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GEMEINSAM AM TISCH DES HERRN
Ein Votum des Ökumenischen
Arbeitskreises
evangelischer und katholischer
Theologen
1. Einleitung
(1.1) Der Ökumenische Arbeitskreis
evangelischer und katholischer Theologen, der 1946 in Paderborn unter dem
bischöflichen Vorsitz von Lorenz Jaeger und Wilhelm Stählin gegründet wurde,
hat sich vielfach und intensiv mit dem Themenkreis "Abendmahl/Eucharistie und
Amt" in ökumenischer Perspektive befasst. In zahlreichen internationalen
und nationalen ökumenischen Dialogen sind Konvergenzen erreicht worden, die es
nun zu bündeln gilt. Auch andere ökumenische Gremien haben in jüngerer Zeit den
Versuch unternommen, zusammenfassende Auskünfte über die Themenkreise
Kirchenverständnis, Abendmahl/Eucharistie und Amt zu geben.
(1.2) In der ökumenischen
Hermeneutik hat vor einigen Jahren die Epoche der Ernte der Früchte der
bisherigen ökumenischen Dialoge begonnen. Dieses Anliegen verbindet sich mit
der Entschiedenheit, die in der Sache erreichten theologischen Verständigungen
mit verbindlich zu vereinbarenden Folgen auf der Handlungsebene zu versehen.
Die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" (1999) kann in unserem
Zusammenhang sowohl ein Leitbild als auch ein Mahnzeichen sein: Die Bemühungen,
den Stand der Dialoge "in via" — auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft — zu
sichten, trafen in der Rezeption weithin auf Zustimmung. Zugleich wurde die
vermeintliche Folgenlosigkeit der Anstrengungen auf der Ebene des ökumenischen
Lebens vor Ort in den Gemeinden, Verbänden und Familien beklagt.
(1.3) Folgende ökumenische
Interessen leiten die nachfolgende Darstellung: (1) Es gilt aufzunehmen, dass
es in den zurückliegenden Jahrzehnten in den theologischen Dialogen unter
ökumenischen Vorzeichen gelungen ist, in allen Fragen, die im 16. Jahrhundert im
Hinblick auf die Thematik Abendmahl/Eucharistie kontrovers besprochen worden
sind, in einem Maße Verständigungen zu erreichen, die es nicht mehr erlauben,
die verbliebenen Differenzen als kirchentrennend zu betrachten. (2) Es wird
festgehalten und bekräftigt, dass im Blick auf den
1
theologischen Sinngehalt der
Eucharistie/des Abendmahls Einigkeit besteht und dass auf dieser Grundlage die
Vielfalt der liturgischen Traditionen gewürdigt wird. (3) Es soll deutlich
werden, dass alle theologischen Disziplinen (exegetische, historische,
systematische und praktische) einen jeweils eigenen Zugang zu den Themen
Abendmahl/Eucharistie eröffnen, der in dem hier entfalteten theologischen
Gesamtverständnis von Abendmahl/Eucharistie Berücksichtigung findet; es besteht
der Anspruch, jeweils den gegenwärtigen Stand der Forschung zu repräsentieren.
(4) Die Vielfalt der liturgischen Praxis in Geschichte und Gegenwart in der
Feier von Abendmahl/Eucharistie ist der beständige Bezugspunkt aller
Überlegungen. Ziel dieser Überlegungen ist es, alle Bestrebungen anerkennend zu
würdigen und zu unterstützen, die den theologischen Sinngehalt bekräftigen und
auf dieser Grundlage das Anliegen teilen, Abendmahl/Eucharistie gemeinsam zu
feiern. (5) Die Darstellung konzentriert sich auf die westliche Tradition und
nimmt die Orthodoxie nur gelegentlich in den Blick; nur schrittweise können
Annäherungen in der gesamten Ökumene erreicht werden. Die Ökumene wird jedoch
immer auch eine multilaterale Perspektive anstreben müssen, wenn sie ihr Ziel,
die Einheit der Kirche im Sinne der gemeinsamen Bekenntnistradition, nicht aus
dem Blick verlieren möchte.
(1.4) Wir sprechen im Titel
bewusst von der gemeinsamen Feier des Abendmahls/der Eucharistie. Eucharistie
ist der danksagende Lobpreis des Handelns Gottes als Schöpfer und Erlöser. Im
Letzten Abendmahl ist diese göttliche Verheißung seiner Gegenwart mit Worten
und in Zeichenhandlungen für alle Zeiten gegeben. Zum lebendigen Gedächtnis
dieses Vermächtnisses Jesu Christi wissen wir uns gemeinsam berufen.
(1.5) Unsere Studie hat folgenden
thematischen Aufbau: Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist ein gemeinsames
Zeugnis im Hinblick auf den theologischen Sinngehalt der Feier von
Eucharistie/Abendmahl (Abschnitt 2). In der biblisch-theologischen Grundlegung
kommt die in den neutestamentlichen Texten erkennbare Vielfalt der Gestaltung
frühchristlicher Mahlfeiern zur Darstellung, die durch das ihr zugrundeliegende
Geschehen von Tod und Auferwe-ckung Jesu freigesetzt worden ist (Abschnitt 3).
Ein Gang durch die Geschichte der Feierformen macht mit der Vielgestalt der
liturgischen Praxis vertraut (Abschnitt 4). Die ökumenischen Kontroversen und
die erreichten Konvergenzen werden beschrieben (Abschnitt 5). Eigener
Aufmerksamkeit bedarf die Frage nach der (amtlichen) Leitung der Feier von
Abendmahl/Eucharistie (Abschnitt 6). Das Verhältnis zwischen
Kirchengemeinschaft und eucharistischer Gemeinschaft ist zu bedenken (Abschnitt
7). Am Ende steht ein Votum für eine Öffnung der konfessionellen Mahlfeiern für
Christinnen und Christen aus anderen Traditionen (Abschnitt 8).
3
2. Gemeinsames Zeugnis
Es entspricht dem geistlichen
Geschehen von Abendmahl/Eucharistie, die Ausführungen mit einem gemeinsamen
Zeugnis zu beginnen.
(2.1) Jesus Christus hat den
Menschen, die in seinem Namen zusammenkommen, seine Gegenwart versprochen (vgl.
Mt 18,20). Er ist mitten unter ihnen, wenn auch nur zwei oder drei sich in
seinem Namen versammeln. Er vergegenwärtigt sich ihnen, wenn sie Gottesdienst
feiern und sich ihm hörend, singend und betend zuwenden. Er verbindet sich mit
ihnen, wenn Menschen die Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes empfangen, und macht sie zu Gliedern an seinem Leib. Er schenkt sich
ihnen in seinem für alle dahingege-benen Leib und Blut, wenn sie sich unter dem
Wort seiner Verheißung das Brot und den Wein in der eucharistischen Feier des
Abendmahls reichen lassen.
(2.2) Die Zusage seiner Gegenwart
überschreitet und umgreift die konfessionellen Grenzen und Grenzziehungen, die
der sichtbaren Einheit der Christenheit im Wege stehen — sie ist in tiefstem
Sinn ökumenisch. Sie ist der tragende Grund jedes einzelnen Schrittes der
Ökumene. Wo auch immer Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner, Reformierte,
Anglikaner, Baptisten, Methodisten in seinem Namen versammelt sind, erfüllt
Christus sein Versprechen, mitten unter ihnen zu sein. Sie sind und werden in
Christus geeint, lange bevor sie sich über die konkreten Formen ihrer Einheit
verständigt haben und zu konkreten Verabredungen ihres Miteinanders gelangt sind.
(2.3) Es entspricht dem Willen
Jesu Christi, dass die an ihn Glaubenden unbeschadet ihrer unterschiedlichen
konfessionellen Zugehörigkeiten und Prägungen in seinem Namen miteinander beten
und sich zu ökumenischen Gottesdiensten versammeln. Im Leben der Gemeinden und
Kirchen manifestiert sich die Ökumene darin am stärksten, dass die Angehörigen
der verschiedenen christlichen Kirchen miteinander Gottesdienst feiern und
gemeinsam das Vaterunser beten. Das geschieht heute in vielen Teilen der Welt
mit erfreulicher Entschiedenheit, Unbefangenheit und Selbstverständlichkeit.
Ökumenische Gottesdienste unter der Verheißung der Gegenwart Jesu Christi sind
Schrittmacher der Einheit. "Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob" (Röm 15,7): Die Weisung des Apostels soll gerade hier zu
ihrem Recht kommen.
4
(2.4) Die christlichen Kirchen
stimmen in der Gewissheit überein, dass die Selbstvergegenwärtigung Jesu
Christi in der Gemeinschaft am Tisch des Herrn ihren dichtesten und tiefsten
Ausdruck findet und dass sich die Begegnung mit ihm in der Feier von
Abendmahl/Eucharistie in einer für irdische Verhältnisse unüberbietbaren Dichte
vollzieht. Daher wird die Trennung am Tisch des Herrn als besonders tiefer
Schmerz erfahren. Ihre Überwindung gehört zu den vordringlichen Zielen der
ökumenischen Verständigung.
(2.5) Die wechselseitige
Anerkennung der Taufe, wie sie von vielen Mitgliedskirchen der
Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen in Deutschland 2007 in der
"Magdeburger Erklärung" ausgesprochen wurde, kann als ein entscheidender
Schritt auf dem Weg zur Gemeinschaft am Tisch des Herrn gelten. Ihre
entscheidenden Sätze lauten: "Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und
Auferstehung bedeutet die Taufe Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament
empfängt und im Glauben Gottes Liebe bejaht, wird mit Christus und zugleich mit
seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein Zeichen der Einheit aller
Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit.
Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein
Grundeinverständnis über die Taufe." Indem durch den Vollzug der Taufe
ihre Gliedschaft am Leib Christi begründet wird, sind die Getauften in die
Einheit mit Jesus Christus und darin in die Einheit mit seinem Volk
hineingenommen. Das "Grundeinverständnis über die Taufe" ist stärker als
die Unterschiede im Verständnis der Kirche. Es ist zu klären, ob sich nicht
auch im Blick auf das Abendmahl/die Eucharistie ein gemeinsames
"Grundeinverständnis" herausstellen lässt, das analog zur Anerkennung der
Taufe eine wechselseitige Anerkennung der jeweiligen liturgischen Gestalt der
Mahlfeier und ihres theologischen Gehalts ermöglicht und damit zur gegenseitig
ausgesprochenen Einladung berechtigt. Dieser Aufgabe will sich der hier
vorgelegte Text annehmen.
(2.6) Die Feier des Abendmahls/der
Eucharistie vereint mit Jesus Christus und zugleich mit seinem gläubigen Volk
aller Zeiten und Orte. Diese Gemeinschaft mit Gott im Geist Jesu Christi
umfasst und übergreift Raum und Zeit. Die Feier von Abendmahl/Eucharistie
geschieht in der Communio Sanctorum, die in österlicher Hoffnung die Lebenden
und die Toten in Gottes Gemeinschaft vereint.
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3. Biblisch-theologische
Grundlagen
Der Glaube und das Leben gründen
auf dem heilvollen Handeln Gottes, der Jesus, den Gekreuzigten, von den Toten
auferweckt hat. Die geschichtlichen Anfänge der Kirche lassen sich allerdings
anhand der vielfältigen Zeugnisse, die in den neutestamentlichen Schriften
überliefert sind, nur umrisshaft erkennen.
Unterschiedliche Zeugnisse in den
neutestamentlichen Schriften bekunden, dass sich schon in den frühesten
Gemeinden spezifische Formen eines Gemeinschaftslebens herausbildeten: die
einmalige Taufe auf Jesus Christus, eine regelmäßig wiederholte Mahlfeier in
Anknüpfung an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern, die soziale
Unterstützung Bedürftiger in der Gemeinde (Diakonie) sowie die Ausbreitung der
Heilsbotschaft von Jesus Christus (Mission).
Seit ihren im Neuen Testament
bezeugten Anfängen sieht die Kirche in der Feier des heiligen Mahls ihre
Einheit in der Gemeinschaft mit Jesus Christus abgebildet. Wenn auch die
historischen Ursprünge und Gestaltungsformen einer urchristlichen
Herrenmahlfeier sich aus den vielfältigen neutestamentlichen und nachneutestamentlichen
Zeugnissen nicht mehr eindeutig rekonstruieren lassen, so besteht doch kein
Zweifel daran, dass regelmäßig wiederholte Mahlfeiern mit spezifischem Bezug
zur Jesus-Christus-Geschichte, die sich von alltäglichen Sättigungsmahlzeiten
erkennbar unterschieden, zu den wesentlichen Kennzeichen derjenigen Gemeinden
gehörten, die durch Wirken des Heiligen Geistes zu der einen, heiligen,
katholischen und apostolischen Kirche verbunden wurden.
Ein signifikantes Merkmal
frühchristlicher Herrenmahlfeiern war der Bezug auf das letzte Mahl Jesu mit
seinen Jüngern, wie es in den Passionsgeschichten der Evangelien erzählerisch
ausgestaltet worden ist, aber auch durch Paulus bezeugt wird (1 Kor 11,23).
Sichtbares Kennzeichen dieser Mahlfeiern war die vergegenwärtigende Erinnerung
daran, dass in Brot und Wein Jesus sich selbst als heilsame Gabe an seine
Jünger ausgeteilt hat. In seinem letzten Mahl verhieß Jesus nach den
neutestamentlichen Zeugnissen seinen Jüngern die bleibende Gemeinschaft mit
ihrem Herrn über seinen unmittelbar bevorstehenden Tod hinaus. Damit rückte er
die Lebens- und Verkündigungsgemeinschaft mit denen, die in die Nachfolge Jesu
eintreten, in einen endzeitlichen Horizont. In der eschatologischen
Zeichenhandlung des letzten Mahls Jesu bildet sich somit die österliche
Gemeinschaft der Gemeinden mit Christus und die endzeitliche Vollendung des
Bundes Gottes mit seinem Volk durch Vergebung der Sünden proleptisch ab (vgl.
Mt 26,28; 1 Kor 11,23-29).
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In österlicher Perspektive zeigt
sich hierin der Ursprung der einen Kirche Jesu Christi. Auf dieser Grundlage
lassen sich im Neuen Testament sowohl vielfältige Ausgestaltungen von
Mahlfeiern erkennen als auch charakteristische Grundzüge einer Mahlpraxis, die
auf Tod und Auferweckung Jesu verweist. Diese unterschiedlichen Gestalten von
Mahlgemeinschaft im Neuen Testament sind verbunden durch gemeinsame inhaltliche
Merkmale und Deutungsperspektiven, die im Folgenden entfaltet werden. Die
Quellenlage zu den historischen Anfängen von Abendmahl/Eucharistie und ihren
frühesten theologischen Deutungen ist fragmentarisch. Hätte es in der Gemeinde
von Korinth nicht Konflikte um die Mahlpraxis gegeben, auf die Paulus reagieren
musste, besäßen wir vermutlich keine einzige explizite Äußerung von ihm zu
Abendmahl/Eucharistie. Auch setzen manche neutestamentlichen Schriften eine
gemeindliche Mahlpraxis voraus, ohne sie eigens zu thematisieren. So wenig
auskunftsfreudig sie in Fragen des Gottesdienstes sind, so groß ist die
Begründungslast, die ihnen Kirche und Theologie im Blick auf ihre zentralen
gottesdienstlichen Vollzüge immer schon aufgebürdet haben. Die Zeugnisse, die
wir besitzen, sind ohne ihren biblisch-frühjüdischen Kontext nicht zu
verstehen, auch nicht ohne Berücksichtigung antiker Mahlkultur, die immer auch
religiöse Aspekte besitzt. In letzter Zeit werden auch die frühen, apokryph
gewordenen Apostelakten des zweiten Jahrhunderts und weitere christliche
Literatur verstärkt berücksichtigt, um die vielfältige frühchristliche
Mahlpraxis besser in den Blick zu bekommen. Die Anfänge liegen in der
vorösterlichen Zeit bei der in den Evangelien bezeugten Praxis Jesu, deren
Eigentümlichkeit erst aufleuchtet, wenn man sie mit den frühjüdischen
Mahltraditionen vergleicht.
(3.1) Das Neue Testament selbst
lässt noch keine feste Terminologie zur Bezeichnung gemeindlicher Mahlpraxis
erkennen. Die Termini, die es verwendet, müssen sich nicht auf identische
Feiergestalten beziehen. Sie drücken unterschiedliche Aspekte von
Gemeindemählern aus. Paulus spricht vom Herrenmahl (1 Kor 11,20), weil er es
von dem her deutet, was er "vom Herrn empfangen hat" und was "der Herr
Jesus" in der Nacht seiner Auslieferung gesagt und getan hat. In der Feier
wird der Tod des Herrn verkündet, "bis er kommt" (1 Kor 11,23-26). Der
Terminus Brotbrechen (Apg 2,42.46; 20,7.11; 27,35; vgl. auch 1 Kor 10,16)
knüpft in jüdischer Mahltradition an den Gemeinschaft symbolisierenden
Eröffnungsgestus des Vorstehers der Tischgemeinschaft an (vgl. Mk 6,41 par. Mt
14,19; Mk 8,6 par. Mt 15,36; Mk 8,19; 14,22 par. Lk 22,19; Lk 24,30),
bezeichnet das Gemeindemahl aber als Ganzes. Von derAgape ist im Neuen
Testament nur vereinzelt die Rede, in Jud 12. Der Terminus
7
bezeichnet wohl kein Liebes- oder
Sättigungsmahl, von dem sich das "sakramentale" Mahl verselbstständigt
hätte, sondern das Gemeindemahl insgesamt (vgl. Tertullian, Apologeticum 39).
Die Bezeichnung Eucharistia ist im Neuen Testament noch nicht gebräuchlich,
wohl aber in Texten ab dem zweiten Jahrhundert (vgl. bereits Did 9,1) und
steigt dann zu einem führenden Terminus auf; sie leitet sich von den Segens-
und Dankgebeten her, die über den Gaben gesprochen werden, und deutet deren
konstitutive Funktion für das Mahl an (vgl. 3.10.1). Die spätere Rede vom
Abendmahl erinnert an das letzte Mahl Jesu mit den Seinen "in der Nacht, da er
ausgeliefert wurde" (1 Kor 11,23).
(3.2) Die biblisch frühjüdischen
Wurzeln neutestamentlich bezeugter Mahlpraxis werden zunächst bei Jesus
greifbar: Er proklamiert das Königreich Gottes nicht nur mit Worten (Mk 1,15;
Lk 10,9 par. Mt 10,7), sondern feiert seinen Beginn mit den religiös und sozial
Ausgegrenzten und macht es so auch leibhaft in den Mahlfeiern mit "Zöllnern und
Sündern" erfahrbar (Mk 2,15-17 par. Mt 9,10-13; Lk 5,27-39; 7,36-50;
9,10-17; 10,38-42; 11,37-53; 15,1f.; 19,1-10). Auch bei Pharisäern und Reichen
sitzt er zu Tisch (Lk 14,1-24). Biblisch-frühjüdische Bilder von Mahl und
Speise in Fülle für die endzeitliche Königsherrschaft Gottes (Jes 25,6; vgl. Am
9,13-15; Sach 9,17; syrBar 29,5f.; Qumran: 1QSa 2,17-21) verdichten sich bei
Jesus zu einem zentralen Realsymbol, das auch in seinen Bildworten und
Gleichnissen, etwa dem vom Gastmahl (Lk 14,16-24 par. Mt 22,1-10), widerhallt
(vgl. auch Lk 12,35-38; 13,28f. par Mt 8,11f.; 15,22-32; Offb 3,20; 19,9). Die
Freude über den Anbruch der Heilszeit und den Vergebungswillen Gottes
kennzeichnen seine Mahlpraxis. Für ihn ist die Zeit seines Wirkens
"Hoch-Zeit", keine Zeit des Fastens (Mk 2,18f.; vgl. auch Joh 2,1-11).
Angesichts seines Todes erklärt Jesus, dass er in der vollendeten
Königsherrschaft Gottes wieder "von der Frucht des Weinstocks trinken"
werde (Mk 14,25), nach Mt 26,29 "mit euch" (vgl. Mt 1,23 und 28,20). Die
frühchristliche Erinnerung verbindet die Mahlgemeinschaften Jesu auch mit dem
Thema der Speisung des Volks mit Manna in der Wüste (Joh 6,31-33; Mk 6,35-44;
8,1-8; vgl. äthHen 62,14; syrBar 29,8; Offb 2,17) und dem Brotwunder des
Elischa (vgl. Joh 6,5-15 mit 2 Kön 4,42-44). Im Kontext antiker Gastmahlkultur
fällt Jesu Mahlpraxis während seines Wirkens in Galiläa durch ihre Offenheit
allen im Volk gegenüber auf. Sie durchbricht soziale und religiöse Grenzen und
richtet keine rituellen Schranken auf. Sie orientiert sich nicht am Tempel als
dem Ort der von Gott den Menschen gewährten Versöhnung, sondern feiert die Annahme
der Sünder im Alltag der Welt.
