schuldhaften Abfall vom Glauben und dem nicht verschuldeten Verlust des
Glaubens“
Das ist eine Charakteristik
des heiligen Petrus Canisius: auf harmonische Weise die Treue zu den
dogmatischen Prinzipien mit dem jedem Menschen geschuldeten Respekt zu
verbinden. Der heilige Canisius hat unterschieden zwischen dem bewussten, dem
schuldhaften Abfall vom Glauben und dem nicht verschuldeten Verlust des
Glaubens, der aufgrund der Umstände erfolgte. Und er hat gegenüber Rom erklärt,
dass der größte Teil der Deutschen, die zum Protestantismus übergetreten waren,
keine Schuld trage. In einem historischen Moment starker konfessioneller
Kontraste vermied er – und das ist außergewöhnlich – Härte und wütende Rhetorik
– wie ich gesagt habe, zu jener Zeit etwas Rares in den Diskussionen unter Christen
– und zielte nur auf die Darstellung der geistlichen Wurzeln sowie auf die
Wiederbelebung des Glaubens in der Kirche ab. Dazu diente ihm seine umfassende
und tiefe Kenntnis der Heiligen Schrift und der Kirchenväter: dieselbe
Kenntnis, auf die sich seine persönliche Beziehung zu Gott stützte sowie seine
ernste Spiritualität, die aus der „devotia moderna“ und der rheinischen Mystik
herrührte.
Charakteristisch für die
Spiritualität des heiligen Canisius ist eine tiefe persönliche Freundschaft mit
Jesus. Er schreibt etwa am 4. September 1549 in sein Tagebuch, im Gespräch mit
dem Herrn: „Du hast mir schließlich, als ob du mir das Herz Deines heiligsten
Leibes öffnen wolltest, das ich vor mir zu sehen glaubte, aufgetragen, an jener
Quelle zu trinken und mich sozusagen aufgefordert, das Wasser meines Heils aus
Deinen Quellen zu schöpfen, o mein Erlöser.“ Dann sieht er, dass ihm der
Erlöser ein Gewand aus drei Teilen überreicht, die Frieden, Liebe und
Beharrlichkeit heißen. Und mit diesem Gewand, das aus Frieden, Liebe und
Beharrlichkeit besteht, hat Canisius sein Werk der Erneuerung des Katholizismus
durchgeführt. Seine Freundschaft mit Jesus – die das Zentrum seiner
Persönlichkeit bildete –, die sich von der Liebe zur Bibel, der Liebe zum
Sakrament, der Liebe zu den Vätern stärkt, diese Freundschaft war eindeutig mit
dem Bewusstsein verbunden, in der Kirche die Sendung der Apostel fortzuführen.
Und das ruft uns in Erinnerung, dass jeder wirkliche Verkünder immer ein mit
Jesus und seiner Kirche verbundenes und daher fruchtbares Werkzeug ist.
In der Freundschaft mit
Jesus war der heilige Petrus Canisius im geistlichen Klima der Kölner Kartause
ausgebildet worden, in der er in engem Kontakt mit zwei Mystikern gestanden
hatte: Johann Lansperger – latinisiert in Lanspergius – und Nicolas van Hesche
– latinisiert in Eschius. In der Folge vertiefte er jene Freundschaft,
familiaritas stupenda nimis, durch die Betrachtung der Geheimnisse des Lebens
Jesu, die einen großen Teil der Geistlichen Exerzitien des heiligen Ignatius
ausmachen. Seine intensive Verehrung des Herzens Jesu, die darin gipfelte, dass
er sich in der Vatikanbasilika dem apostolischen Dienst weihte, findet hier
ihre Grundlage.
In der christozentrischen
Spiritualität des heiligen Petrus Canisius ist eine tiefe Überzeugung
verwurzelt: Es gibt keine um ihre Vollkommenheit bemühte Seele, die sich nicht
jeden Tag im Gebet übt, dem geistigen Gebet, einem einfachen Mittel, das dem
Jünger Jesu erlaubt, in enger Vertrautheit mit dem göttlichen Meister zu leben.
Daher beharrt unser Heiliger in seinen Schriften, die zur geistlichen Erbauung
der Menschen bestimmt sind, sowie mit seinen Kommentaren zu den Evangelien, den
Festen, dem Ritus der Heiligen Messe und der anderen Sakramente auf der
Bedeutung der Liturgie, doch gleichzeitig trägt er Sorge dafür, die Gläubigen
darauf hinzuweisen, wie notwendig und schön es ist, dass das tägliche
persönliche Gebet die Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst der Kirche
begleitet und prägt. Es handelt sich um eine Ermahnung und eine Methode, die
nichts von ihrer Bedeutung verloren haben, vor allem nachdem sie auf maßgebende
Weise vom Zweiten Vatikanischen Konzil in der Konstitution „Sacrosanctum
concilium“ aufgeführt wurden: Das christliche Leben entwickelt sich nicht, wenn
es sich nicht durch die Teilhabe an der Liturgie, besonders an der heiligen
Messe am Sonntag, sowie am täglichen persönlichen Gebet, am persönlichen
Kontakt zu Gott, stärkt. Inmitten der tausend Aktivitäten und der zahlreichen
Reize, denen wir ausgesetzt sind, ist es notwendig, jeden Tag Momente der
Sammlung vor dem Herrn zu finden, um auf Ihn zu hören und mit Ihm zu sprechen.
Gleichzeitig ist das
Vorbild, das uns der heilige Petrus Canisius nicht nur in seinen Werken, sondern
vor allem durch sein Leben hinterlassen hat, immer noch aktuell und von
beständigem Wert. Er lehrt uns in aller Klarheit, dass das apostolische Amt nur
dann einschneidend ist und Früchte des Heils in den Herzen hervorbringt, wenn
der Verkünder persönlich Zeugnis für Jesus ablegt und sich ihm als Werkzeug zur
Verfügung zu stellen vermag: in enger Verbundenheit mit Ihm durch den Glauben
an sein Evangelium und an seine Kirche, durch ein moralisch konsequentes Leben
und durch ein Gebet, das so beständig ist wie die Liebe. Das gilt für jeden
Christen, der sich in seinem Leben für Christus engagiert und sich ihm treu
anschließen will. Danke