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(3.3) Das letzte Mahl Jesu, das er mit den
Seinen in Jerusalem vor seinem Tod feiert, wird vom ältesten Evangelisten
Markus als Pascha-Mahl dargestellt (Mk 14,12-16). Damit rückt es in den
Resonanzraum der jährlich begangenen Erinnerung Israels an seine
Gründungserzählung, die Befreiung der Israeliten aus dem "Sklavenhaus"
Ägypten, die Hoffnung auf zukünftige Erlösung stiftet. Matthäus und Lukas
folgen dem ältesten Evangelisten (Mt 26,17-19; Lk 22,7-13), während Lukas die
Pascha-Konturen in der Mahl-Szene selbst stärkt, wenn er Jesus gleich zu Beginn
erklären lässt: "Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem
Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen" (Lk 22,15; vgl. V.15-18
insgesamt). Der vierte Evangelist vermittelt das Bild eines Abschiedsmahls ohne
Pascha-Rahmen, proklamiert aber Jesus von Anfang an als das "(Pascha-)Lamm, das
die Sünde der Welt hinwegnimmt" (Joh 1,29.36; vgl. 18,28; 19,36). Alle
vier Evangelisten sehen demnach Jesu letztes Mahl, das seinen Tod in Worten und
Gesten antizipiert, im Horizont der Geschichte Gottes mit Israel, die auf
zukünftige Rettung des Gottesvolkes und die Wegnahme seiner Sünden drängt.
(3.4) Schon die zeitliche
Zuordnung von Jesu Abschiedsmahl zum jüdischen Paschafest zeigt, dass ihm als
letztem seiner vielen Mähler eine Sonderrolle zukommt. Die von Paulus 1 Kor 11,
23c-25 zitierte sog. Abendmahls-Überlieferung (par. Lk 22,19f.) bewegt sich mit
ihren rituellen Elementen "Brechen des Brotes" unter Segensworten und "Segnen
des (mit Wein gefüllten) Bechers" nach der Sättigung im Rahmen eines
jüdischen Festmahls. Mit den Gesten der Darreichung von Brot und Becher samt
dazugehörigen Gabe-Worten eröffnet sie aber neue Perspektiven. Gerade die
Gabeworte bestätigen, dass es die biblische Welt ist, welche die
Deutungskategorien bereitstellt. Während die Rede vom "neuen Bund" sich in
der Tradition von Jer 31,31 bewegt, weist die Blutformel ("in meinem
Blut") auf der Linie des Buches Levitikus auf den Opfercharakter des Todes
Jesu hin. In ihm gründet der "neue Bund", der vom Becher, den Jesus
darreicht, symbolisiert wird. Die Rede vom "Leib für euch" (1 Kor 11,24)
ist dagegen offen. Ein Bezug auf das stellvertretende Sühneleiden des
Gottesknechts (Jes 53) legt sich nahe. Die in der griechischen Welt
verbreitete, auch im hellenistischen Judentum gebräuchliche Kategorie eines
"Sterbens für (das Vaterland etc.)" könnte gleichfalls im Hintergrund
stehen. Die lukanische Parallele zur paulinischen Überlieferung scheint mit
ihren kleinen Ergänzungen (Lk 22,19: "mein Leib, der für euch hingegeben
wird"; Lk 22,20: "in meinem Blut, das für euch vergossen wird") den
Bezug auf die Schrift zu stärken (vgl. Jes 53,12 LXX; Lev 4,7.18.25.30; 8,15
etc.). Die markinische Variante: "Blut des Bundes, das für viele vergossen
wird" (Mk 14,24; vgl. Mt 26,28), deutet den Tod Jesu im Licht der
Sinaiperikope Ex
9
24 (vgl. v.a. V.8) und unter
Anspielung auf Jes 53 ("für viele"; vgl. auch Mk 10,45). Im Sterben Jesu
am Kreuz zum Heil aller richtet Gott mit den Menschen seinen "Bund" auf.
Jesu Worte bei seinem letzten Mahl können in ihrer Bedeutung nur von der
Schrift her erschlossen werden.
(3.5) Wenn Paulus und Lukas mit
der Abendmahls-Überlieferung die Weisung steten Gedächtnisses verbinden ("dies
tut zu meinem Gedächtnis!": 1 Kor 11,24f.; Lk 22,19), geben sie die
Funktion der Überlieferung zu erkennen: Die Aufforderung zur Vergegenwärtigung
des letzten Mahls Jesu mit seinen Jüngern dient der theologischen Normierung
des rituellen Gemeindemahls. Das letzte Mahl Jesu wird damit zu seinem
geschichtlichen Quellgrund und zum Maßstab des Gemeindelebens erklärt.
(3.5.1) Biblisch verstanden, ist
die Erinnerung eine Vergegenwärtigung. Sie vollzieht sich hier gemäß dem
Auftrag Jesu und im Horizont der Verheißung seiner Gegenwart. Die Weisung
steten Gedächtnisses hat zwar auch Analogien in paganen Gedächtnis-Stiftungen
von Kultakten; sie erklärt sich aber, wie der Kontext zeigt, entscheidend in
der Tradition des Pascha-Gedenkens (vgl. Ex 12,14: "dieser Tag soll euch eine
Erinnerung sein"; Ex 13,3: "Gedenkt dieses Tages, an dem ihr aus Ägypten
gezogen seid, aus dem Sklavenhaus").
Bei Paulus bezieht sich die
Aufforderung: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" sowohl auf die Brot- als
auch auf die Wein-Gabe (1 Kor 11,24.25). Bei Lukas findet sich der Auftrag nur
im Anschluss an die Brot-Handlung (Lk 22,19), wenn Lk 22,20 nicht als verkürzte
parallele Formulierung aufgefasst wird. Dem entspricht, dass die
Mahlerzählungen der Apostelgeschichte nirgends Weingenuss erwähnen und der terminus
technicus "Brot brechen" heißt. Ob dies auf eine asketische Mahlpraxis
ohne Wein schließen lässt, wird in der Forschung kontrovers diskutiert.
(3.5.2) Markus und Matthäus bieten
die Weisung steten Gedächtnisses im Anschluss an Jesu Gabeworte und Gesten
nicht. Eine Aufforderung zur Wiederholung fehlt, die Rede ist nur von einem
erneuten Trinken Jesu an "jenem Tag" im Reich Gottes (Mk 14,25) "mit"
seinen Jüngern (Mt 26,29). Dennoch werden die Leser die Worte wiedererkennen,
welche die Grundlage des von ihnen gehaltenen Mahls des Herrn bilden. Im Fokus
steht bei beiden Evangelisten die Deutung von Jesu Tod. Wenn sie betonen, dass
alle Jünger, die auch alle aus dem Kelch trinken (Mk 14,23; Vgl. Mt 26,27),
versagen (Mk 14,27.29.31; Mt 26,31.33.35), stellen sie klar, dass alle der
"Vergebung der Sünden" bedürfen. Sie wird ihnen geschenkt kraft Jesu Tod,
dessen "Blut für viele vergossen wird" (Mk 14,24; Mt 26,28).
10
(3.5.3) Welche liturgische Rolle die Erzählung
vom letzten Mahl Jesu in den Mahlfeiern der frühchristlichen Gemeinden spielte,
entzieht sich unserer Kenntnis. Bei der Weisung steten Gedächtnisses handelt es
sich nicht um einen Befehl zur Wiederholung der Worte Jesu, der sich gar nur an
seine Jünger bzw. die Zwölf (vgl. Mk 14,17) als Vorbilder späterer Amtsträger
richtet. Die in der 2. Person Plural formulierten Weisungen bei Paulus haben
alle an der gegenwärtig vollzogenen Mahlfeier Beteiligten im Blick. Die Texte
selbst geben nicht zu erkennen, dass die Gabeworte Jesu während des
Gemeindemahls tatsächlich über den Gaben rezitiert wurden. Sie werden auch erst
in der in das 3. oder 4. Jahrhundert zu datierenden Traditio Apostolica zu
einem Teil der "Danksagungen" oder Hochgebete. In den frühen uns bekannten
Eucharistiegebeten fehlen sie.
(3.6) Schließt das letzte Mahl
Jesu bei den Synoptikern seine Mahlpraxis ab und weist zugleich nach vorne, so
erzählt im Ausgang von ihm das lukanische Doppelwerk von der Mahlpraxis der
nachösterlichen Gemeinden (Apg 2,46; 20,7-12; vgl. auch 27, 33-38). Das
Emmausmahl (Lk 24,13-35) kann als Scharnier begriffen werden. Die beiden Jünger
erkennen den Auferweckten daran, dass er ihnen als Tischherr im fremden Haus
wie zu Lebzeiten das Brot bricht (Lk 24,35). Die ausdrückliche Hervorhebung
dieser Handlung wird zu einem christlichen Spezifikum. In der
griechisch-römischen Welt wurde sie, sofern sie überhaupt eine Rolle spielte,
als alltägliche Handlung angesehen. Charakteristisch für die erzählte
nachösterliche Mahlpraxis der Jerusalemer Ekklesia in der Tradition Jesu ist der
österliche Jubel (Apg 2,46; vgl. auch 16,34), der Glaube an die Gegenwart des
Auferweckten. Der erste "Sammelbericht" der Apg zum Leben der Gemeinschaft
der Jesus-Anhänger Apg 1,14 ("sie alle [die Apostel] verharrten dort einmütig
im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen
Brüdern") erwähnt das "Brotbrechen" noch nicht, erst der zweite
"Sammelbericht" Apg 2,42 im Anschluss an die pfingstliche
"Ausschüttung" des Geistes und die Taufe der Erstbekehrten. Hervorgehobene
Gemeinschaftsmähler gibt es also erst nach dem Empfang des Geistes; sie sind
Ausdruck seines Wirkens. "Hausweise" gefeiert, ist den Mahlgemeinschaften
Offenheit und Ausstrahlung eigen (Apg 2,47; 20,8: die Versammlung ist nicht
geheim, sondern spielt sich im hell erleuchteten Obergemach ab; vgl. auch
27,35). Wie das Emmausmahl Scharnier zwischen der Mahlpraxis des irdischen
Jesus und derjenigen der apostolischen Zeit ist, so ist das Abschiedsmahl des
Paulus in Troas (Apg 20,7-12) — gepaart mit seiner Abschiedsrede vor den
Ältesten von Ephesus in Milet (Apg 20,17-35) — das Scharnier zwischen der
paulinischen Zeit und der "nach dem Weggang" des Paulus (Apg 20,29). Die
Handlung des "Brotbrechens"
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ist mit Zuspruch und Leben
verbunden (V.12; ähnlich Apg 27,33-38): Paulus erweckt während der Versammlung
einen aus dem Fenster gefallenen jungen Mann mit Namen Eutyches aus dem Tod.
Wenn die Episode am Übergang zur nachpaulinischen Zeit das "Brotbrechen"
an den "ersten Tag der Woche" anbindet, weist sie programmatisch in die Zukunft
(in Apg 2,43-47, dem Idealbild vom Anfang der Kirche, ist noch von täglichen
Gemeinschaftsmählern die Rede). Das deutet auf eine wöchentliche
Gottesdienstpraxis zur Zeit des Lukas hin. Sie war geprägt von der Erfahrung
der Gegenwart des Auferweckten im Geist, von Zuspruch und Stärkung im Mahl
(vgl. die frühkirchlichen Entwicklungen unter 4.5).
(3.7) Das vierte Evangelium zeigt
Jesus als Gast — bei einem Hochzeitsmahl (Joh 2,1-11) oder im kleinen
Freundeskreis (Joh 12,1-8) — und als Gastgeber, der vor dem Pascha-Fest in
Galiläa an einsamem Ort eine große Volksmenge speist (Joh 6,1-15). Nach Ostern
gibt er sich den Seinen in Erinnerung an die Speisung des Volks gleichfalls "am
See von Tiberias" im Mahl zu erkennen (Joh 21,1-14). Was er zu Lebzeiten
über sich selbst sagt: "Ich bin das Brot des Lebens" (Joh 6,35), das wird
im nachösterlichen Mahl, bei dem er gegenwärtig ist, erfahrbar (Joh 21,13).
In die Zukunft weist auch Jesu
Wort gegen Ende seiner Brotrede: "Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch
für das Leben der Welt" (Joh 6,51b). Unter Rückgriff auf die
Abendmahls-Überlieferung (Mk 14,22; Mt 26,26; Lk 22,19; 1 Kor 11,24) deutet es
Jesu Brot-Gabe mittels des Stichworts "Fleisch" als Verweis auf die bis in
die Materialität hineinreichende Realität der Menschwerdung des Logos (vgl. Joh
1,14; 1 Joh 4,2; 2 Joh 7). Bis heute gibt es aber auch die Tradition, unter
Verweis auf Joh 6,63 ("Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt
nichts") den Abschluss der Brotrede Joh 6,51b-58 insgesamt metaphorisch zu
deuten. Einen eigentlichen "Einsetzungsbericht" zum Herrenmahl enthält das
Johannesevangelium dagegen nicht. Zukunftsweisend ist aber die Weisung Jesu an
seine Jünger, einander vor dem Abschiedsmahl die Füße zu waschen, in der sich sein
Gebot, einander zu lieben, exemplarisch niederschlägt (Joh 13,1-20). Darin
deutet er seinen bevorstehenden Tod und stellt das Gemeindemahl unter die
Weisung der Liebe untereinander nach seinem Vorbild.
(3.8) Aus den bisher erwähnten und
weiteren Mahltexten lassen sich Feiergestalten frühchristlicher Mahlpraxis
zumindest in Umrissen erkennen. Weil sich die Gemeinden "hausweise"
bildeten (Röm 16,5; 1 Kor 16,19; Phlm 2 etc.), gilt grundsätzlich, dass es die
hier üblichen Mahlformen, Mahlstrukturen und Mahlgewohnheiten waren, welche die
12
frühchristlichen
Gemeinschaftsmähler prägten.
(3.8.1) Paganer wie jüdischer
Symposienkultur entspricht es, dass ein rituell-religiöses Mahl als
eigenständiges, isoliertes Geschehen in den Gemeinden undenkbar war. Von Anfang
an waren die rituellen Gesten und Gebete in ein Sättigungsmahl eingebunden (1
Kor 11,17-34; Apg 2,46). Dazu kamen — dem gesellschaftlichen Charakter
derartiger Versammlungen gemäß — der Austausch unterschiedlicher Wortbeiträge
und der Gesang geistlicher Lieder (1 Kor 14; Apg 2,46f.; vgl. Kol 3,16f.; Eph
5,18-20). Wie die Abfolge der Teile geregelt war, kann nur vermutet werden. In
Korinth ist möglicherweise ein Sättigungsmahl vorangegangen, auf das das
rituelle Mahl mit Brot und Wein folgte, das in eine Art "Wortgottesdienst"
einmündete. Die Emmaus-Erzählung reflektiert die Grundbausteine
Schriftauslegung und Mahl (Lk 24,1332; vgl. auch Mk 6,34.35-44).
(3.8.2) Die Bestandteile der
eigentlich rituellen Handlung sind Brot und (antiker Gewohnheit entsprechend
mit Wasser verdünnter) Wein. Von ihrer biblischen Bedeutung als von Gott
gegebene, elementare Lebensmittel und Zeichen der Festfreude einmal abgesehen
(Dtn 16,13; Ps 104,15; Koh 9,7), besitzt schon die Weise ihrer Darreichung in
den kleinen Gemeinschaften der kirchlichen Frühzeit symbolische Ausdruckskraft:
Wie für alle ein Brotfladen zerteilt wird (vgl. 1 Kor 10,17: "wir alle haben
Teil an dem einen Brot"), so gibt es auch nur einen Becher mit Wasser
verdünnten Weines für die versammelte Gemeinschaft (1 Kor 11,25; vgl. Mk 14,23;
Mt 26,27).
(3.8.3) Die Segens- und Dankgebete
über Brot und Wein — aber auch über andere Gaben, die mitgebracht und an
Bedürftige verteilt wurden wie Öl — stehen in jüdischer Tradition, wie die
Tischgebete der Didache belegen (Did 9f.). Es sind die ersten christlichen
Gebete dieser Art, die wir kennen. Die neutestamentlichen Autoren setzen
durchweg als bekannt voraus, was über den Mahlgaben gebetet wurde (vgl. Mk
6,41; Mk 14,22; Mk 8,6; 14,23; Joh 6,11.23; 1 Kor 10,16: "der Becher, den wir
segnen"; 11,24).
(3.8.4) Während städtische Vereine
zur Homogenität tendierten, feierten in den christlichen Gemeinden Menschen
unterschiedlichen Standes, Herkommens und Geschlechts das gemeinsame Mahl, denn
grundsätzlich gilt: "Es gibt nicht mehr Jude oder Grieche, nicht Sklave oder
Freien, nicht Männliches und Weibliches; denn ihr alle seid einer in Christus
Jesus" (Gal 3,28). Weil aber die sozialen und mentalitätsmäßig bedingten
Differenzen in den Gemeinden
13
weiterhin Bestand hatten,
entstanden ethische Probleme, die von der Mitte des Christusglaubens her zu
lösen versucht wurden (vgl. 1 Kor 11,17-34).
(3.8.5) Über die Leitung der
ersten Gemeindemähler wissen wir wenig, auch wenn Paulus Leitungsdienste unter
den Charismen kennt (1 Kor 12,28; vgl. 1 Thess 5,12-13; Röm 12,8). Weil
Charismen Gottesgaben ohne Ansehen von Geschlecht oder Stellung sind, ist davon
auszugehen, dass in den ersten Generationen der Kirche (vgl. Röm 16,1) und
teils auch später Frauen Leitungsfunktionen innehatten (vgl. Apg 16,14f.40).
Lukas gestattet einen Blick in seine Gegenwart, wenn nach Lk 22,26 Jesus
während des letzten Mahles die Apostel mahnt: "Der Führende soll werden wie der
Dienende" (vgl. auch Lk 12,41-48), oder nach Apg 20,7-12 Paulus im
Abschiedsmahl von Troas das Brot bricht, also tut, was später die
Gemeindeleiter tun. Nach den Pastoralbriefen liegt es nahe, dass die Episkopen
und Presbyter auch der Feier des Abendmahles/der Eucharistie vorgestanden
haben, wiewohl es keinen direkten Nachweis gibt. Die Verkündigung des Wortes
Gottes, die in der eucharistischen Feier eine wesentliche Rolle spielt, ist
grundlegend die Aufgabe der "Apostel und Propheten" (Eph 3,5; 4,11), dann
der "Evangelisten, Hirten und Lehrer" (Eph 4,11) sowie der Episkopen und
Presbyter (1 Tim 3,2; 4,12-16; 5,17).
(3.8.6) In 1 Kor 14,23-25 setzt
Paulus voraus, dass die gemeindliche Versammlung für "Unkundige oder
Ungläubige" offen ist. Die Didache am Anfang des 2. Jh. bietet eine
eindeutige Regelung: "Niemand [...] soll von eurer Eucharistie essen noch
trinken als die auf den Namen des Herrn Getauften!" (9,5; vgl. Justin, 1
Apol 66,1).
(3.9) Das Neue Testament lässt
eine Vielfalt von Formen erkennen, das rituelle Mahl im Gedenken an den
auferstandenen und in der Gemeinde gegenwärtigen Christus zu feiern. Diese
Vielfalt erklärt sich aus den sozialen und kulturellen Kontexten, die divers
waren. Sie erklärt sich auch aus unterschiedlichen Akzentsetzungen. Solche
Vielfalt steht nicht im Gegensatz zu Zeugnissen des Neuen Testaments, die auf
die Einheit des Abendmahls/der Eucharistie verweisen, die sich aus ihrer
Begründung in Christus ergibt: "Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib,
denn wir alle haben teil an dem einem Brot" (1 Kor 10,17).
(3.9.1) Paulus gibt zwar noch
keinen festen zeitlichen Rhythmus der Gemeindemähler zu erkennen (1 Kor 11,26:
"sooft ihr von diesem Brot esst ..."). Aber "der erste Tag der Woche"
(vgl. 1 Kor 16,2) etablierte sich schon früh als der Tag, an dem das
Gemeindemahl gehalten
14
wurde — zunächst als Mahl am
Vorabend nach dem Ende des Sabbats, dann am Abend des "Sonntags" (Apg
20,7-12; vgl. vgl. Lk 24,29; Joh 20,19.26). Seine Bezeichnung als
"Herrentag" (Offb 1,10; Did 14,1; Ign., Magn 9,1; EvPetr 9 [35].12[50])
deutet darauf hin, dass er später mit der Erinnerung an die Auferstehung Jesu
"am dritten Tag" angereichert wurde. So gedenkt die Sonntagsfeier
insbesondere der Auferstehung Jesu (Barn 15,9: "deshalb begehen wir den achten
Tag [uns] zur Freude"; Tert., Apol. 16,11: "den Sonntag überlassen wir der
Fröhlichkeit").
(3.9.2) Obwohl ein christliches
(quartodezimanisches) Ostern im Anschluss an das jüdische Pascha erst durch
Meliton von Sardes (gest. um 180 n.Chr.) bezeugt ist, wird davon auszugehen
sein, dass die Juden, die an den Messias Jesus glaubten, das Fest weiter begingen
und es mit dem Gedenken an den Tod Jesu vor dem Pascha-Fest füllten. Diese für
die frühe Geschichte des Christentums wichtige Tradition bringt das
Pascha-Gedenken als Grundlage allen liturgischen Handelns der Kirche in
Erinnerung.
(3.9.3) Im Neuen Testament stehen
Zeugnisse für österliche Mähler des Auferstandenen mit den Seinen (Lk 24; Apg
1,4; 10,41; Joh 20; 21) neben solchen, in denen im Zusammenhang mit seinem
letzten Mahl das künftige Gedenken seines Todes und die Erwartung seines
endzeitlichen Kommens artikuliert werden (Mk 14,25; Mt 26,29; 1 Kor 11,26).
Damit werden unterschiedliche Formen der Mahlfeier erkennbar.
Wie das lukanische Mahlverständnis
sind auch die Eucharistiegebete der Didache (9f.) vom Gedanken der
Lebensvermittlung geprägt (vgl. auch Joh 6,35). Diese formulieren kein
Passionsgedenken. Gleiches gilt von den Johannesakten und anderen Apostelakten
des 2. Jh. (vgl. 4.5).
Das Passionsgedenken wird seinen
ursprünglichen "Sitz im Leben" in den frühchristlichen Paschafeiern gehabt
haben (Mk 14,22-25 par.). Die schon bei Paulus bezeugte Herrenmahlfeier
zeichnet sich durch eine Reihe von Merkmalen aus. Dazu gehören der explizite
Verweis auf das Todesgeschick Jesu bzw. seine Auferweckung von den Toten, die
Deutung von Tod und Auferweckung Jesu als eines heilvollen, die Identität der
feiernden Gemeinschaft bestimmenden Ereigniszusammenhangs, der Gebrauch von
Brot und Wein als zeichenhaften Elementen, durch die das Todesgeschick Jesu
vergegenwärtigt wird, der Auftrag, solche Mahlfeiern regelmäßig fortzusetzen,
und der Ausblick auf die endzeitlich erneuerte Gemeinschaft mit dem
auferstanden Christus.
15
(3.9.4) Es ist davon auszugehen,
dass die Taufe von Konvertiten in deren Aufnahme in die ekklesiale
Mahlgemeinschaft gipfelte. Obwohl es im Neuen Testament eine Reihe von Indizien
gibt, die auf den inneren Konnex von Taufe und Mahl hinweisen (vgl. etwa Apg
10,47-11,3; 16,14f.33f.; 1 Kor 10,1-4; 12,13; Hebr 6,4f.), dauerte es noch, bis
es zur Ausbildung eigener Taufeucharistien kam (vgl. Justin 1 Apol 65; ThomAct
etc.).
(3.10) Die neutestamentlichen
Texte lassen eine Dynamik der frühchristlichen Gottesdienstentwicklung
erkennen. Auch wenn die Quellenlage fragmentarisch ist, verweisen diese Texte
zu Entstehung und Deutung des christlichen Abendmahls/der Eucharistie allesamt
auf das eine Christusgeschehen, aus dem sich das Leben der Kirche herleitet.
Die schon im Neuen Testament sich abzeichnende Pluralität von liturgischen
Feiergestalten und ihrer theologischen Deutungen ist wesentlicher Bestandteil ihres
Zeugnisses. Gerade in dem so eröffneten Spielraum zeigen sich die theologischen
Konturen des Christuszeugnisses, dem die Kirche verpflichtet ist. Dieses eine
Christuszeugnis in pluraler Gestalt ist für die neutestamentlichen Texte das
Kriterium für eine angemessene Entwicklung der Gottesdienstformen wie auch der
Gestaltung des christlichen Abendmahls/der Eucharistie.
(3.10.1) Eine der theologischen
Grundfragen lautet: Was unterscheidet das rituelle Mahl vom gewöhnlichen
Sättigungsmahl? Paulus unterscheidet beides grundsätzlich (vgl. 1 Kor
11,22.27-29), wobei er den Unterschied nach 1 Kor 10,16 ("der Becher des
Segens, den wir segnen") an den Segens- und Dankgebeten festmacht, die
über Brot und Wein gesprochen werden. Im ältesten uns überlieferten eucharistischen
Nachtisch-Gebet, Did 10,1-4, heißt es: "Wir danken dir, heiliger Vater, für
deinen heiligen Namen, den du in unseren Herzen hast Wohnung nehmen lassen
[...]. Du, Herrscher, Allmächtiger, hast alles geschaffen um deines Namens
willen, Speise und Trank den Menschen zum Genuss gegeben; uns aber hast du
geistliche Speise und Trank geschenkt und ewiges Leben durch Jesus, deinen
Knecht [...]". Die Danksagung fasst beides in den Blick: (a) das
vorangegangene Sättigungsmahl mit den Gaben des Schöpfers, den zu preisen die
Gemeinde allen Grund hat, (b) die eucharistische Speise und den eucharistischen
Trank, die sich vom Sättigungsmahl dadurch unterscheiden, dass sie als
pneumatisch, geisthaltig und "durch Jesus" vermittelt gedacht werden.
Dieselbe Terminologie begegnet schon bei Paulus (1 Kor 10,3f.: "geistliche
Speise" — "geistlicher Trank"), was ihr Alter belegt. Paulus könnte
sie aus zeitgenössischen Dankgebeten geschöpft haben. Es zeichnet sich ein
Modell der Vermittlung von geistlichen Gütern (Pneuma; "ewiges Leben")
durch materielle
16
Gaben (Brot und Wein) als deren
Träger ab, woran spätere Rede von der "Sakramentalität" anknüpfen kann.
(3.10.2) Die Rede von der
"geistlichen Speise" und dem "geistlichen Trank" (Did 10,3; 1 Kor
10,3f.) verbindet die Mahlthematik aufs Engste mit der Taufe (vgl. oben 3.9.4).
"[...] alle zogen durch das Meer und alle wurden auf Mose getauft in der Wolke
und im Meer. Alle aßen auch die gleiche geistliche Speise und alle tranken den
gleichen geistlichen Trank; denn sie tranken aus dem geistlichen Felsen, der
mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus" (1 Kor 10,1-4) Es ist die
Taufe mit heiligem Geist, welche in die Mahlgemeinschaft mit Christus
hineinführt (vgl. auch Apg 2,46 im Anschluss an das Pfingstfest).
(3.10.3) Die konstitutive
Bedeutung der Segens- und Dankesgebete über die Mahlgaben für die Feier
insgesamt erschließt sich auch daraus, dass sich an sie die frühchristliche
Deutung der Eucharistie mittels der schon im Frühjudentum spiritualisierten
Kategorie des Opfers anschließt (vgl. Did 14,1; außerdem V.2f. unter Rezeption
von Mal 1,11.14; vgl. auch Ps 141). Die Dankgebete der Eucharistie sind "das
Opfer des Lobes", welches die Gemeinde darbringt (Hebr 13,15).
(3.10.4) Fundamental für das
"sakramentale" Mahl ist sein Jesus-Bezug (vgl. Did 9,2.3; 10,2.3 "durch
Jesus, deinen Knecht"). Deutlich wird dies in der geschichtlichen
Verankerung des rituellen Mahls im Stiftungswillen Jesu. Paulus situiert in 1
Kor 11,23f. die Erzählung "in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde",
was sie von einem zeitlosen Gründungsmythos unterscheidet. Die Weisung: "Dies
tut zu meinem Gedächtnis!" (1 Kor 11,24f.; Lk 22,19) schreibt der Feier
die Erinnerung an Jesus ein. Erinnerung ist — biblisch betrachtet — immer
Vergegenwärtigung des Erinnerten, hier des Heilstodes Jesu. Beachtlich ist
auch, dass den Evangelien zufolge das "Zusammen-Essen" von Juden und
Heiden in frühchristlichen Mahlgemeinschaften (vgl. Gal 2,12) mit Jesu Praxis
begründet werden kann, mit "Zöllnern und Sündern" "zusammen zu essen"
(Lk 15,2; Apg 10,47f.; vgl. Mk 2,15-17). Die Erinnerung an Jesus besitzt
identitätsstiftende Kraft.
(3.10.5) Das rituelle Mahl umfasst
alle Zeitdimensionen. Im Vollzug des "Gedächtnisses" weiß sich die
Gemeinde "am Tisch des Herrn" (1 Kor 10,21; vgl. die Rede vom
"Herrenmahl" 11,20, auch 11,27) von seiner Gegenwart bestimmt. Zugleich
erwartet sie sein Kommen (1 Kor 11,26; vgl. Mk 14,25; Mt 26,29; Lk 22,16.18).
Die Vergangenheit wird in die Gegenwart geholt, die
17
ihrerseits in das Licht
zukünftiger Vollendung getaucht ist. Schon der älteste christliche Gebetsruf,
"Maräna thä — Unser Herr, komm!" (1 Kor 16,22; Offb 22,20; Did 10,6),
belegt die Hoffnungsstruktur des Mahls. Wenn es "in Jubel" gefeiert wird
(Apg 2,46), ist dies Zeichen eines Bewusstseins zwischen den Zeiten.
(3.10.6) Die Gemeinschaft, die im
Mahl zum Ausdruck gelangt, hat nach Paulus zwei Seiten, die unlösbar
zusammengehören: die communio mit dem Herrn und die communio untereinander.
"Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe
(Koivwvia/communicatio bzw. participatio) am Blut Christi? Ist das Brot, das
wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir
viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot" (1 Kor
10,16f.). In der Teilhabe an Christus, der für uns sein Blut und seinen Leib
hingegeben hat, gründet die Einheit der Gemeinde; in der Teilhabe an dem einen
Brot verwirklicht sich das Ein-Leib-Sein der Vielen (vgl. auch Gal 3,28; Did
9,4).
(3.10.7) Die communio mit dem Herrn
kann unterschiedlich gedeutet und akzentuiert werden. In den Texten, die der
Erinnerung an Jesu letztes Mahl dienen, sammeln sich zentrale christologische
und soteriologische Vorstellungen wie in einem Brennglas: Wir hören von Jesu
heilvollem Sterben "für euch" (1 Kor 11,24; Lk 22,19.20), "für die
Vielen" (Mk 14,24; vgl. Mk 10,45) bzw. "für das Leben der Welt" (Joh
6,51), also von seinem stellvertretenden, den Menschen zugute gestorbenen Tod
(2 Kor 5,14f.). Von seinem "vergossenen Blut zur Vergebung der Sünden" (Mt
26,26), also von seinem sündenvergebenden Lebensopfer. Von seinem Tod als dem
Ort neuer Bundessetzung (Mk 14,24 par. Mt 26,28; 1 Kor 11,25 par. Lk 22,20).
Die Erzählungen von den österlichen Mahlgemeinschaften stellen naturgemäß die
Gemeinschaft mit dem auferstandenen Jesus in den Mittelpunkt (Lk 24, Joh 21;
Apg 10,41). Das eucharistische Gebet Did 10,1-5 dankt für die Heilsgüter
"Erkenntnis, Glaube und Unsterblichkeit", und auch schon nach Joh 6
vermittelt die eucharistische Speise "ewiges Leben" und die "Auferstehung
am letzten Tag" (V.53f.).
(3.10.8) Nach 1 Kor 10,16f. ist es
die Teilhabe am Mahl — am "Becher des Segens" und dem "einen Brot" —,
welche die communio der Mahlteilnehmer mit dem Herrn vermittelt und zugleich
die communio untereinander grundlegt. Die wohl am meisten diskutierte
kontroverstheologische Frage, welche die Christen bis in die jüngere Zeit hin
zerstritten hat, lautet: Von welcher Qualität sind die eucharistischen Gaben
von Brot und Wein, dass sie die communio mit dem Herrn vermitteln? Dass sie von
gewöhnlicher Speise und gewöhnlichem
18
Trank zu unterscheiden sind, zeigt
ihre traditionelle Bezeichnung als "geistliche Speise" und "geistlicher
Trank". Die Diskussion entzündet sich an den Gabeworten Jesu, welche die
Mahlerzählungen in stilisierter Form darbieten, konkret am Gehalt des
griechischen estin im paulinisch-markinischen Brotwort: "dies [Brot] ist mein
Leib" (Mk 14,22 par. 1 Kor 11,24), und im markinischen Becherwort: "dieser
[Becher] ist mein Bundesblut [...]" (Mk 14,24). So wenig sich die Rede vom
"Blut" Jesu von seinem Tod ablösen lässt, in dem der neue Bund gründet,
der durch den gereichten Becher symbolisiert wird, so wenig ist das beim
Stichwort "Leib" möglich. Das Brotwort könnte zwar wiedergegeben werden
mit: "Dieses [sc. das gebrochene Brot] bin ich selbst". Aber
wahrscheinlich klingt beim Stichwort "Leib" gleichfalls der Gedanke der
sich im Tod vollziehenden leibhaftigen Selbsthingabe Jesu mit (vgl. Röm 7,4).
Das Brotwort stellt ein Versprechen (promissio) dar: Jesus sagt den Seinen zu,
bei ihrem gemeinsamen Essen nach seinem Tod in seinem Für-uns-Sein gegenwärtig
zu sein und sich uns zu schenken. Die Denkform ist die der repraesentatio. Brot
und Wein im Mahl repräsentieren Jesus Christus. Der Geber ist in seiner Gabe
personal präsent. So ist das Mahl mit seinen Gaben vergegenwärtigendes Zeichen
und Unterpfand der Anwesenheit und Nähe Jesu Christi, der sich in diesem Mahl
uns mitteilt.
Wenn das vierte Evangelium im
Brotwort das Stichwort "Leib" gegen das vom "Fleisch" austauscht und
ihm darin vor allem das Corpus Ignatianum (Phild 4; Sm 7,1) und Justin (1Apol
66) folgen, wird damit nicht eine materiell-substanzhafte Identifizierung von
Fleisch und Blut Christi mit den Elementen forciert, sondern die Materialität
der Gaben als Hinweis auf die reale Menschwerdung des Logos verstanden.
(3.10.9) Unablösbar von der
communio mit dem Herrn als Grundbestimmung des Mahls ist die sich in ihm
zugleich abbildende communio der Mahlteilnehmer untereinander. Mit ihr kommt
die soziale Dimension der Mahlpraxis zur Sprache, damit zugleich ihre ethische
Seite. Die Mahlteilnehmer sind auf das Liebesgebot verpflichtet, das die
Integration von am Rand Stehenden und Sündern einschließt (vgl. Mk 2,15-17; Mt
9,9-13; Joh 13; Apg 2,42 u.ö.). Es ist daher charakteristisch und bezeichnend
für das Herrenmahl, dass man sich zu Beginn gegenseitig die Sünden bekennt. In
Berufung auf Mt 6,23f fordert die Didache (14,1-3) eine dem Mahl vorangehende
Versöhnung untereinander. Wenn Paulus die Korinther angesichts der bei ihrem
Gemeindemahl zu Tage tretenden "Spaltungen" zwischen Wohlhabenden und
Armen (1 Kor 11,18) an den Lebenseinsatz Jesu "für euch" erinnert (1 Kor
11,24), stellt er damit klar, dass die Leben spendende communio des Herrn mit ihnen,
wie sie in der Mahlfeier
19
vergegenwärtigt wird, den
entscheidenden Maßstab für ihre communio untereinander darstellt. Beim
Gemeindemahl nur auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein und am Tisch "die
Habenichtse zu verachten" (1 Kor 11,22) heißt, das "Herrenmahl" zu
verraten. Der würdige oder unwürdige Vollzug des Mahls (1 Kor 11,27-29)
entscheidet sich am Umgang mit dem Nächsten.
"Seht, wie sie einander
lieben", sagen laut Tertullian Außenstehende über die Christen
(Apologeticum 39,7). Die bei den Gemeindemählern praktizierte geschwisterliche
Liebe wurde zum (propagierten) Markenzeichen der Gemeinden. In der Einsicht,
dass die Feier von Abendmahl/Eucharistie Quelle sozialen Handelns ist, liegt
ihre Zukunft beschlossen.
(3.11) Aus der Vielfalt der
Bezeugungen von Mahlfeiern im Neuen Testament, die für die Feier des
Abendmahls/der Eucharistie der Kirche Jesu Christi das biblische Fundament
bilden, lassen sich folgende Perspektiven auf die Gemeinschaft aller Getauften
am Tisch des Herrn gewinnen:
(3.11.1) Die Gemeinschaft mit
Jesus Christus, dem am Kreuz gestorbenen und von den Toten auferweckten Herrn
der Kirche, verbindet nach dem Zeugnis des Neuen Testaments alle Mahlteilnehmer
untereinander und steht allen Abgrenzungen zwischen ihnen in der Feier des
Mahls entgegen.
(3.11.2) Nach neutestamentlichem
Zeugnis schenkt sich Jesus selbst in Brot und Wein seinen Jüngern. Kein Tun und
Lassen der Kirche, keine liturgischen Formen und institutionellen Regeln, keine
Unterschiede in Herkommen und Tradition können und dürfen diesem Geschenk im
Wege stehen.
(3.11.3) Die neutestamentlichen
Texte eröffnen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten des Abendmahls/der
Eucharistie. Auch in der Frage des Mahlvorsitzes lässt sich keine Regelung
unmittelbar aus den Texten des Neuen Testaments ableiten. Als konstitutive
Bestandteile des Abendmahls/der Eucharistie lassen sich die Verkündigung des
Wortes Gottes, die Gemeinschaft aller an Jesus Christus Glaubenden, Gebet und
Gesang, Segen und Dank aus der neu-testamentlichen Überlieferung begründen.
Nach neutestamentlichem Zeugnis lebt die Gemeinde in allen diesen Vollzügen aus
dem Gegenüber zu ihrem Herrn Jesus Christus.
(3.11.4) Die Feier des
Abendmahls/der Eucharistie ist nach dem Zeugnis des Neuen Testaments kein
isolierter Akt der christlichen Gemeinde, der ohne inneren Zusammenhang mit
20
ihren anderen Lebensvollzügen wie
der Taufe, der Diakonie und der Mission, an denen sich die eine Kirche Jesu
Christi auf Erden erkennen lassen soll, zu betrachten wäre. Vor diesem
Hintergrund versteht sich die in altkirchlicher Zeit betonte enge Verbindung
von Taufe und Eucharistiegemeinschaft sowie die Betonung der diakonischen
Dimenion der Liturgie.
21
4. Historische gewachsene Vielfalt
der Feiergestalten
Gestalt und Gehalt der Feier von
Abendmahl/Eucharistie stehen in einem engen Zusammenhang. Bei aller
Variabilität in der Form lassen sich auch kontinuierlich durchgehaltene Aspekte
bestimmen.
(4.1) Die liturgiehistorische
Forschung des 19. Jahrhunderts ist von einer ursprünglichen Einheit der
liturgischen Formen in apostolischer Zeit ausgegangen. Diese habe sich erst im
Laufe der Zeit in unterschiedliche Traditionen verzweigt, die sich nach der
Konstantinischen Wende in die Liturgiefamilien des Ostens und Westens
kanalisiert hätten. Diese These wurde im 20. Jahrhundert in Frage gestellt:
Statt von ursprünglicher Einheit sei von ursprünglicher Vielfalt auszugehen,
die sich aufgrund der Einflüsse der städtischen Zentren im Laufe des vierten
und fünften Jahrhunderts auf die überschaubare Zahl von liturgischen Traditionen
innerhalb der fünf Patriarchate verringert habe. Die Vereinheitlichung stand im
Zusammenhang mit der Dogmenentwicklung. Diese These hat bis heute Bestand, ist
allerdings aufgrund des erweiterten Quellenbefunds und zahlreicher neuerer
Studien zu modifizieren, etwa in Bezug auf die zentralen Feste im Kirchenjahr.
(4.2) Der Entwurf einer
Einheitsliturgie entspricht einem Denken, das eine bestimmte Tradition, nämlich
die eigene, als die höchste und einzig wahre kirchliche Ausprägung des
christlichen Glaubens ansieht. Solche Sichtweisen hat es sowohl im römischen
Katholizismus als auch im Protestantismus gegeben, und es gibt sie mitunter
noch heute. Dies ist allerdings sachlich nicht zu begründen. Schon die
Wahrnehmung unterschiedlicher und in Teilen widersprüchlicher Traditionen im
Neuen Testament lässt die Annahme der Einheitlichkeit als unzutreffend
erscheinen. Was die Abendmahlstraditionen betrifft, so kann man die Differenzen
zwischen Paulus, den synoptischen Evangelien und dem Johannesevangelium nicht
harmonisieren.
(4.3) Die neutestamentlichen
Schriften lassen ein vollständiges Bild der Mahlfeiern der ersten Christen
nicht erkennen; nimmt man die frühchristlichen Schriften außerhalb des Neuen
Testaments hinzu, so zeigt sich eine bunte Vielfalt von Mahltraditionen, die
teilweise erheblich von dem relativen Konsens, wie er sich im vierten und
fünften Jahrhundert herausbildete, abweichen. Offensichtlich bedient man sich
unterschiedlicher Riten und Gebräuche frühjüdischer und hellenistisch-römischer
Provenienz. Dabei ist auch die Vorstellung von einer Kontinuität
eucharistischen Betens von apostolischer Zeit bis zur Fixierung der Traditionen
nicht
22
aufrechtzuerhalten. Allerdings ist
davon auszugehen, dass sich die Grundgestalt der Eucharis-tiegebete mit den
drei Vollzügen Danksagung, Anamnese und Epiklese nicht vor dem vierten
Jahrhundert nachweisen lässt. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass der
Kronzeuge für diese komplexe Gebetsstruktur, die sogenannte Traditio
apostolica, heute nicht mehr mit derselben Gewissheit wie in der älteren
Forschung in das dritte Jahrhundert datiert werden kann, sondern selbst als
Zeugnis einer vielfältigen heterogenen Entwicklung gesehen werden muss.
(4.4) Die Gestalten der Gebete und
Riten und der Feier insgesamt in den ersten Jahrhunderten sind pluriform. Dies
hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. In erster Linie sind soziale
Ursachen zu nennen, die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe einzelner
Bevölkerungsgruppen und ihre konkreten Lebensumstände. Dazu haben soziale,
kulturelle und religiöse Faktoren sowie die konkreten Lebensumstände der
christlichen Gemeinden beigetragen. Bereits der 1. Korintherbrief reagiert auf
soziale Probleme, die beim gemeinsamen Mahl, das zu einer sättigenden Mahlzeit
gehörte, zutage traten; diese waren überhaupt erst der Anlass für Paulus,
Auskunft über liturgische Bräuche in der korinthischen Gemeinde zu geben. Waren
zunächst Symposien nach hellenistisch-römischen Vorbildern und jüdische
Gemeinschaftsformen prägend für die Mahlfeiern der frühen Christen, so führte
das Wachstum der Gemeinden und ihre Ausdehnung auf unterschiedliche
Bevölkerungsschichten und Regionen auch zu eigenständigen Weiterentwicklungen.
Für die Ausgestaltung der unterschiedlichen Traditionen war von Belang, ob und
in welcher Gestalt Formen jüdischen Gemeinschaftslebens auch in
heidenchristlichen Kontexten fortgesetzt wurden und welche Auswirkungen die
einsetzende Trennung der christlichen Gruppen von den Synagogengemeinschaften
hatte.
(4.5) Außerhalb des Einflussbereichs
des von der hellenistischen Kultur geprägten Imperium Romanum konnten sich
eigenständige Traditionen entwickeln, wie sie etwa in den apokryphen
Thomasakten erkennbar sind. Die hier geschilderten eucharistischen Mähler
unterscheiden sich gravierend von dem, was man vor allem mit Blick auf die
Erste Apologie Justins lange Zeit als normativ angesehen hatte. Vor diesem
Hintergrund wird diese Quelle, die man gerne als erste Bezeugung der aus Wort-
und Eucharistiefeier zusammengesetzten Messe angesehen hat, neu interpretiert.
Die erwähnten Eucharistiefeiern der apokryphen Apostelgeschichten kennen als
zentrales Gebetselement meist litaneiartige Epiklesen, in denen um das Kommen
Christi bzw. des Geistes gebeten wird. Hier wie auch in der Didache ist ein
expliziter Bezug auf das Pascha-Mysterium nicht gegeben. Diese archaische Form
der Herbeirufungen und der
23
Bitten um das Kommen und Wohnen
des Göttlichen verdichtet sich in der ostkirchlichen Tradition, wie sie etwa in
der Anaphora der Apostel Addai und Mari bis heute existiert. Diese inzwischen
von der römisch-katholischen Kirche anerkannte Tradition eucharistischen Betens
kennt keine Verba Testamenti, sondern lediglich einen indirekten Bezug auf die
Einsetzung durch Jesus Christus.
(4.6) Die Wahrnehmung der
liturgiehistorisch zu ermittelnden Vielfalt hat die römisch-katholische Kirche
in jüngerer Zeit dazu veranlasst, eine dogmatische Vorgabe zu relativieren, die
seit dem Konzil von Florenz galt: die Notwendigkeit der expliziten Rezitation
der biblisch überlieferten Worte Jesu Christi bei der Einsetzung der Mahlfeier
zu seinem Gedächtnis. Diese Revision könnte ein Anstoß sein, wieder zu der
Gelassenheit zurück zu finden, die Augustinus bezeugt. So konnte er in einem
Brief an einen Bischof Januarius von der legitimen Vielfalt der variatio per
loca sprechen, die zu respektieren sei. Die von ihm geforderten konstitutiven
Elemente, die unbedingt zu beachten seien, sind erstaunlich wenige. Auch ist zu
bedenken, dass die römische Kirche bei Unionsverhandlungen mit orientalischen
Kirchen ein weites Entgegenkommen gezeigt hat, zum Beispiel das Zugeständnis
des verheirateten Priestertums oder der Verwendung gesäuerten Brotes. Noch am
Vorabend der Reformation berichteten italienische Humanisten voller Begeisterung
von den unterschiedlichen Riten in der Jerusalemer Grabeskirche (Libellus ad
Leonem X). Freilich stand die Frage der Leitung als solche nach der
Konstan-tinischen Wende und der Verfestigung und Professionalisierung der
Ämterstrukturen nie mehr ernsthaft zur Debatte. Um das spannungsvolle
Verhältnis zwischen dem allgemei-nen/gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen
und dem besonderen Dienstamt recht zu verstehen und darzustellen, bedarf es
einer Rückbesinnung auf die frühchristlichen Traditionen, ohne spätere
amtstheologische Positionen in die ersten Jahrhunderte zurück zu projizieren.
In der Spätantike kam es zu einer Sazerdotalisierung des Amtes der Bischöfe und
Presbyter. Damit war eine Neudeutung der priesterlichen Tätigkeit als
Darbringung eines Messopfers verbunden, die das antike Verständnis des aus der
Taufe erwachsenen Priestertums aller im Sinne eines geistlichen Dienstes in der
Nachfolge Jesu Christi weitgehend in Vergessenheit hat geraten lassen.
(4.7) Auch nach der
Konfessionsbildung blieb ein Spektrum unterschiedlicher Feiergestalten
innerhalb der römisch-katholischen Kirche erhalten. Wie die orientalischen
Riten war auch der Ritus im Westen nie einheitlich. Neben dem römischen Ritus
blieben der mailändische und
24
Reste des mozarabischen Ritus erhalten,
und auch innerhalb des römischen Ritus hielten sich zahlreiche Dialekte alter
Diözesanriten bis ins 19. Jahrhundert hinein. Einige Ordensriten blieben auch
nach den Einheitsbestrebungen des 19. Jahrhunderts bestehen. Demgegenüber war
die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Normierung, die
freilich für die landessprachliche Adaption Spielräume ließ.
(4.8) Sieht man vor dem
Hintergrund der geschichtlichen Vielfalt auf die unterschiedlichen
Abendmahls-/Eucharistietraditionen der westlichen Ökumene, so wird man sich von
der Vorstellung verabschieden müssen, die Fülle dessen, was durch Jesu Christi
Stiftung grundgelegt ist, sei in einer einzigen Ausprägung zu feiern. Das
bedeutet aber, dass man in anderen Traditionen Bestandteile erkennen und
anerkennen kann, die in der eigenen Tradition nicht enthalten sind. In Bezug
auf die Ostkirchen ist die Komplementarität der liturgischen Feiern anerkannt.
In Bezug auf die Tendenzen zu normativer Vereinheitlichung ist festzustellen,
dass Festlegungen und Verengungen stets Gegenreaktionen auf den Plan gerufen
haben. Die Geschichte der abendländischen Liturgie ist eine Geschichte von
Liturgiereformen, die von der Spannung zwischen Vielgestaltigkeit und
Vereinheitlichung geprägt sind.
Das liturgische Leben einer
mittelalterlichen Stadt hat man sich äußerst bunt vorzustellen. Neben der
offiziellen, in ihrem Kern weitgehend verfestigten eucharistischen Liturgie
bildeten sich vielfältige Ausdrucksformen gemeinschaftlicher und individueller
Spiritualität heraus, die eine Vielfalt widerspiegeln, trotz relativer
Einheitlichkeit in den Kernbereichen. Die problematische Entwicklung der
Eucharistiefeier zu einer Privatveranstaltung des Priesters und der daraus
resultierenden Trennung von Messopfer und Sakrament der Kommunion provozierte
eine Vielfalt von Formen eucharistischer Frömmigkeit, die trotz mancher
problematischer Züge dennoch Ausdruck gelebter Spiritualität waren und sind.
Neben den vielfältigen Formen der Anbetungsfrömmigkeit sind die selbstständigen
Feiern der Gläubigenkommunion zu nennen, die zum Anknüpfungspunkt für die
Abendmahlsliturgie im oberdeutschen Gebiet und der heutigen Schweiz wurden,
während der Hauptstrom der lutherischen Liturgien sich an der Grundform der
Messe ausrichtete. Durch die Anpassung sowie später durch die Streichung der
Kanongebete erfolgte eine wesentliche Konzentration auf Einsetzungsworte und
Austeilung von Brot und Wein. Die ausführlichen, in lutherischen wie
reformierten Feiern verankerten Abendmahlsvermahnungen boten unterschiedlich
nuancierte Abendmahlsdeutungen, prägten die Feier dann gleichwohl stark durch
die enge Verknüpfung von Sündenbekenntnis und Karfreitagstheologie. Die
gegenwärtigen evangelischen Liturgien zeigen eine Vielfalt von
25
Gestaltungselementen beim Abendmahl,
die aber erkennbar rückgebunden bleibt an die beiden Grundformen der Messe und
des Predigtgottesdienstes (mit Kommunionfeier) und gleichzeitig — nicht zuletzt
in der Wiedergewinnung der Abendmahlsgebete — eine starke ökumenische
Konvergenz aufweisen.
(4.9) Schon die Liturgiereformen
der Reformationszeit in ihren unterschiedlichen konfessionellen Ausprägungen
stehen in einer Tradition vielfältiger Feierformen — einer Vielfalt, die bis in
die apostolische Zeit zurückreicht. Wenn man sich von einem Einheitsideal im
Sinne von Einheitlichkeit verabschiedet, die immer ein Wunschbild war, kann man
der Unterschiedlichkeit und gelegentlich auch Gegensätzlichkeit der
verschiedenen Traditionen und Konventionen Positives abgewinnen. Die Vielfalt
ist dann nicht mehr Bedrohung, sondern kann als Reichtum erfahren werden,
vorausgesetzt, dass man auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses des
theologischen Sinngehalts des von Jesus gestifteten Abendmahls die Anders-heit
des anderen akzeptiert und die eigene Tradition nicht absolut setzt. So wie die
geschichtlich gewordene Zweiteilung der Christenheit in ein östliches und ein
westliches Christentum inzwischen als zur Grundgestalt der gegenwärtigen Kirche
gehörend angesehen wird, die gleichsam mit zwei Lungenflügeln atmet, so
geschieht dies zunehmend auch in Bezug auf die unterschiedlichen Traditionen
innerhalb der westlichen Christenheit. Lässt man die klassischen Vorurteile
gegenüber der je anderen Konfession einmal beiseite, wird man die Qualitäten
des jeweiligen Zeugnisses erkennen und anerkennen, ohne sich dies aneignen und
die eigene Identität aufgeben zu müssen. Eine solche Haltung wird freilich
nicht ohne Auswirkungen auf das Selbstverständnis und die eigene liturgische
Praxis bleiben.
26
5. Ökumenische Einsichten zur
Theologie von Abendmahl/Eucharistie 5.1 Entscheidungen und Scheidungen im 16.
Jahrhundert
(5.1.1) Schon im frühen
Mittelalter waren sich Theologen unsicher, wie sie die von Augustinus vor dem
Hintergrund eines platonischen Urbild-Abbild-Schemas nahegelegte Deutung des
Herrenmahls als eines vorwiegend symbolischen Geschehens mit der starken
Betonung der Realität der Präsenz Christi im eucharistischen Geschehen bei
Gregor dem Großen verbinden sollten. Eine neue Note bekamen die Auseinandersetzungen,
als mit Berengar von Tours im 11. Jahrhundert ein Theologe auftrat, der das
Geschehen im Abendmahl mit aristotelischer Begrifflichkeit zu klären suchte und
es für philosophisch undenkbar hielt, dass eine Wandlung der Substanz der
Elemente die Präsenz Christi in den Elementen bewirke. Die Reformpäpste
verpflichteten ihn, in einer Erklärung die reale Präsenz Christi in den
Elementen anzuerkennen. In dieser ersten von Berengar unterzeichneten Erklärung
von 1059 wurde dem Symbolismus eine problematische Formulierung des Realismus
entgegengestellt. Zufriedenstellend war das nicht, und auch Berengar zeigte
kein theologisch begründetes Einsehen. Später — im Jahr 1079 — legte er erneut
ein Glaubensbekenntnis ab, denn als Ergebnis der Auseinandersetzung kam es zu
einer — später von Luther ausdrücklich gutgeheißenen — sprachlichen Fassung,
welche die Möglichkeit bot, die reale leibliche Präsenz Christi in den
Elementen anzuerkennen. Indem diese zweite Erklärung von einer
Substanzverwandlung (noch nicht Transsubstantiation) spricht, überwindet sie
die Aporien des Gegensatzes von Symbolismus und Realismus. Mit der Veränderung
der philosophischen Denkformen und Begriffe wurde die sakra-mententheologische
Reflexion auf eine neue Ebene gestellt.
(5.1.2) Da der Streit an der
aristotelischen Philosophie angesetzt hatte, führte er indirekt zu deren
Aufnahme in die offizielle kirchliche Lehrbildung. So benutzte das IV.
Laterankonzil 1215 zur Beschreibung der Gegenwart unter den Elementen das Verb
transsubstantiare. Daraufhin hat insbesondere Thomas von Aquin eine umfassenden
Lehre von der Transsubstantiation entwickelt, die er ausdrücklich als komplexe
Umschreibung eines letztlich übernatürlichen Vorgangs betrachtete: Christus ist
nicht abgrenzbar und nicht räumlich unter den eucharistischen Elementen,
sondern auf eine sakramentale Weise gegenwärtig, deren Sinn in ihrer Wirkung
liegt, den Menschen zu einem Leben aus Gnade zu bewegen (STh III q. 79 a. 1).
Die Gegenwart Christi ereignet sich dadurch, dass das Sakrament eine Repräsentation
des Gesche-
27
hens am Kreuz ist (ST III q. 73 a.
5 resp.), also weder identisch mit diesem noch eine Wiederholung, sondern eine
Vergegenwärtigung, in welcher nach mittelalterlichem Verständnis der Priester
eine zentrale Rolle spielt. In dieser Vergegenwärtigung kulminiert die doppelte
Bewegung in der Sinnorientierung des Kreuzesgeschehens, in welchem Gott sich
den Menschen schenkt und zugleich das einmalige Opfer am Kreuz vollzogen wird.
Um eine aristotelische Überformung der Theologie handelt es sich dabei nicht.
Aristotelisch ist nämlich undenkbar, dass Substanz und Akzidentien in der Weise
auseinandertreten, wie dies im Fall der Eucharistie geschehen soll. Deshalb
stießen sich bereits Zeitgenossen an der von Thomas von Aquin entwickelten Transsubstantiationslehre.
Namentlich der Dominikaner Dietrich von Freiberg und Heinrich von Gent sind
hier zu nennen. In der Folgezeit wurde die Diskussion nochmals komplexer.
Beispielsweise vermochte William von Ockham keine plausiblen Sachgründe für die
Transsubstantiationslehre zu finden, sah sich aber durch die kirchliche Lehre
dazu verpflichtet, sie zu vertreten.
(5.1.3) Die reformatorische Kritik
entzündete sich vor allem am Opferbegriff, besonders an seiner Verbindung mit
Messen, die ohne Beteiligung von Kommunizierenden allein durch den Priester
vollzogen wurden und sich mit der Hoffnung auf eine besondere Zuwendung Gottes
zu den Stiftern solcher Messen verbanden. Luther sah hierin eine Verkennung der
ausschließlich von Gott herkommenden Dynamik des Erlösungs- und
Rechtfertigungsgeschehens und entwickelte im Gegenzug eine Abendmahlstheologie,
in deren Mittelpunkt die ausschließliche Selbsthingabe Jesu Christi stand,
welche im Glauben der Kommunizierenden an ihr Ziel kommt. Bedeutung und Wirkung
der Abendmahlsfeier hängen dabei nach Wittenberger Lehre an der Verkündigung
der Einsetzungsworte. Die Mahlfeier obliegt hierzu ordnungsgemäß (rite vocatus)
beauftragten Amtsträgern (vgl. CA XIV [BSELK 109,11f]). Diese Auffassung haben
die in Augsburg mit der Prüfung beauftragten Confutatoren ausdrücklich bejaht,
allerdings hinzugefügt, eine solche Berufung müsse gemäß dem gültigen
kanonischen Recht vollzogen werden (Confutatio. Ed. Immenkötter 112,1f; 113,1).
Diese Forderung hat die Apologie der CA wiederum nicht schlankweg abgewiesen,
sondern eine grundsätzliche Bejahung der kirchenrechtlich verfassten politia
Ecclesiastica wiederholt und die Verantwortung für den Streit den Bischöfen
zugewiesen, welche die reformatorische Lehre nicht zuließen (BSELK 518-521). Dabei
hat sie sogar auch die Möglichkeit eröffnet, die Ordination mit striktem Bezug
auf die Evangeliums-verkündigung als Sakrament zu bezeichnen (BSELK 514f).
28
(5.1.4) Luther betonte zwar die
Vorrangigkeit der geistlichen Speisung im Abendmahl, hat die Realpräsenz "in,
mit und unter" (so zusammengefasst in FC.SD V [BSELK 1468,22]) den
Elementen aber immer verteidigt. Die Transsubstantiationslehre bestritt er vor
allem unter dem Gesichtspunkt, dass mit ihr aristotelische Vorannahmen in die
kirchliche Lehrbildung aufgenommen und als verbindlich angesehen worden seien.
Ihr Anliegen — die Bindung der Gegenwart Christi an die Elemente — hingegen
teilte er vollauf. Daher konnte man in CA X mit der Formulierung, Christus sei
"unter gestalt des brods und weins im Abentmal" gegenwärtig (BSELK 104,9),
sogar unmittelbar an die Formulierungen des IV. Lateranums anknüpfen, weswegen
die Confutatoren keine Schwierigkeit hatten, diese lutherische Lehre im
Grundsatz anzuerkennen; sie verlangten lediglich, dass die Reformatoren die
Konkomitanzlehre, nach welcher der ganze Christus auch in einem der Elemente
allein präsent sein könne, anerkennen. Der Sache nach war dies, wie die
Schmalkaldischen Artikel (SmArt III; BSELK 766,24-768,8) zeigen, auch durchaus
unproblematisch. Kritisiert wurde der Verzicht auf die Kelchkommunion
gleichwohl, weil er der Einsetzung des Abendmahls durch Jesus nicht entspreche.
(5.1.5) Bereits im 16. Jahrundert
gab es jedoch innerevangelische Kontroversen. Luther verteidigte die reale
Präsenz Jesu Christi im Abendmahl vehement gegen Andreas Karlstadt und Ulrich
Zwingli. Zwingli hatte ihm gegenüber die Dynamik des Abendmahlsgeschehens
geradezu umgekehrt; er betrachtete das Abendmahl als einen reinen Zeugnis- und
Bekenntnisakt der Glaubenden und legte die Gegenwart Christi in Brot und Wein
als pneumatisch gewirkte Erinnerung aus. Hierüber konnten beide im Marburger
Religionsgespräch keine Einigung erlangen. In der Wittenberger Konkordie von
1536 wurde dann die moderate Position des Straßburger Reformators Martin
Bucers, nach welcher Christus nicht durch räumliche, sondern "durch
Sacramentliche einigkeit" gegenwärtig sei, als legitime Auslegung der
Confessio Au-gustana anerkannt. Aber dadurch kam keine dauerhafte Einigung
zustande. Im Zuge der Reformation verbanden sich theologische Positionen mit
konfessionellen Standpunkten. Von reformierter und anglikanischer Seite wurden
prinzipielle Einwände gegen das altgläubige Eu-charistieverständnis geäußert.
Sowohl im Heidelberger Katechismus (Frage 78) als auch in den Neununddreißig
Religionsartikeln (Artikel 28) wird die Transsubstantiationslehre mit
deutlichen Worten abgelehnt.
(5.1.6) Johannes Calvin bemühte
sich ausdrücklich darum, die geschilderten Anliegen im Hinblick auf eine
innerreformatorische Verständigung in der Abendmahlslehre aufzugreifen und
29
weiterzuentwickeln. Für ihn war
das Abendmahl verständlich als äußerer Haftpunkt eines Geschehens zwischen der
Selbsthingabe Christi, der auf geistliche Weise real präsent ist, und der
gläubigen Erhebung zu Gott. Auseinandersetzungen im Zuge der sich etablierenden
Konfessionen verhinderten es aber, dass die Mehrheit des sich formierenden
Luthertums das gemeinsame Anliegen wahrzunehmen vermochte: Bis zur Leuenberger
Konkordie vom 16. März 1973 waren Lutheraner und Reformierte über die Frage der
Bindung der Gegenwart Christi an die Elemente getrennt. Dann aber konnten sie
sich auf einen in Christus als Gabe zentrierten Satz einigen: "Im Abendmahl
schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle da-hingegebenen
Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein" (Leuenberger
Konkordie, Nr. 18).
(5.1.7) Das Konzil von Trient
hielt an der Eucharistielehre, wie sie die mittelalterliche Theologie
formuliert hatte, grundsätzlich fest. Das Eucharistiedekret (vgl. Decretum de
sanctissimo eu-charistiae sacramento, Caput 4, Canon 2) bestätigte die
Realpräsenz Christi unter den Gestalten von Brot und Wein und zwar aufgrund der
auf dem IV. Laterankonzil formulierten Lehre von der Transsubstantiation. Es schloss
eine begrifflich anders gefasste Deutung des Abend-mahlsgeschehens aber nicht
kategorisch aus, indem es den Begriff der Transsubstantiation als aptissime
(äußerst angemessen) bezeichnete, um dieses Glaubensgeheimnis zu beschreiben,
und diesen Begriff damit für künftige theologische Reflexion offenhielt.
Hinsichtlich der in der
mittelalterlichen Theologie nicht abschließend geklärten Messopfer-lehre
präzisierte das Konzil (vgl. Doctrina de sanctissimo missae sacrificio, Caput
1) in Antwort auf die harsche Kritik der Reformatoren in dieser Frage, dass die
Messe keine Wiederholung des einmaligen Kreuzesopfers Christi sei, wohl aber
dessen memoria (Erinnerung), repraesen-tatio (Vergegenwärtigung) und applicatio
(Zuwendung) - verstanden als Sühnopfer, durch das wir "Barmherzigkeit empfangen
und Gnade finden als Hilfe zur rechten Zeit (Hebr. 4,16)". Diese
theologische Klärung des Verhältnisses zwischen Kreuzesopfer und Messopfer ist
für das ökumenische Gespräch von grundlegender Bedeutung. Das Konzil bezeichnete
die liturgische Praxis der Feier von Messen, in denen nur der Priester
kommuniziert, als legitim. Zugleich hielt es die für die Reformatoren so
wichtige Praxis des Kommunionempfangs unter den beiden Gestalten von Brot und
Wein für erlaubt und bestätigte lediglich mit ausführlicher theologischer
Begründung die Lehre, dass der Empfang der Eucharistie unter beiden Gestalten
nicht durch ein göttliches Gebot vorgeschrieben sei und die konsekrierte Hostie
den ganzen Christus enthalte. Im Anschluss an das Konzil konzedierte der Papst
den Kommunionempfang unter
30
beiden Gestalten für Österreich
und Bayern, was später aus konfessionspolitischen Gründen widerrufen wurde.
5.2 Wo stehen wir heute?
Lehrdifferenzen und Konvergenzen
(5.2.1) Bestimmte Unterschiede in
der Feier und im theologischen Verständnis des Abendmahls lassen sich bis zu
den Anfängen der Kirche zurückverfolgen. Sie können ein legitimes Zeichen für
die lebendige Vielfalt des Glaubens und seines gottesdienstlichen Lebens sein.
Wenn sie zum Zerbrechen der Abendmahlsgemeinschaft führten, waren in den
allermeisten Fällen noch andere Differenzen und damit zusammenhängende
Konflikte im Spiel.
(5.2.2) Die mit den
Kirchenspaltungen des 16. Jahrhunderts verbundenen Verwerfungen betrafen an
entscheidenden Punkten auch das theologische Verständnis der eucharistischen
Feier. Die Frage nach der Präsenz Christi im Mahlgeschehen erwies sich damals
als folgenreich kontrovers. Die evangelische Seite verwarf die Vorstellung
einer Verwandlung von Brot und Wein im Sinne der Transsubstantiationslehre, den
Opfercharakter der römisch-katholischen Messe, die damit verbundene
Eucharistiefrömmigkeit und den Entzug des Kelchs für die Laien. Die Katholiken
wiederum bekräftigten ihre Auffassungen und sprachen im Laufe der Zeit —auch
unter dem Einfluss der Debatten um die anglikanischen Weihen — immer deutlicher
der evangelischen Feier die Gültigkeit ab. Die kontroverse Deutung des
Abendmahls unter den Evangelischen führte zur Trennung von Lutheranern und
Reformierten. Luther und die Lutheraner verfochten die Realpräsenz Christi
gegen Zwingli, der die Gegenwart Christi in Brot und Wein rein anamnetisch
auslegte, und grenzten sich dann auch von Calvin ab, dessen Versuch, über
Zwingli hinauszugehen und die Gegenwart Christi als geistgewirkt zu denken, sie
in dieser Weise nicht nachvollziehen konnten.
(5.2.3) Die vor allem in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit großer Intensität geführten
ökumenischen Gespräche über Abendmahl/Eucharistie haben zu einer Vielzahl
beachtlicher Annäherungen und Übereinstimmungen geführt. Eine Voraussetzung
dafür waren die Bemühungen um eine Reform der eucharistischen Liturgie mit
Aufnahme der Anliegen der Liturgischen Bewegung durch das 2. Vatikanische
Konzil. Wege der Verständigung wurden in bilateralen Dialogen zwischen
Katholiken und Lutheranern, Katholiken und Reformierten, Anglika-
31
nern und Lutheranern, Lutheranern
und Reformierten ebenso beschritten wie in multilateralen Gesprächen mit den
Kirchen der Orthodoxie — insbesondere in den Abendmahlsgesprä-chen in
Verantwortung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung (Lima-Dokument).
Lutheraner und Reformierte fanden nach jahrhundertelanger Trennung zur
Abendmahlsge-meinschaft (Leuenberger Konkordie, Formula of Agreement,
Amman-Erklärung). Die Gespräche zwischen Anglikanern, Lutheranern und
Reformierten ermöglichten konkrete Verabredungen über die wechselseitige
Öffnung der Mahlfeiern (Erklärungen von Meißen, Reuilly und Porvoo).
(5.2.4) Solche Beispiele zeigen:
Abendmahlsgemeinschaft ist möglich, wenn sie ernsthaft gewollt wird. Ihre
Verwirklichung setzt die geduldige Klärung und Überwindung der Hindernisse
voraus, die ihr entgegenstehen: Sie bedarf der Darlegung einer gemeinsamen
Sicht auf das Abendmahl und der verbleibenden, aber für tragbar gehaltenen
Differenzen. Es sind die unterschiedlichen Abendmahlslehren und ihre
liturgischen Vollzüge zu bedenken, ebenso die Zusammenhänge zwischen der
Leitung der Feier und dem Verständnis des kirchlichen Amtes sowie die
jeweiligen kirchenrechtlichen Bedingungen für die Zulassung zum Abendmahl.
5.3 Gründe für die Annäherungen in
der Lehre von Abendmahl/Eucharistie
(5.3.1) Viele Faktoren haben dazu
beigetragen, dass es in der Lehre vom Abendmahl/von der Eucharistie bis heute
zu bedeutenden Annäherungen der Positionen in der reformatorischen und der
römisch-katholischen Theologie gekommen ist. Die Weise, wie diese Thematik
behandelt wird, kann als ein Seismograph für den Stand der ökumenischen
Bewegung gelten. Mehrfach haben alle christlichen Traditionen Selbstverpflichtungen
unterzeichnet, in denen sie das gemeinsame Ziel, das Erreichen der sichtbaren
Einheit der Kirchen, mit dem Kriterium der Abendmahls-/Eucharistiegemeinschaft
verbunden haben. Trotz vieler Widerstände und scheinbar unüberwindlicher Hindernisse
bleibt dieses Anliegen beständig auf der ökumenischen Agenda, weil die
Gemeinschaft am Tisch des Herrn als eine geistliche Erfahrung gewünscht wird,
die den theologischen Gehalt des Abendmahls, das Gemeinschaft mit Christus und
untereinander stiftet, aufgreift. Nach dem Johannesevangelium bittet Jesus kurz
vor seinem Tod in seinen Abschiedsreden um die Einheit der an ihn Glaubenden,
damit auch die Welt glaube, dass Gott ihn gesandt habe (vgl. Joh 17,20f). Die
Ökumene folgt einer göttlichen Berufung zur Einheit, die der Einheit Christi
mit dem Vater entspricht (ut omnes unum sint).
32
(5.3.2) Grundfragen der
ökumenischen Hermeneutik, die im 20. Jahrhundert erhebliche Wandlungen erlebt
hat, wirkten sich bei der Behandlung der Thematik von Abendmahl/Eu-charistie
aus. Während die kontroverstheologische Perspektive seit dem 16. Jahrhundert
insbesondere auf die Unterschiede in den Lehren achtete, trat mit Beginn der
Ökumenischen Bewegung vorrangig in den Blick, was die Konfessionen verbindet,
nämlich: das gemeinsame Bekenntnis zu Jesus Christus; die gläubige Gewissheit,
von Gott erwählt und berufen zu sein, das Evangelium zu verkündigen; die
eschatologische Erwartung der Fülle des Lebens im Reich Gottes; die Überzeugung
vom gemeinsamen missionarischen Auftrag der Kirchen.
(5.3.3) Die heute erreichten
ökumenischen Konvergenzen verdanken sich vor allem der gemeinsamen
Bereitschaft, der Exegese der biblischen Schriften Gehör zu schenken. Das 2.
Vatikanische Konzil hat der Dogmatik aufgetragen, zunächst die Themen der
Schrift aufzunehmen (vgl. Optatam totius, Nr. 16). Die reformatorisch geprägten
Kirchen haben immer schon das Zeugnis der biblischen Schriften als das
maßgebende Kriterium bei der Lehrbildung angesehen. In der konkreten
exegetischen Studienarbeit unter wissenschaftlichen Prämissen zeigt sich, dass
es keineswegs leicht ist, die alten kontroverstheologischen Themen aus den
biblischen Schriften abzuleiten. Unterschiedliche methodische Ansätze in der
Exegese führen —jenseits konfessioneller Differenzen — zu nicht immer
kompatiblen theologischen Interpretationen der biblischen Überlieferungen von
der Mahlgemeinschaft, die Jesus selbst respektive die örtlichen Gemeinschaften
in seiner Nachfolge gestaltet haben. Auch im Hinblick auf die
alttestamentlichen Motive in den biblischen Abendmahlsüberlieferungen (Bund,
Pascha, Sühne) bestehen Unterschiede in der Interpretation, die nicht notwendig
konfessionell begründet sind. Die heute vertraute Zusammenarbeit der
Konfessionen in den Fächern der biblischen Exegese hat deutlich zu einer
Entschärfung der konfessionellen Kontroversen beigetragen.
(5.3.4) Differenzierte historische
Forschungen haben einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass wir im
Hinblick auf Abendmahl/Eucharistie heute die unterschiedlichen geschichtlichen
Kontexte, in denen Positionierungen vorgenommen worden sind, besser und genauer
kennen. Gemeinsam blicken die evangelische und die römisch-katholische
Forschung auf die großen Veränderungen, die sowohl in der Praxis wie in der
Lehre von Abendmahl/Eucharistie zu konstatieren sind. In den ökumenischen
Gesprächen wurde ersichtlich, dass jede geschichtlich überlieferte Gestalt des
Verständnisses von Abendmahl/Eucharistie Interpretation eines
33
Ursprungsgeschehens ist, dessen
Zugänglichkeit an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Soziale
Gegebenheiten, lokale Besonderheiten, prägende Persönlichkeiten und
kontro-verstheologische Abgrenzungen haben in hohem Maße zu einem Prozess der
Differenzierung in der Gestaltung der Liturgie des Abendmahls/der Eucharistie
beigetragen. So gesehen bleibt es eine offene Frage, ob es ratsam ist, diesen
Differenzierungsprozess aufzuhalten und eine einheitliche Form zu finden, in
der alle Konfessionen gemeinsam Abendmahl/Eucharistie feiern können. Einen
solchen vielbeachteten Versuch, die liturgischen Traditionen der Konfessionen
zu verbinden, stellt die Lima-Liturgie dar.
(5.3.5) Besondere Beachtung fand
in der Ökumene die Erkenntnis, dass sich die philosophischen Referenzen, die
bei der Beschreibung des Bekenntnisses zur wahren und wirklichen Gegenwart Jesu
Christi im Mahlgeschehen herangezogen wurden, im Laufe der Geschichte verändert
haben. Während es im Altertum das platonische Urbild-Abbild-Denken noch
ermöglichte, die wahre Gegenwart Jesu Christi (veritas) im Zeichen (signum) zu
denken, entwickelten sich die ursprünglich kompatiblen Vorstellungen
alternativ. Heute kann in der Ökumene mit Wertschätzung beschrieben werden,
dass scholastische Theologen —vorab Thomas von Aquin — unter Bezug auf die
aristotelische Philosophie den Versuch unternahmen, die extremen Positionen des
Symbolismus (gegenwärtig wird Jesus Christus nur für die, die es bewusst
erkennen) und des Realismus (Jesus Christus ist "fleischlich" anwesend) zu
vermeiden. Die ökumenischen Dialoge konnten Missverständnisse aufdecken —
beispielsweise die Annahme von Martin Luther, Thomas von Aquin lehre eine lokal
zu erfassende, von ihrer Ausrichtung auf den Empfang abgelöste Gegenwart Jesu
Christi im Mahlgeschehen. Heute suchen die ökumenischen Partner gemeinsam nach
philosophischen Konzepten, durch deren Aufnahme Menschen das sehr
anspruchsvolle Bekenntnis der wahren Gegenwart Jesu Christi im Zeichen von
Abendmahl/Eucharistie erschlossen wird. Diesbezüglich hat sich nicht zuletzt
der gemeinsame Rekurs auf Konzepte einer sogenannten relationalen Ontologie als
hilfreich erwiesen, nach denen sich das Wesen der Mahlgaben durch die im Wort
verkündigte Bezugnahme auf den ursprungsgetreuen Beginn in der Stiftung durch
das Lebensgeschick Jesu Christi verwandelt. Damit ist das Potential aktueller
philosophischer Ansätze, die Vielschichtigkeit und Vieldimensionalität des
Geschehens auszulegen, bei weitem noch nicht ausgeschöpft — genannt seien hier
beispielhaft der phänomenologische Gabe-Diskurs, sprach-analytische Untersuchungen
zum performativen Sprechen und moderne zeichentheoretische Ansätze.
34
(5.3.6) In der ökumenischen
Hermeneutik von heute ist die Achtsamkeit auf die pastorale Praxis von hoher
Bedeutung. Viele Glaubende in den christlichen Gemeinden — insbesondere jene,
die in konfessionsverbindenden Ehen leben — haben kaum noch Verständnis für
ausdifferenzierte theologische Begründungen, die daran hindern, als Familie dem
gemeinsamen christlichen Bekenntnis auch in der Feier von Abendmahl/Eucharistie
Ausdruck zu geben. Die Wahrnehmung der Stimmen der glaubenden Menschen ist für
die ökumenische Theologie von Bedeutung und soll als Ausdruck des sensus
fidelium Gehör finden. Das gilt auch für die Gewichtungen, die von den
Gläubigen vorgenommen werden: Vorrangig ist das gemeinsame Verständnis des
Gehalts der eucharistischen Feier, nachrangig ist die Frage der spezifischen
liturgischen Gestaltung sowie die Frage nach den angemessenen Leitungsdiensten.
5.4 Was können wir gemeinsam
sagen?
(5.4.1) Der gekreuzigte,
auferweckte und erhöhte Jesus Christus lädt uns zum Mahl ein, wir sind seine
Tischgenossen. Seine Einladung überschreitet und umgreift die konfessionellen
Grenzen und Grenzziehungen, die der sichtbaren Einheit der Christenheit im Wege
stehen. Noch mehr: In eschatologischer Perspektive sprengt sie im Bild des
himmlischen Hochzeitsmahles die Grenzen der Christenheit und nimmt die ganze
Menschheit, ja sogar das Universum in den Blick (vgl. Jes 25,6; Mk 14,25; Kol
1,15-20; Offb 19,9; 21,24ff.) — sie ist im wahrsten Sinn "ökumenisch". Vor
diesem Hintergrund ist sie auch der tragende Grund jedes einzelnen Schrittes
der christlichen Ökumene. Wo auch immer Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner,
Reformierte, Anglikaner, Baptisten, Methodisten in seinem Namen versammelt
sind, will Christus sein Versprechen erfüllen, mitten unter ihnen zu sein. Sie
sind und werden durch Glaube und Taufe in Christus geeint (vgl. Eph 4,5), lange
bevor sie sich über die konkreten Formen ihrer Einheit verständigt haben und zu
konkreten Verabredungen ihres Miteinanders gelangt sind.
(5.4.2) Jesus Christus schenkt
sich uns in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein
verheißendes Wort mit Brot und Wein (vgl. Leuenberger Konkordie 15, 18). Die
Kontroversen über die Gegenwart des Herrn bei der Feier des Mahls können in dem
Maße überwunden oder wenigstens in ihrer kirchentrennenden Reichweite begrenzt
werden, wie man den zum Mahl einladenden Christus, der sich in seiner Person
vergegenwärtigt und schenkt, als
35
das handelnde Subjekt der
Mahlfeier versteht und dieser Sichtweise die Frage nach dem Wie der
sakramentalen Vergegenwärtigung Christi nachordnet. Rückt das Moment der
personalen Selbstvergegenwärtigung Jesu Christi in den Vordergrund, so wird
erkennbar, dass seine Gegenwart das ganze Mahlgeschehen umgreift
(Personalpräsenz) und er selbst sich uns so mit Brot und Wein schenkt.
(5.4.3) Das Abendmahl/die
Eucharistie ist ein Gemeinschaftsmahl und stiftet Gemeinschaft (koinonia).
Indem sich Christus uns mit Brot und Wein schenkt, vergibt er uns unsere Sünden
und befreit uns zu einem neuen Leben aus Glauben. Indem er sich mit uns zur
Gemeinschaft verbindet, verbindet er uns mit den Gliedern der Gemeinde am Ort
und in der una sancta ecclesia zu seiner communio sanctorum. Der durch das Mahl
gewirkten Realität der Gemeinschaft gehen das Bekenntnis der Schuld und die
Gnadenzusage der Vergebung voraus.
(5.4.4) Die Mahlfeier ist an die
leibliche Präsenz der Kommunikantinnen und Kommunikanten gebunden.
Wortgeschehen und Mahlgeschehen gehören untrennbar zusammen. Die Teilnahme am
Mahl setzt Einsicht in den Sinn der Handlung voraus, deren Zentrum die
Gemeinschaft mit Christus bildet. In der westlichen Tradition werden Kinder zum
eucharistischen Mahl willkommen geheißen, sobald sie zwischen einem bloßen
Sättigungsmahl und dem sak-ramentalen Mahl des Herrn zu unterscheiden wissen.
(5.4.5) Das Abendmahl/die
Eucharistie soll regelmäßig im sonntäglichen Gottesdienst gefeiert werden. Die
Leitung der Feier obliegt einem/einer Ordinierten. Es sollte allgemeine Regel
sein, dass die das Mahl Feiernden mit Brot und Wein kommunizieren. Der
würdevolle Umgang mit den nicht verzehrten Elementen ist zu gewährleisten.
(5.4.6) Da die römisch-katholische
Auffassung heute sehr betont die Einmaligkeit des Sühnop-fers Christi am Kreuz
hervorhebt und das Mahl in der Perspektive der Vergegenwärtigung des
Kreuzesgeschehens betrachtet, sind die Kontroversen um den Opferaspekt in den
Hintergrund getreten. Das Opfer Christi kann in der Perspektive des Paschalamms
als "Pascha-Mysterium Christi" zum Thema werden. Die diese Redeweise
auszeichnende starke Christo- und Stauro-zentrik lässt keinen Raum für den
Gedanken, dass Christus in der Mahlhandlung als "Messopfer" dargebracht
werde. Daher bleiben Formulierungen bedenklich, die den Opfergedanken dadurch
erhalten wollen, dass sie die Eucharistie als stellvertretend für die Welt
dargebrachtes Lobopfer der Kirche oder gar das Lebensopfer Jesu Christi als
Opfer der Kirche verstehen
36
wollen, wenn nicht hinreichend
deutlich wird, dass hier Christus als ihr Haupt Subjekt des Opfervorgangs ist
und bleibt. Die vor diesem Hintergrund bleibend kontroverse Rede vom "Opfer der
Kirche" im Zusammenhang der Feier vom Gedächtnis des Todes und der
Auferstehung Jesu Christi ist dann sinnvoll, wenn dabei an die von Paulus
formulierte Mahnung gedacht wird, dass alle Getauften unter Berufung auf die
Barmherzigkeit Gottes sich selbst zu einem gottgefälligen Opfer machen lassen
(vgl. Röm 12,1). In ihrer eigenen Lebenspreisgabe aus Liebe folgen Christinnen
und Christen ihrem gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
5.5 Gewichtung von Danksagung,
Anamnese und Epiklese
(5.5.1) Dank, Erinnerung und Bitte
um den Heiligen Geist sind konstitutive Merkmale des Mahlgeschehens. Im Dank
(eucharistia) blicken die Feiernden auf die großen Taten Gottes und preisen ihn
als ihren Schöpfer, Versöhner und Erlöser. In der Erinnerung (anamnesis) wird
ihnen in der Kraft des Geistes die Selbsthingabe Jesu Christi am Kreuz und das,
was er in seinem stellvertretenden Leiden und Sterben für sie getan hat und
ihnen im Mahl schenkt, vergegenwärtigt. In der Anrufung des Heiligen Geistes
(Epiklese) bitten sie den Geist um sein Kommen, damit er die Präsenz Christi im
Mahl vergewissert, die Feiernden erneuert und als Gottes Kinder in die Welt
sendet.
(5.5.2) Heute sind sich die
reformatorischen und die römisch-katholischen Lehrtraditionen darin einig, dass
der lobpreisende Dank für Gottes Handeln in Jesus Christus ein wichtiges
Element der Feier von Abendmahl/Eucharistie ist. Dank und Lob sind in der biblischen
Tradition eng miteinander verbunden. Frühe liturgische Quellen (beispielsweise
die Didache) haben das Mahlgeschehen insgesamt als eine Dankesgabe an Gott
verstanden. Die Rede von einem Lob-und Dankopfer der Menschen möchte betonen,
dass die Geschöpfe Gott die gläubige Anerkenntnis seiner großen Taten zur
Erlösung seiner Schöpfung schulden. Im altüberlieferten Begriff der
Eucharistie, der in der römisch-katholischen Tradition bewahrt wurde und in den
reformatorischen Kirchen in der jüngeren Vergangenheit wieder neu in Gebrauch
kam, kommt der Gedanke des Vorrangs des Handelns Gottes an der Schöpfung vor
jeder Antwort des Menschen sprachlich angemessen zum Ausdruck.
(5.5.3) Der menschliche Dank an
Gott geschieht im Gedächtnis (der Anamnese) seines Handelns in Jesus Christus:
in seinem Leben, in seinem Sterben, in seiner Auferstehung. In der
37
christlichen Ökumene gilt die
Deutung des tödlichen Lebensgeschicks Jesu im Hinblick auf dessen
soteriologische Relevanz als eine gemeinsame Herausforderung. Die grundlegende
Bedeutung des Christus-Ereignisses für die Erlösung ist unumstritten. Alle
christlichen Bekenntnisgemeinschaften bemühen sich, das Gedächtnis der
Lebenspreisgabe Jesu Christi in seinen Tod für uns als ein Geschehen der
Erlösung aus der Verlorenheit in die Folgen der Sünde zu schildern, denen die
Schöpfung im endgültigen Tod erlegen wäre, hätte Gott nicht anders entschieden:
Im Christus-Ereignis wird offenbar, dass Gott für das Leben der Sünder und
Sünderinnen einsteht. Im Mahl feiert die christliche Gemeinde Gottes
Entscheidung für die Erlösung der Menschheit aus Sünde und Tod in der Gestalt
des irdischen Menschenlebens von Jesus aus Nazareth. Das in die Runde gegebene,
gebrochene Brot und der dargereichte Becher mit Wein sind Sinnbild für die unverbrüchliche
Gemeinschaftstreue Gottes, die angesichts des Todes Jesu Christi offenbar wird.
Jesus stiftet in der Deutung des gebrochenen Brotes als seines zerbrochenen
Leibes und des gereichten Bechers als seines vergossenen Blutes eine
Zeichenhandlung, in der zum Ausdruck kommt, dass Gott sich nicht von Menschen
daran hindern lässt, bei seiner Liebe zu bleiben.
(5.5.4) Die Berufung auf den Geist
Gottes im eucharistischen Geschehen hat in den Liturgien der Kirchen eine lange
Tradition. Im christlichen Osten wird der Erinnerung an das Wirken des Geistes
Gottes besondere Wertschätzung zuteil. Gottes Geist heiligt die Mahlgaben und
die versammelte Gemeinde, die im Geschehen selbst verspricht, sich in den
Dienst des lebendigen Gedächtnisses des Versöhnungshandelns Gottes in Jesus
Christus zu stellen. In ökumenischer Perspektive ist die Erinnerung an die
epikletische Dimension der Feier von Abendmahl/Eucha-ristie auch deshalb so
wichtig, weil auf diese Weise deutlich wird, dass nicht Menschen die Gegenwart
Jesu Christi im Mahlgeschehen bewirken, vielmehr Gott selbst im Heiligen Geist
seine Präsenz denen gewährt, die ihn darum bitten.
Der Gedanke der Präsenz des Herrn
beim eucharistischen Mahl findet sich schon in ältesten Quellen. Aus
Herbeirufungen der personalen Gegenwart (Maranatha) entwickelte sich vor allem
im Osten die Bitte um das Kommen des Geistes Gottes, die nun mit der Anamnese
des Todes und der Auferstehung Christi verknüpft wurde. In den meisten
altkirchlichen Eucharis-tiegebeten des Ostens und Westens ist die sogenannte
spezielle Anamnese nach den Einset-zungsworten als Partizip (memores -
gedenkend) der folgenden Darbringung (offerimus — bringen wir dar) zugeordnet.
Hier handelt es sich freilich nicht um eine Eigenleistung der Kirche, da diese
nichts anderes anzubieten hat als die Naturgaben Brot und Wein, die ihr immer
schon
38
von Gott her geschenkt worden
sind. Sie stellt sie aber Gott vor Augen, damit er sie der Gemeinde wiederum
schenkt, nun aber als von Gottes Geist geheiligte Gaben. Dazu wird in den
Ostkirchen um das Einwirken des Geistes gebeten. Obwohl der Geist nicht
explizit erwähnt wird, weist auch der Römische Kanon diese Struktur auf, die
allerdings im Laufe der Theologiegeschichte nicht mehr erkannt wurde.
Demzufolge ist auch in den neuen Eucharistiegebe-ten der römisch-katholischen
Liturgie die ursprünglich eine Bitte der Heiligung der Gaben und der Gemeinde
durch den Genuss der Mahlgaben in eine Wandlungsepiklese vor und eine
Kom-munionepiklese nach den Einsetzungsworten aufgeteilt. In jedem Falle aber
ist durch die Li-turgiereform deutlicher geworden, dass nicht die Kirche,
sondern Gott selbst durch seinen Geist das Heil wirkt. In Abendmahlsgebeten
heutiger evangelischer Agenden stehen die beiden Epiklesen nach ostkirchlichem
Vorbild zusammengefügt nach der Abendmahlsanamnese.
5.6 Die ökumenische Bedeutung
unterschiedlicher Feiergestalten
(5.6.1) Die liturgischen
Feierformen des Abendmahls/der Eucharistie sind in allen Konfessionen in
unterschiedlichem Maße regional geprägt: Die Lieder sind in den nationalen
Sprachen verschieden; spezifische Ausdrucksformen wie beispielsweise der Tanz
sind in manchen Kulturen üblich, in anderen nicht. Bei den reformatorischen
Abendmahlsfeiern ist die Varianz in der Regel größer als bei den römisch-katholischen
Feiern der Eucharistie. So gibt es in der römisch-katholischen Kirche eine
weltweit verbindliche Ordnung der Lesung von biblischen Schrifttexten;
Leseordnungen sind auch im reformatorischen Bereich bekannt, sie haben jedoch
ein geringeres Maß an Verbindlichkeit. Die Bereitschaft zum Bekenntnis der
eigenen Schuld und die Bitte um Vergebung sind — wenngleich in
unterschiedlicher Form — ein fester Bestandteil aller konfessionellen
Liturgien. Analoges gilt für das Gedächtnis der Einsetzung des Abendmahls/der
Eucharistie durch Jesus Christus, für Gebete (in der Regel Sanctus und
Vaterunser), für Bekenntnisse des Glaubens sowie für Segenshandlungen. Bei
aller Verschiedenheit der Gestaltung im Detail überwiegt somit der Eindruck,
dass wesentliche Bestandteile der Abendmahlsliturgie sowie der Feier der
Eucharistie übereinstimmen.
(5.6.2) Es gibt Aspekte in der
Gestaltung von Abendmahl/Eucharistie, die — beginnend im 16. Jahrhundert und
fortdauernd bis heute — als konfessionelle Eigenarten gelten, nicht selten
39
heftigen Anstoß erregen und zu
Abgrenzungen führen. Dazu zählen (a) die Frage der stiftungsgemäßen Gestaltung
des eucharistischen Mahls mit Brot und Wein für alle Mahlteilnehmer, nicht nur
für die Priester und wenige Gläubige; (b) die Frage der Dauer der Gegenwart
Jesu Christi in, mit und unter den Mahlgaben; (c) die heilsame Bedeutung der
Feier im Gedächtnis der Gemeinschaft mit den verstorbenen Gemeindegliedern. In
den drei genannten Themenbereichen sind durch die vielen ökumenischen Gespräche
in den zurückliegenden Jahrzehnten Verständigungen erreicht worden, die in der
liturgischen Praxis mehr Beachtung finden sollten: (zu a) Es gibt keine
Hindernisse in der römisch-katholischen dogmatischen Tradition, in
stiftungsgemäßer Weise das eucharistische Mahl mit Brot und Wein in der
Gemeinde zu feiern. Die aus unterschiedlichen Gründen im frühen und hohen
Mittelalter entstehende Reservierung der Kelchkommunion für den Priester ist
nur im Kontext des allgemeinen Rückgangs der Kommunionhäufigkeit zu erklären und
begründete keine Praxis, die aus dogmatischer Sicht zu bewahren wäre. Die
Kelchkommunion für alle Teilnehmenden ist daher nach heutigem Recht
grundsätzlich möglich und liturgietheologisch erwünscht. (zu b) Die Verheißung
der Gegenwart Jesu Christi im Mahlgeschehen gilt solange, wie ein Zusammenhang
zwischen der vergegenwärtigenden Worthandlung und der Zeichengabe von Brot und
Wein noch erkennbar ist. Der primäre, altkirchlich verbürgte Zweck der
Aufbewahrung der Mahlgaben für die Krankenkommunion sollte stets im Blick
bleiben. (zu c) Die Feiern von Abendmahl/Eucharistie haben eschatologische
Bedeutung; sie finden in Gemeinschaft mit Lebenden und Verstorbenen statt.
(5.6.3) Welche Bedeutung haben
solche Überlegungen zu den konfessionellen Feierformen von Abendmahl/Eucharistie
für die Ökumene? Sie setzen bei dem gegenwärtigen Erleben der Liturgien von
gläubigen Menschen in den Gemeinden an. Sie nehmen wahr, dass es Traditionen
gibt, die nicht immer der theologischen Prüfung standhalten und daher einer
Reform bedürfen. Sie versuchen die verschiedenen Feiergestalten als je
spezifischen Ausdruck des theologischen Gehalt des Abendmahls zu begreifen und
zu würdigen. Sie leisten einen Beitrag zu dem Bemühen, auf dem Weg der
Glaubenserfahrung die spirituelle Bedeutung von Abend-mahl/Eucharistie zu
entdecken. Sollte es zu einer Vereinbarung über die Gemeinschaft im
Abendmahl/in der Eucharistie zwischen den Kirchen kommen, stellt sich dringlich
die Frage, welche liturgische Ordnung angesichts der Vielfalt in den Traditionen
akzeptabel ist.
40
5.7 Die Feier des Mahls in der
Perspektive des jeweils Anderen
(5.7.1) Im Dekret über den
Ökumenismus des 2. Vatikanischen Konzils, Unitatis Redintegratio (UR), wird
mehrfach dazu ermutigt, die anderen Konfessionen in ihrem Selbstverständnis
kennen und schätzen zu lernen (vgl. UR 9). Das Konzil beschränkt sich im
Hinblick auf die liturgischen Feiern in den anderen christlichen Traditionen
weithin darauf, sich beschreibend (deskriptiv) und nicht wertend (normativ) der
gelebten Wirklichkeit in den anderen Konfessionen anzunähern (vgl. UR 3; 22).
Es ist als eine hohe Errungenschaft in der ökumenischen Hermeneutik zu
betrachten, wenn Angehörige einer Konfession die Perspektive der Angehörigen
einer anderen Konfession zu achten lernen. Bei der Feier des Abendmahls/der
Eucharistie in einer anderen Konfession werden manche Elemente fremd sein.
Diese Situation begünstigt ein intensives Hören auf die Verheißungen Gottes.
Die Feiern von Abendmahl/Eucharistie in ökumenischer Gemeinschaft sind daher
eine Gabe insbesondere in spiritueller Hinsicht.
(5.7.2) Im Hinblick auf die in der
Vielfalt der christlichen Konfessionen gelebten Formen der Feiern von
Abendmahl/Eucharistie ist daran zu erinnern, dass die reformatorischen sowie
die römisch-katholischen Traditionen ihren Blick weiten können, indem sie auf
andere Konfessionen schauen, wie diese in ihren Riten das Gedächtnis des Todes
und der Auferstehung Jesu Christi in seiner Bedeutung für uns feiern —
beispielsweise in orthodoxer Tradition mit der Betonung des Geheimnisses der
Gegenwart Jesu Christi im Heiligen Geist sowie der Wahrnehmung der
Verbundenheit zwischen der irdischen und der himmlischen Versammlung der
Gläubigen zum Lobpreis; oder in freikirchlicher Tradition mit der Betonung der
Verkündigung des Evangeliums in Gottes Wort sowie einer zeichenhaften
Mahlhandlung, die im Sinne Jesu Christi auch erfahrbar jene Versöhnung
innerhalb jener Gemeinschaft stiften möchte, die sich auf ihn beruft.
(5.7.3) Insbesondere gebietet es
eine ökumenische Sensibilität, bei Anwesenheit von Christen anderer
Konfessionen in Gestaltung und Ablauf der Feier alles, soweit vertretbar, zu
vermeiden, was deren Gefühle verletzen könnte. Auch das setzt die Kenntnis der
Perspektive des jeweils anderen voraus.
41
6. Die Leitung der eucharistischen
Feiern
(6.1) Die in reformatorischer und
insbesondere nachreformatorischer Zeit hervorgetretenen Differenzen im
Verständnis des Amtes und der apostolischen Nachfolge im Amt sind in den
ökumenischen Dialogen inzwischen als zentrales Hindernis für
Abendmahls-/Eucharistiege-meinschaft identifiziert worden. Aus der Sicht des 2.
Vatikanischen Konzils ist bei den Reformationskirchen "vor allem wegen des
Fehlens des Weihesakramentes (defectus sacramenti ordinis) die ursprüngliche
und vollständige Wirklichkeit (substantia) des eucharistischen Mysteriums nicht
bewahrt" (UR 22) worden. Aus diesem Grund empfangen römisch-katholische
Gläubige die Eucharistie erlaubt in den Kirchen, in denen das Sakrament der
Eucharistie ihrer Ansicht nach gültig gespendet wird (vgl. CIC 844 §§1-2).
Umgekehrt wird zwar von evangelischer Seite die Gültigkeit der Weihe bzw.
Ordination in der römisch-katholischen Kirche nicht bestritten, die
reformatorische Kritik an der Transsubstantiationslehre, am Verbot des Laienkelchs,
am Opfercharakter der Messe (zur Klärung dieser Fragen vgl. die vorangehenden
Abschnitte dieses Textes) und der Zelebration der Messe ohne Gemeinde betraf
jedoch die rechte Verwaltung des Sakramentes. Darüber hinaus enthielt speziell
die Kritik am Opfercharakter der Messe eine grundsätzliche Anfrage an die
Apostolizität eines Amtsverständnisses, in welchem der Priester als Subjekt der
Opferhandlung verstanden wird. Nach evangelischem Verständnis dient das Amt
durch die reine Evangeliumsverkündigung und die rechte Verwaltung der
Sakramente dem "Sein und Bleiben der Kirche in der Wahrheit" und darin
ihrer Apos-tolizität. Die Ordnung des Amtes selbst ist nicht Garant der
Wahrheit, und mit der Berufung in das Amt ist kein höherer Gnadenstand verbunden.
Zwar ist nach evangelischem Verständnis die Feier des Herrenmahls auch da
"gültig", wo im Hintergrund ein problematisches Amtsverständnis steht,
weil die soteriologische Bedeutung allein an Christi eigener Verheißung seiner
Gegenwart in der Feier hängt. Gleichwohl war das römisch-katholische
Eucharistie- und Amtsverständnis auch für evangelische Kirchen lange ein Grund
(und ist es für einige reformatorische Kirchen bis heute), evangelischen
Christen die Teilnahme an der Eucharistie nicht zu empfehlen bzw. zu untersagen.
Dies hat sich erst im Kontext der ökumenischen Bewegung geändert. Im bisherigen
evangelisch/römisch-katholischen Dialog über das Amtsverständnis sind
grundlegende Übereinstimmungen erreicht worden, die für die Frage der
Abendmahlsge-meinschaft, vor allem aber für die Möglichkeit einer Praxis
wechselseitiger eucharistischer Gastfreundschaft, bedeutsam sind.
42
(6.2) Zusammengefasst stellen sich
die erreichten Konvergenzen und die offenen Fragen folgendermaßen dar:
(6.2.1) Allgemeines bzw. gemeinsames
Priestertum der getauften Glaubenden: Den Ausgangspunkt für die Verständigung
über das kirchliche Amt bildet heute die gemeinsame Einsicht, dass alle
Christen durch die Taufe im Glauben an Christi Priestertum Anteil gewinnen.
Damit sind alle Christen berufen, das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden
und Lob, Dank und Fürbitte in, mit und durch Christus vor Gott zu bringen. So
bilden sie das priesterliche Gottesvolk, sind Leib Christi und tragen eine
Mitverantwortung für evangeliumsgemäßes Lehren und Leben der Kirche. Das
allgemeine/gemeinsame Priestertum der Gläubigen setzt die öffentliche
Verkündigung des Evangeliums und die Feier der Sakramente notwendig voraus,
durch die die Kirche als communio sanctorum begründet, versammelt und bewahrt
wird, denn nach gemeinsamer evangelischer und römisch-katholischer Überzeugung
ist für das Sein der Kirche und ihr Bleiben in der Wahrheit die reine
Verkündigung des Evangeliums und die der Einsetzung Jesu Christi gemäße Feier
der Sakramente konstitutiv, durch die Jesus Christus selbst seine Kirche
auferbaut.
(6.2.2) Der Dienst des an die
Ordination gebundenen Amtes: In der Confessio Augustana wird im Einklang mit
römisch-katholischer Lehre bekannt, dass niemand in der Kirche öffentlich
lehren solle ohne ordentliche Berufung (CA XIV). Die Besonderheit des an die
ordentliche Berufung in der Ordination gebundenen Amtes besteht in der
öffentlichen Evangeliumsverkün-digung in der Predigt und in der Leitung der
Feier der Sakramente. Während sich die Rede vom öffentlichen Lehren im
Unterschied zu Verkündigungssituationen im privaten Bereich im 16. Jahrhundert
auf die gesamte kirchliche und gesellschaftlich-kommunale Öffentlichkeit bezog,
wird der Begriff der Öffentlichkeit in der Bestimmung der Aufgaben des
kirchlichen Amtes heute in erster Linie auf die Verkündigung in der
Öffentlichkeit der Kirchengemeinden auf regionaler und überregionaler Ebene
bezogen. Durch die öffentliche Lehre des Evangeliums und die Feier der
Sakramente dient das besondere Amt der Apostolizität und Einheit der Kirche und
darin zugleich auch ihrer Heiligkeit und Katholizität. Mit dem Amt der
öffentlichen Verkündigung in Wort und Sakrament wird mithin eine besondere
Verantwortung für das Sein und Bleiben der Kirche in der Wahrheit und für ihre
Einheit übernommen, die ihren Grund in Jesus Christus hat. Durch diesen
besonderen Auftrag ist das an die Ordination gebundene Amt vom
allgemeinen/gemeinsamen Priestertum aller glaubenden Getauften unterschieden
und
43
steht diesem gegenüber. Gerade in
diesem Gegenüber vermag es der Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden und der
Berufung der Getauften und Glaubenden zum allgemeinen/gemein-samen Priestertum
zu dienen.
(6.2.3) Der Ursprung des an die
Ordination gebundenen Amtes: Es ist gemeinsame römisch-katholische und
evangelische Überzeugung, dass das kirchliche Amt der öffentlichen Verkündigung
des Evangeliums in Wort und Sakrament von Gott geordnet ist. Das an die
Ordination gebundene, geordnete Amt gehört zum Sein der Kirche. Es verdankt
sich nicht einer Delegation des Gemeindewillens, sondern göttlicher Sendung und
Einsetzung.
(6.2.4) Die Ordination in ihrer
Bedeutung für die Leitung der Feier: Die Ordination, die für die
Evangeliumsverkündigung in Wort und Sakrament und damit auch für die Leitung
des Abend-mahls/der Eucharistie vorausgesetzt ist, geschieht nach
römisch-katholischem und evangelischem Verständnis im Gottesdienst unter
Handauflegung und Gebet. Die Handauflegung ist das Zeichen der Berufung und der
Bitte um das Herabkommen des Heiligen Geistes, um das im Ordinationsgebet
gebetet wird. Mit dieser öffentlichen Handlung der Ordination unter
Handauflegung und Gebet wird die zu ordinierende Person mit dem Amt der
öffentlichen Evangeliumsverkündigung in Wort und Sakrament betraut, die eine
Verantwortung für die Einheit der Kirche impliziert. Die Ordination ist Zeichen
der Berufung durch Gott in der Kraft des Geistes zu diesem Dienst und als
solche für die liturgische Leitung der Feier des Herrenmahls in besonderer
Weise bedeutsam. Denn wer die Liturgie leitet, führt darin im Namen der Kirche
den Auftrag Jesu Christi aus, der selbst im Heiligen Geist gegenwärtig wird.
Zum zweiten verwirklicht sich in der Versammlung um den Tisch dessen, der seine
Gegenwart zusagt und Vergebung und Versöhnung schenkt, die Einheit der Kirche
als Leib Christi. Für diese Einheit zu sorgen ist dem Verkündigungsamt
anvertraut.
(6.2.5) Wenngleich die
reformatorischen Kirchen die Ordination nicht als Sakrament bestimmen, weil die
Ordinationshandlung durch Handauflegung und Gebet im Neuen Testament nicht mit
einem Befehl und einer Verheißung Christi verbunden ist, sehen sie
Handauflegung und Gebet als konstitutive Bestandteile der Ordinationshandlung
bei der Berufung ins Amt bewahrt. Umgekehrt wird von römisch-katholischer Seite
heute—im Gegensatz zu einer früheren, jahrhundelangen Praxis — klar
festgehalten, dass für die Ordinationshandlung nicht die Übergabe der
eucharistischen Geräte, sondern allein das Gebet der Kirche in Verbindung mit
der Handauflegung konstitutiv ist.
44
(6.2.6) Was die Wirkung der
Ordination betrifft, so begründet sie nach römisch-katholischem Verständnis als
sakramentale Weihe einen character indelebilis. Wenn von evangelischer Seite
diese Bestimmung abgelehnt wird, so richtet sich die damit verbundene Kritik auf
die Vorstellung einer Steigerung des in der Taufe begründeten neuen
Gnadenstandes durch die Ordination. Einen character indelebilis vermittelt nach
evangelischem Verständnis allein die Taufe. Mit dem Gebet und der Handauflegung
bei der Ordinationshandlung wird jedoch auch nach evangelischem Verständnis in
der Gewissheit der Erhörung um die Gabe des Geistes für das Amt gebetet. Mit
der Ordination wird die ganze Person mit ihrem Leben in den Dienst der
Evangeliumsverkündigung in Wort und Sakrament gerufen. Entsprechend ist die
Ordination eine einmalige Handlung, die nicht wiederholt wird. Mit der Kritik
an der Bestimmung des character indelebilis wird also weder die Notwendigkeit
der Geistesgabe für die Beauftragung mit dem Amt, noch die lebenslange Verpflichtung
bestritten. Zudem wird nach römisch-katholischer Lehre die Weihe nicht als
Steigerung des in der Taufe verliehenen Gnadenstandes verstanden, sondern als
Berufung in einen besonderen Dienst an den Grundvollzügen der Kirche (vgl. LG
10).
(6.2.7) Ordination und
Bischofsamt: Nach gemeinsamem evangelischen und römisch-katholischen
Verständnis gehört die Ordinationshandlung zur Aufgabe der Episkopd (Aufsicht),
die sich auf die Wahrung der reinen Lehre und der Einheit der Kirche bezieht.
Die Aufgabe überregionaler Episkopd ist für die Einheit und Apostolizität der
Kirche notwendig und umfasst eine personale, synodale und gemeinschaftliche
Dimension.
(6.2.8) Für die
römisch-katholische Kirche ist die Gestaltung der Episkopd in der Nachfolge der
Apostel notwendig mit dem Bischofsamt in historischer apostolischer Sukzession
verbunden. Das Bischofsamt in historischer apostolischer Sukzession, das
personal, kollegial und gemeinschaftlich ausgeübt wird, gehört nach
römisch-katholischem Verständnis unabdingbar zum Sein der Kirche. Den
Glaubensgemeinschaften, die die historische Sukzession im Bischofsamt nicht
bewahrt haben, "fehlt" laut mancher römisch-katholischer Dokumente aus
jüngerer Zeit ein anerkennungsfähiges Amt mit der Folge, dass die urspüngliche
und vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums nicht bewahrt
erscheint. Mit dem Terminus defectus or-dinis (UR 22.3) wird dabei allerdings
ein Mangel und nicht ein vollständiges Fehlen des Amtes ausgesagt. Es wird
jedoch nicht bestritten, dass in den evangelischen Kirchen ein Amt gegeben ist,
das dem Evangelium dient.
45
(6.2.9) Von evangelischer Seite
wird im Rekurs auf neutestamentliche und altkirchliche Lehre die ursprüngliche
Einheit von Bischofsamt und Pfarramt und somit die presbyterale Sukzession als
gültig angesehen. Diese wurde in der Reformationszeit schließlich praktiziert,
nachdem sich keine altgläubigen Bischöfe fanden, die bereit waren, Geistliche
zu ordinieren, welche die reformatorische Lehre vertraten. Doch wurde mit der
presbyteralen Ordination die Bedeutung der episkopalen Sukzession keineswegs
abgelehnt. Vielmehr wird auch nach evangelischem Verständnis die Ordination als
Aufgabe der überregionalen Episkopd verstanden. Doch im Unterschied zu
römisch-katholischer Lehre kann dieses Amt der überregionalen Episkopd
unterschiedlich gestaltet sein.
(6.2.10) Trotz der Differenzen in
Bezug auf die apostolische Sukzession im Bischofsamt und der jurisdiktionellen
Ausstattung des Bischofsamtes besteht Übereinstimmung darin, dass zur
apostolischen Sukzession eine geordnete Gestaltung der überregionalen Episkopd
gehört, die eine personale, kollegiale und gemeinschaftliche Dimension umfasst.
Historische Studien können zudem zeigen, dass in der theologischen Tradition im
Mittelalter (gestützt auf Hieronymus und Ambrosiaster) der Gedanke einer
legitimen presbyteralen Sukzession durchaus geläufig war. Über lange Zeit hatte
die theologische Überzeugung Bestand, dass sich das Amt der Pres-byter und das
Amt der Bischöfe nur im Bereich der Jurisdiktion unterscheiden (Decretum
Gra-tiani, Thomas von Aquin und Bonaventura). Überdies wurde in ökumenischen
Dialogen gemeinsam die Einsicht gewonnen, dass für die Beurteilung und
Anerkennung der Ämter pneu-matologische und rechtfertigungstheologische
Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Für römisch-katholisches Verständnis
impliziert die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre", in der ein
gemeinsames Verständnis der im Evangelium verheißenen Gnade Gottes entfaltet
werden konnte, dass die reformatorischen Kirchen die apostolische Lehre bewahrt
haben und ihre Ordnung der Ämter offenkundig der Sukzession in der Lehre der
Apostel zu dienen vermochte und vermag. Von daher kann die Feststellung eines
defectus ordinis nicht auf die Bestreitung der geistlichen Wirksamkeit
evangelischer Ämter abheben. Nimmt man hinzu, dass nach den Aussagen des
Zweiten Vatikanischen Konzils für die apostolische Sukzession im Bischofsamt
die Kollegialität wesentlich ist und die historische Sukzession nicht im
mechanischen Sinne einer ununterbrochenen Kette von Handauflegungen zu
verstehen ist, dann kann man mit Blick auf den in der Rechtfertigungslehre
gewonnenen Grundkonsens und die Übereinkunft in Grundfragen des Amtes
"katholischerseits jene episkopoi aus dem Kreise derer nicht ausschließen,
deren Übereinstimmung nach katholischer Auffassung Zeichen für die
46
Apostolizität der Lehre ist"
(AdK, Nr. 291, DWÜ 4, 625).
(6.3) Im Blick auf die Frage der
Apostolischen Sukzession lassen sich die Ergebnisse der internationalen und
nationalen Dialoge so zusammenfassen:
(6.3.1) Zu den Wesensmerkmalen der
Kirche in ihrer Gesamtheit gehört deren Apostolizität. Diese ist als ein
Kennzeichen der christlichen Glaubensgemeinschaft zu verstehen. Die Erfüllung
der Apostolizität bekennt die Glaubensgemeinschaft als wirksame Gabe des
Heiligen Geistes, und ihre Ermangelung macht das beständige Bemühen um
Erneuerung der Kirche am Leitbild des apostolischen Ursprungs erforderlich. Die
Überlieferung des apostolischen Evangeliums geschieht in der Gemeinschaft der Getauften.
Es gilt, den apostolischen Glauben in den wechselvollen Zeiten der Geschichte
zu bewahren. Die dabei leitenden Intentionen sind eine missionarische (erste
Begegnung mit dem Evangelium) und eine mystagogische (vertieftes
Vertrautwer-den mit dem Evangelium).
(6.3.2) Es ist sinnvoll, im Blick
auf die Apostolische Sukzession einen materialen Aspekt (Gehalt) und einen
formalen Aspekt (Gestalt) zu unterscheiden. Der apostolische Glaube ist seinem
wesentlichen Gehalt nach das schriftgemäße Bekenntnis zur Heilsbedeutsamkeit
der Menschwerdung, des Lebens, des Todesleidens, der Auferweckung, der Erhöhung
des gekreuzigten Jesus Christus und der Sendung des Geistes Gottes, wie es die
urchristlichen Bekenntnisse erfassen. Die Gestalt der Sicherung der apostolischen
Ursprungstreue ist vielfältig; sie erschöpft sich nicht im Wirken des
apostolisch begründeten Amtes, das als solches grundsätzlich von allen
christlichen Traditionen anerkannt wird, sondern ist im umfassenden Horizont
der Liturgie, der Diakonie und des Zeugnisses in Wort und Tat der gesamten
Glaubensgemeinschaft zu betrachten. In vielen Dialogdokumenten ist zu lesen,
dass die kirchlichen Wege zur Sicherung der Kontinuität im Glauben der Apostel
vielgestaltig sind, und dass die Thematik der Apostolischen Sukzession im
Bischofsamt in diesem Gesamtzusammenhang zu behandeln ist.
(6.3.3) Die nach
römisch-katholischem Verständnis für die Gestalt des Amtes wesentliche
"suc-cessio personae" (Nachfolge durch amtlich berufene Menschen) steht
dann nicht im Gegensatz zu dem reformatorischen Verständnis der Sukzession als
"successio verbi" (Nachfolge in Treue zum Wort des Evangeliums), wenn das
im Kanon der Heiligen Schrift bewahrte apostolische Erbe als Grundlage und
kritisches Korrektiv für die Ausübung des Dienstes bestimmend ist.
47
(6.3.4) Die mit epikletischem
Gebet und Handauflegung geschehende (ordnungsgemäße) Amtsübertragung sichert
nicht unangefochten das Verbleiben einzelner ordinierter Menschen in der Treue
zum apostolischen Glauben. Traditionswahrung und amtliche Nachfolge können, wie
die Geschichte der Kirchen immer wieder zeigt, in erheblichen Konflikt geraten.
Die Handauflegung ist eine in der Tradition bewährte Zeichenhandlung für die
wirksame Bitte um Geistbegabung der Ordinierten, doch ein nur äußerlich
bleibender Ritus garantiert nicht die Wirksamkeit der mit dieser
Zeichenhandlung verbundenen Verheißung.
(6.3.5) Es erscheint unter
Beachtung pneumatologischer Aspekte theologisch angemessen, kirchliche Dienste
aufgrund ihrer offenkundigen Wirksamkeit in einem geistlichen Urteil als
geistgewirkt anzuerkennen. Eine solche Sichtweise richtet ihren Blick nicht
primär auf die Frage nach den historisch überlieferten Formen der Beauftragung
von Menschen mit dem Amt der Gemeindeleitung und dem Vorsitz der Eucharistie,
sie schaut vielmehr auf die in der jeweiligen, kulturell differenzierten
Erfahrungswelt erkennbare Fruchtbarkeit der kirchlichen Dienste und Ämter (via
empirica). Ein solcher Zugang zur Thematik argumentiert auf der Basis einer
transzendentalen Reflexion und erkennt die Bedingung der Möglichkeit der
Wirksamkeit amtlichen Handelns (Stärkung der österlichen Hoffnung; Tröstung der
Gewissen; Aufbau der Gemeinde; Ermutigung zur Diakonie im sozialen Kontext) im
Handeln Gottes in seinem Heiligen Geist durch die zum kirchlichen Dienst
berufenen Menschen.
(6.3.6) Eine Unterscheidung
zwischen dem Amt der Gemeindeleitung und dem Aufsichtsamt (Episkopd) kann sich
in ersten Ansätzen auf die spätneutestamentlichen biblischen Schriften stützen
und hat sich in der Geschichte der christlichen Glaubensgemeinschaften vielfach
bewährt. Überregionale Ämter sind in unterschiedlicher Weise (personal,
kollegial oder kommu-nial) und in variierender Begrifflichkeit (Bischof,
Präses, Kirchenpräsident, Superintendent etc.) in den einzelnen Kirchen bis
heute bewahrt worden. In vielen neueren ökumenischen Dokumenten richtet sich
die Aufmerksamkeit verstärkt auf eine gemeinsame Bestimmung der Ausübung der
Episkopd im Sinne der Wahrung des apostolischen Ursprungs der Kirche.
(6.4) Aus den gewonnenen
ökumenischen Konvergenzen sind Konsequenzen für die Praxis zu ziehen: Für eine
volle Abendmahls-/Eucharistiegemeinschaft zwischen römisch-katholischer Kirche
und evangelischen Kirchen ist nicht nur eine gegenseitige Anerkennung der Ämter
erforderlich, sondern auch eine Verständigung über die Frage, wie der
Zusammenhang zwischen Abendmahls-/Eucharistiegemeinschaft und
Kirchengemeinschaft zu verstehen ist und ob und
48
in welchem Umfang eine
Übereinstimmung in allen Fragen der Ordnung des Amtes für die
Kirchengemeinschaft nötig ist. Über viele Jahrhunderte sah die gemeinsame
katholische Tradition die Kirchenmitgliedschaft in der Taufe und im Glauben
begründet; die Bereitschaft zur Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom war dabei
vorausgesetzt. Eine Engführung der Bestimmung des "eigentlichen"
Kircheseins auf das exklusive Kriterium der apostolischen Sukzession im
Weihesakrament ist eine neuere Entwicklung in einzelnen römisch-katholischen
Lehrschreiben. Diese Begrifflichkeit und die dabei leitende theologische
Intention können sich nicht auf das 2. Vatikanische Konzil berufen. Wenngleich
eine Klärung dieser Frage in den ökumenischen Dialogen noch nicht erreicht
wurde, bestehen doch schon jetzt grundlegende amtstheologische
Übereinstimmungen. Die gemeinsamen Überzeugungen im Blick auf den Ursprung, die
Aufgabe, die Besonderheit und die Bedeutung des Amtes für die Einheit der
Kirche betreffen Grundbestimmungen der Apostolizität des kirchlichen Amtes. Sie
entkräften die evangelischen Bedenken gegenüber der römisch-katholischen Sicht
der Rolle des amtlichen Dienstes und erlauben der römisch-katholischen Seite zu
sehen, dass das an die Ordination gebundene Amt in den evangelischen Kirchen
dem Verbleiben in der apostolischen Tradition dient. Die Treue zum
apostolischen Ursprung wird in der Nachfolge Jesu Christi nicht von Menschen
garantiert, sie ist vielmehr eine Gabe des Geistes Gottes. Für den
neutesta-mentlichen Begriff des Apostolats ist es entscheidend wichtig, ob
Menschen als Zeuge und Zeugin für die Auferstehung Jesu Christi öffentlich
eintreten und damit Verantwortung für die Bildung und den Erhalt der
christlichen Gemeinde übernehmen. Da dies in der römisch-katholischen Kirche
sowie in den evangelischen Kirchen gewährleistet ist, steht der wechselseitigen
Anerkennung der Apostolizität der Dienstämter kein theologisches Argument
entgegen: Kirchliche Dienstämter wirken in der Kraft des Geistes Gottes durch
die Evangeliumsverkündigung in Wort und Sakrament; die erfahrbare, von der
Gemeinschaft der Getauften wahrnehmbare geistliche Wirksamkeit der Ämter
begründet das geistliche Urteil über die Valenz der Dienstämter.
49
7. Das Verhältnis zwischen
Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft
(7.1) Es besteht zwischen der
römisch-katholischen und der reformatorischen Theologie grundlegend Einigkeit
in der Annahme, dass die eucharistische Feier nicht nur eine Begegnung eines
einzelnen Menschen mit Jesus Christus ermöglicht, vielmehr die Liturgie von
Abend-mahl/Eucharistie eine Zeichenhandlung ist, bei der die Gemeinschaft der
versammelten Glaubenden des Grundes ihrer österlichen Existenz — in ihrer
Gemeinschaft untereinander in der Verbundenheit mit Jesus Christus —
vergewissert wird, indem sie auf Gottes Wort hört und Mahl miteinander feiert.
Den in allen konfessionellen Traditionen bestehenden Gefahren einer Verengung
der Perspektive auf die individuelle Teilhabe an der Eucharistie sind in den
Epochen der Kirchengeschichte einzelne Strömungen immer wieder erlegen. In
liturgischen Reformbewegungen wurde und wird der theologische Charakter der
eucharistischen Feier als einer von der Gemeinschaft der Christgläubigen
vollzogenen Danksagung für die von Gott geschenkte Versöhnung in der
Gemeinschaft der Christgläubigen vielfach angesprochen. In den ökumenischen
Dialogen stellt sich die Frage, welche Gestalt der Kirchengemeinschaft die
Voraussetzung für die eucharistische Mahlgemeinschaft ist: Reicht es aus, im
Bekenntnis zu Jesus Christus eins zu sein und im theologischen Verständnis der
liturgischen Handlung übereinzustimmen, oder bedarf es einer Einheit der
Kirchen auf institutioneller Ebene, um gemeinsam das Abendmahl/die Eucharistie
zu feiern? Auf diese Frage geben die evangelische und die römisch-katholische
Lehrtradition unterschiedliche Antworten.
(7.2) Gemeinsam lesen alle
christlichen Traditionen das Wort der Schrift und nehmen ernst, dass der
Begriff "koinonia" (Gemeinschaft) das Schlüsselwort der eucharistischen
Texte des Paulus ist. Denn dadurch, dass Jesus Christus Anteil an seinem Heil
schaffenden Leben und Sterben, seinem "Leib und Blut" gewährt, werden die
Glaubenden in die engste Lebensgemeinschaft mit ihm hineingenommen. Deswegen
ist für Paulus die aus dem Herrenmahl erwachsende koinonia nicht einfach
Teilhabe, sondern eben gemeinsame Teilhabe durch Teilgabe. Die gemeinsame
Teilhabe wird dort wirksam, wo sie aus den Teilhabenden Gemeinschaft werden
lässt. Die innere Verbindung der Gläubigen mit Christus und untereinander kommt
zum Ausdruck in dem Ineinander der drei Bedeutungen von "Leib Christi",
wie sie gerade für Paulus zentral ist: der Leib Jesu Christi am Kreuz als
Hingabe, der Leib Jesu Christi als Eucharistie, der Leib Jesu Christi als
Kirche. Die Teilhabe am eucharistischen Leib schließt den Zusammenhang mit dem
"Leib Christi" ein. Grundlegend ist der Text 1 Kor 10,16f: "Ist der
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Kelch des Segens, über den wir den
Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen,
nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib;
denn wir alle haben teil an dem einen Brot."
(7.3) Von ihren Anfängen an steht
die christliche Mahlgemeinschaft gleichzeitig vor zwei Herausforderungen —
Identität und Integration. Dort, wo Identität der Glaubenden in den
Anfangszeiten der Christenheit noch durch konkrete Abgrenzung nach außen
gewonnen werden muss, ist eine Öffnung der Grenzen schwer, ja geradezu
unmöglich (vgl. 1 Kor 8). Zum anderen aber sieht Paulus den Beginn einer neuen
universalen Gemeinschaft auf dem Fundament des Christusereignisses bereits
gegeben. Diese neue Gemeinschaft entwickelt eine universale Integrationskraft
(vgl. Gal 3,28) und diese zeigt sich insbesondere in der Feier des Herrenmahls.
Koinonia im paulinischen Sinne ist daher entweder Hineinnahme in Christi
Hingabe, eine Hineinnahme, die das Heilsereignis am Kreuz gegenwärtig und
erfahrbar für alle werden lässt, oder sie ist keine Gemeinschaft in Christus
(vgl. 1 Kor 11). Darum ist dort, wo die Grenzen überwindende Wirkung dieser
Feier durch die Missachtung der Armen verweigert wird, die Feier keine Feier des
Herrenmahls, sondern ein Essen und Trinken zum Gericht (vgl. 1 Kor
11,20.24.27.34).
(7.4) Es gibt in der
Theologiegeschichte eine Fülle an Belegen für eine theologische Begründung der
engen Verbindung zwischen der bestehenden Glaubensgemeinschaft und der
eucharistischen Gemeinschaft. Im Altertum stand dabei die Frage im Mittelpunkt,
ob die zur Eucharistie versammelte Gemeinde den wahren Glauben teilt, der bei
Konzilien als rechtmäßig anerkannt wurde. Schwere Verstöße gegen das in der
Taufe abgelegte Versprechen zu einem Leben im Geist Jesu Christi wurden mit dem
Ausschluss aus der eucharistischen Gemeinschaft geahndet; zur Wiederaufnahme in
die Gemeinde gab es ein geregeltes Verfahren. Mit dem Aufkommen der
individuellen Buße durch das persönliche Sündenbekenntnis vor berufenen
Beichtvätern verlor der Gemeinschaftssinn der liturgischen Feiern an Bedeutung.
Angesichts der im frühen Mittelalter beginnenden eucharistischen Frömmigkeit
durch die Betrachtung der gewandelten Hostie verwundert es nicht, dass der mit
der Mahlfeier verbundenen Aspekt der Gemeinschaftsbildung zunehmend in den
Hintergrund trat, auch wenn er auf der theologischen Ebene niemals explizit in
Frage gestellt worden ist. Nicht zuletzt angesichts der Ökumenischen Bewegung
kam es im 20. Jahrhundert zu einer Wiederentdeckung der gemeinschaftlichen
Grundstruktur jeder liturgischen Feier. Dazu haben die liturgischen Bewegungen
51
der evangelischen wie auch der
römisch-katholischen Kirche im 20. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag
geleistet.
(7.5) An der in der gesamten
Traditionsgeschichte verbürgten, inneren Verbundenheit von Christusereignis,
Abendmahl/Eucharistie und Gemeinschaft der Glaubenden hat auch Martin Luther
festgehalten, besonders deutlich in seinen Schriften aus den Jahren 1519 bis 1524.
In der Schrift "Ein Sermon von dem hochwürdigsten Sakrament des heiligen wahren
Leichnams Christi und von den Bruderschaften"wird in beispielhafter Weise
der Gemeinschaftscharakter der im Rechtfertigungsgeschehen vollzogenen "unio
cum Christo" im Bilde des Leibes Christi deutlich. Christus und die
Heiligen, im Sinne des Glaubensbekenntnisses als communio sanc-torum
verstanden, bilden "eynen geystlichen corper", in den der Empfang des
Sakramentes einverleibt (vgl. Vom Sakrament des Leichnams Christi: WA
2,743,7-30). Im Empfang des Sakraments wird der kommuniale Charakter des
"gnädigen Wechsels und Vormischung" (vgl. Vom Sakrament des Leichnams
Christi: WA 2,749,32) im Rechtfertigungsgeschehen und damit zugleich dessen
ekklesiale Dimension deutlich. Hierauf zielt auch Luthers Spitze gegen ein rein
subjektivistisches sowie ein verobjektivierendes Verständnis des Sakraments,
das auf eine fast magische Auffassung von der Verwandlung der Gaben blickt
(vgl. Vom Sakrament des Leichnams Christi: WA 2,749,36ff) und den eigentlichen
kommunialen Charakter des Geschehens vernachlässigt.
(7.6) Die Confessio Augustana
nimmt die von Luther vorgenommene Bestimmung der Kirche als die Gemeinschaft
der Glaubenden, die mit der Gemeinschaft der Heiligen im Apostolischen Glaubensbekenntnis
identifiziert wird, in den bekannten ekklesiologischen Artikeln 7 und 8 auf:
"die christliche Kirche" ist "nichts anderes ... als die Versammlung aller
Gläubigen und Heiligen" (CA 8). Die Gemeinschaft der Glaubenden ist dabei
ganz von dem bestimmt, was Gott durch Jesus Christus an ihr getan hat und durch
die Selbstvergegenwärtigung Jesu in der Kraft des Geistes im Vollzug des
Gottesdienstes an ihr tut. So ist die um Wort und Sakrament versammelte
Gemeinde nach evangelischer Auffassung zeichenhafte Darstellung der in Jesus
Christus mit Gott und untereinander versöhnten Gemeinschaft.
(7.7) Im 20. Jahrhundert haben in
der römisch-katholischen Kirche mehrere Strömungen das Anliegen vertreten, den
Geist der Gemeinschaft aller Glaubenden zu stärken: die Jugendbewegung, die
Liturgische Bewegung, die Una-Sancta-Bewegung und die Bibelbewegung. Die
52
wesentlichen Anliegen dieser
Initiativen haben Aufnahme in die Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils
gefunden. Mit dem Grundgedanken von Kirche als "Communio" (Gemeinschaft)
ist eine theologische Fundierung vorgenommen worden. Das 2. Vatikanische Konzil
benennt als diesen theologischen Grund die trinitarische Gemeinschaft Gottes
selbst (vgl. LG 4). Die Communio der Kirche wird sakramental grundgelegt, und
diese sakramentale Grundlegung im trinitarischen Heilshandeln Gottes entzieht
zugleich das einheits- und gemeinschaftsstiftende Geschehen menschlicher
Machbarkeit. Die Gemeinschaft der Kirche wird als solche nicht gemacht, sondern
geschenkt.
(7.8) Auf der Ebene der geltenden
Rechtsordnungen für die gemeinsame Feier von Abend-mahl/Eucharistie bestehen
Unterschiede: Die aus der Geschichte geerbte und durch die
Com-munio-Ekklesiologie des 2. Vatikanischen Konzils nochmals verstärkte enge
Verbindung von Eucharistie und Kirchengemeinschaft stellt vor ein Dilemma. Als
es im Konzil um die Verhältnisbestimmung von Kirchengemeinschaft und
Sakramentsempfang in ökumenischer Perspektive ging, hielten die versammelten
Konzilsväter zunächst fest, dass "die Gemeinschaft beim Gottesdienst nicht als
ein allgemein und ohne Unterscheidung gültiges Mittel zur Wiederherstellung der
Einheit der Christen" angesehen werden darf. Sie wenden diese Abgrenzung
aber sofort ins Positive, wenn sie zwei Prinzipien aufeinander beziehen: "die
Bezeugung der Einheit der Kirche und die Teilnahme an den Mitteln der
Gnade". Bei der Präsentation des Textes in der Konzilsaula wurden diese
als in einer dialektisch stehenden Beziehung erklärt. Das Konzil stellt fest:
"Die Bezeugung der Einheit verbietet in den meisten Fällen die
Gottesdienstgemeinschaft, die Sorge um die Gnade empfiehlt sie indessen in
manchen Fällen" (UR 8). Von diesem dialektischen Verständnis sind die
gesamte postkonziliare Lehrentwicklung und entsprechende Normen geprägt. Vor dem
Hintergrund der genannten Prinzipien werden unter Berücksichtigung situativ
gegebener oder biographisch wirksamer Faktoren die Zulassung zur vollen
Partizipation in der Eucharistischen Feier für Getaufte einer anderen
christlichen Konfession ermöglicht.
(7.9) Nach reformatorischer
Lehrtradition ist die in der Taufe gefeierte Zugehörigkeit zum Leib Christi ein
hinreichender Grund dafür, gemeinsam das Abendmahl/die Eucharistie zu feiern.
Da nicht kirchliche Amtsträger, vielmehr Jesus Christus selbst dazu auffordert,
das Gedächtnis seiner uns erlösenden Hingabe in der zum Mahl versammelten
Gemeinschaft zu feiern, soll nicht ausgeschlossen werden, wer sich durch
Glauben und Taufe zu Jesus Christus bekennt.
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Bei dieser offenen Einladung der
Getauften zum Abendmahl/zur Eucharistie ist der Charakter der liturgischen
Feier als Mahl in Gemeinschaft nicht aufgegeben, vielmehr werden die Grenzen
der Gemeinschaft anders bestimmt: Zur Gemeinschaft gehören alle Getauften,
insofern die Taufe die Zugehörigkeit zu Jesus Christus und die Gemeinschaft am
Leib Christi begründet.
(7.10) Die konfessionsverbindenden
Ehen und Familien sind ein Zeichen der Hoffnung für die Ökumene. Sie sind ein
Ort der konkreten pastoralen Bewährung der theologischen Grundprinzipien vor
den Herausforderungen unserer Zeit. Die in der Taufe begründete
Glaubensgemeinschaft wird in der Ehe bekräftigt und im Alltagsleben wirksam.
Frühe Zeugnisse der Tradition bezeichnen die eheliche Gemeinschaft als
"Hauskirche". Der ekklesiale Status der in dem gemeinsamen Glauben an
Jesus Christus begründeten Lebenspartnerschaft kann mit theologischen
Argumenten begründet werden.
(7.11) Die wechselseitige
Anerkennung der Taufe, wie sie 2007 in der "Magdeburger Erklärung"
ausgesprochen ist, impliziert ekklesiologische Konsequenzen und kann als
Teilschritt auf dem Weg zur Kirchengemeinschaft verstanden werden. Indem durch
den Vollzug der Taufe ihre Gliedschaft am Leib Christi begründet wird, sind die
Getauften in die Einheit mit Jesus Christus und darin in die Einheit mit seinem
Volk hineingenommen. Das "Grundeinverständnis über die Taufe" ist stärker
als die Unterschiede im Verständnis der Kirche. Analog ist zu sagen, dass
Abendmahl/Eucharistie mit Jesus Christus verbindet und dass die das Mahl
Feiernden mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte
vereint werden. Daher ist ernsthaft zu fragen, ob nicht das im Blick auf das
Abendmahl/die Eucharistie erkennbare gemeinsame "Grundeinverständnis" zur
gegenseitig ausgesprochenen Einladung berechtigt.
54
8. Votum für die Teilhabe an den
Feiern von Abendmahl/Eucharistie in Achtung der jeweiligen liturgischen
Traditionen
(8.1) Der Ökumenische Arbeitskreis
evangelischer und katholischer Theologen betrachtet die Praxis der
wechselseitigen Teilnahme an den Feiern von Abendmahl/Eucharistie in Achtung
der je anderen liturgischen Traditionen als theologisch begründet. Sie ist
insbesondere in der Situation konfessionsverbindender Familien pastoral
geboten. Sowohl im Blick auf den Einzelfall als auch auf die allgemeine Normgebung
darf sich niemand mit den bisherigen Lösungen zufriedengeben. Ein solches Votum
impliziert die Anerkennung der jeweiligen liturgischen Formen sowie der
Leitungsdienste, wie sie von der feiernden Gemeinde vorgesehen sind, die im
Namen Jesu Christi Getaufte anderer Konfessionen zur Mitfeier einlädt. Eine
aktuell jeweils vereinbarte neue Form der eucharistischen Liturgie jenseits der
historisch gewachsenen Traditionen ist mit diesem Votum nicht beabsichtigt. Es
wird bei der von uns vorgeschlagenen Praxis vorausgesetzt, dass die Taufe als
sakramentales Band des Glaubens und als notwendige Voraussetzung der Teilnahme
anerkannt ist. Unter dieser Voraussetzung können auch jene Autoritäten
respektiert werden, für die in der römisch-katholischen Liturgie gebetet wird
(namentlich die Ortsbischöfe und der Papst). Eine solche Praxis der Einladung
zu bereits gelebten Traditionen schließt ein, dass auf Zukunft hin die
ökumenischen Gespräche fortgeführt werden, um auch weiterhin Antworten auf die
Frage nach der Gestalt umfassender sichtbarer Einheit der Kirche Jesu Christi
in irdischer Zeit und in den Lebensräumen der Menschen zu suchen.
Wir stützen unser Votum auf
bibeltheologische, historische, systematisch-theologische und
praktisch-theologische Argumentationen, die hier zuvor ausführlich dargelegt
wurden. Folgende Überlegungen sind dabei leitend:
(8.2) Der Gehalt der Feiern von
Abendmahl/Eucharistie kann heute ökumenisch einvernehmlich beschrieben werden.
Ihr Grund und ihr Ziel sind identisch: Wir feiern in österlicher Hoffnung das
von Jesus Christus selbst gestiftete Gedächtnis seines erlösenden Lebens und
Sterbens für uns in einer liturgischen Handlung, in der seine Gegenwart in der
Kraft des Heiligen Geistes im verkündigten Wort und im Mahl erfahrbar und
wirksam wird. Deshalb stehen Jesu Worte zu Brot und Wein (verba testamenti) im
Zentrum der eucharistischen Liturgie: Christinnen und Christen verkünden den
Tod Jesu, sie glauben, dass er lebt und sie hoffen, dass er kommt zum Heil der
Welt. Die innere Bereitung der Glaubenden für die Feier des von Gott
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eröffneten Geheimnisses seines
versöhnenden Wesens in Umkehrbereitschaft und Bußfertigkeit ist ein
konstitutiver Bestandteil in allen konfessionellen Liturgien, auch wenn die
konkrete Gestaltung variiert.
(8.3) In vielen ökumenischen
Gesprächen ist die Erkenntnis vertieft worden, dass die unterschiedlichen
theologischen Inhalte und die unterschiedlichen Formen der liturgischen Feiern
von Abendmahl/Eucharistie einer wechselseitigen Partizipation an der Feier
dieses sakramen-talen Geheimnisses nicht im Wege stehen müssen. Lehramtliche
Texte in der römisch-katholischen Tradition führen die Trennung im
eucharistischen Mahl zumeist auf Differenzen im Verständnis der amtlichen
Leitung zurück. Diesbezüglich wird die Wahrung der Teilhabe an der
apostolischen Sendung angemahnt. Inzwischen konnte in zahlreichen nationalen
und internationalen ökumenischen Dialogen ein gemeinsames, differenziertes
Verständnis der Apostolischen Sukzession erreicht werden, das es ermöglicht,
das ordinationsgebundene Amt in seinen unterschiedlichen konfessionellen
Ausprägungen als apostolisch begründet zu erachten: Mit dem Begriff
"Apostel" werden in den neutestamtlichen Schriften nicht nur die zwölf
Jünger, sondern auch die Zeugen und Zeuginnen für den auferstandenen Christus
bezeichnet. Die Annahme einer ununterbrochenen Kette der Handauflegungen von
den Aposteln bis heute ist von Beginn an apologetisch motiviert und lässt sich
historisch nicht erweisen. Die Verbindung zwischen dem apostolischen Ursprung
und dem Glaubensleben der Gemeinden heute geschieht in der Kraft des Geistes
Gottes und wird durch sie gewahrt. Die Verbindung geschieht durch schriftgemäße
Verkündigung des Evangeliums in Wort und Sakrament kraft des Geistes Gottes.
Auch in der Gegenwart wird jedes kirchliche Amt daraufhin zu prüfen sein, ob
die Kriterien der verheißenen Geistwirkung bei der Ausübung des Dienstes
erfüllt sind: Die Gemeinde soll auferbaut und gefestigt werden, die Gewissen
sollen getröstet, die Notleidenden im Blick bleiben und die österliche Hoffnung
gestärkt werden. Es entspricht der gegenwärtigen ökumenischen Verständigung,
bei der Überprüfung dieser Kriterien dem übergemeindlichen Aufsichtsamt (der
Episkopä) — sei es personal, sei es presbyterial-synodal geordnet — besondere
Bedeutung zuzumessen. Die heute schon in der Ausbildung, der Förderung und
Unterscheidung der geistlichen Berufungen sowie bei der Amtsübertragung in der
Ordination unter Gebet und Handauflegung in der Ökumene geübte Sorgfalt zum
Schutz der Verkündigung des Evangeliums berechtigen zu dem Vertrauen, dass die
ökumenischen Partner sich bei den Ordnungen der Amtsübertragung ihrer
Verantwortung vor Gott bewusst sind.
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(8.4) Es ist ein Gebot der
ökumenischen Sensibilität, bei der Gestaltung der liturgischen Feiern so
weitgehend wie im Sinne der eigenen Tradition möglich, auf die Anliegen der
anderen Konfessionen Rücksicht zu nehmen. In diesem Zusammenhang können sich
die in den ökumenischen Gesprächen gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis
auswirken: Die beiden Mahlgesten, die Jesus gestiftet hat, sind als eine
ausdrucksstarke Doppelhandlung zu verstehen, durch die sein Bundeswille trotz
der Sünde der Menschen zur Darstellung kommt. Es entspricht dem Willen Jesu,
wenn alle das Mahl Feiernden das gebrochene Brot essen und aus dem einen Becher
trinken. Nach ökumenischer Überzeugung ist die Gegenwart Jesu Christi für die
Mahlgaben verheißen, solange ihr stiftungsgemäßer Gebrauch erkennbar ist; von
daher ist auch der sorgsame Umgang mit den Mahlgaben begründet. Einzelne
liturgische Gebete sind auf ihre Missverständlichkeit bezüglich des
Opferbegriffs hin zu prüfen; es darf nicht der Eindruck entstehen, als opfere
die Gemeinde Jesus Christus für Gott, denn es ist vielmehr Gott, der die Gaben
der Gemeinde — materiale wie geistige — würdigt, sie zur Feier der
Lebenspreisgabe Jesu Christi dienen zu lassen. In der Ökumene der Zukunft wird
es hilfreich sein, sich auf eine verbindliche Präzisierung zu verständigen und
sich auf bestimmte Grundregeln der liturgischen Praxis zu einigen.
(8.5) Viele getaufte Menschen sind
durch die eigene konfessionelle Tradition geprägt und deshalb kaum damit
vertraut, wie in anderen Kirchen Abendmahl/Eucharistie gefeiert wird. Die Feier
dieses Sakramentes kann nicht nur als ein Höhepunkt des Glaubenslebens bei
bereits bestehender Kirchengemeinschaft betrachtet werden. Die Erfahrung
spricht dafür, dass das Erleben eucharistischer Gemeinschaft in der Feier des
Abendmahls auch eine Quelle der Hoffnung auf dem Weg zu dem von Gott
gewünschten Ziel ist: der vollen sichtbaren Einheit der Kirche in der Gegenwart
des Reiches Gottes. Auf dem Weg dorthin können die in der Taufe sakramental
bereits verbundenen Menschen in der Feier des Mahls Kraft schöpfen für die
Bewährung ihres Lebensalltags sowie Ermutigung erfahren für den Dienst am
Nächsten in der Welt.