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CHRISTENTUM UND ISLAM (I)
A. Die
Dialogsituation der Gegenwart
I. Die Weltlage
1. Die
Bemühungen um Frieden in der Welt werden durch zahlreiche Konflikte behindert.
Einer dieser Konflikte besteht in feindseligen Haltungen und Akten der
islamischen Welt gegenüber westlichen Demokratien. Er manifestierte sich
besonders seit der iranischen Revolution von 1979 und führte zur Bildung
terroristischer Netzwerke (z.B. Al Kaida) und zu einer Reihe von Attentaten,
deren ungeheuerlichste die Zerstörung des Word Trade Center in New York mit
über 3000 Toten am 11. September 2001 war.
2. Die
Auffassung westlicher Politiker, dieser Konflikt könne durch politische Mittel
überwunden werden, trügt. Seine Wurzeln liegen im Gegensatz zwischen
Christentum und Islam. Beide Religionen beanspruchen, die einzig wahren zu
sein. Die islamischen Länder, die lange von der politischen, wissenschaftlichen
und technologischen Überlegenheit des Westens wie gebannt und in ihrem
Selbstverständnis erschüttert waren, sehen nun ihre Religion als die wahre
darin, daß sie bis heute unverbrüchlich an den Lehren des Koran festhalten,
während die christliche Religion in den westlichen Ländern ihre Bedeutung
weitgehend verloren habe und sich Unglaube und Sittenlosigkeit scheinbar
ungehindert ausbreiteten.
3. Konflikte
können nur durch Dialog und Verständigung vermindert und überwunden werden. Die
Betonung von Gemeinsamkeiten spielt dabei eine besondere Rolle. Gemeinsamkeiten
zwischen Christentum und Islam gibt es zweifellos viele. Als die beiden größten
Religionen in der Welt können sie durch geeignete Gespräche einen wesentlichen
Beitrag zum Weltfrieden leisten.
II. Katholische Kirche und Islam
1. Dem
Christentum gehören etwa zwei Milliarden Gläubige an. Es bildet keine Einheit,
da sich durch zwei Kirchenspaltungen Teilkirchen gebildet haben: die
griechisch-orthodoxe Kirche (ca. 300 Mill.), die reformatorischen Kirchen im
16. Jh. Zur katholischen Kirche bekannen sich 1,1 Milliarden Gläubige. Sie ist
geeint durch das oberste Amt des Papstes, der in Gemeinschaft mit den Bischöfen
verantwortlich ist für eine einheitliche Glaubens- und Sittenlehre.
2. Das 2.
Vatikanische Konzil (1962-1965) versuchte Antworten auf die Probleme der
modernen Welt zu geben (aggiornamento). Dazu gehört auch die Beziehung der
Kirche zu den nicht-christlichen Religionen. Das Konzilsdokument Nostra Aetate
behandelt auch das Verhältnis zum Islam:
Mit Hochachtung betrachtet die Kirche
auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich
seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der
zu den Menschen gesprochen hat. ... ermahnt die Heilige Synode alle, ..., sich
aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für
Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht
zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.
Diese
Formulierungen bieten eine geeignete Grundlage für einen fruchtbaren Dialog mit
dem Islam.
3. Papst
Johannes Paul II. setzte ein Zeichen für den interreligiösen Dialog, indem er im
Jahr 1986 Vertreter aller Religionen zu einem Gebetstreffen nach Assisisi
einlud. Mit Vertretern des Islam hatte der Papst mehrfachen Kontakt, zuletzt im
März 2002, als er die Omajaden Moschee in Damaskus besuchte.
4. Zum
Islam bekennen sich etwas 800 Millionen Gläubige, die sich hauptsächlich in
Sunniten (80%) und Schiiten (10-15%). Keine der beiden besitzt jedoch ein
geistliches Oberhaupt, was einen verbindlichen Dialog zwischen Christentum und
Islam erschwert.
5. In
seiner Regensburger Rede vom 12.9.2006 plädierte Papst Benedikt XVI. für eine
Ausweitung des Vernunftbegriffs auf den christlichen Glauben, der ihm durch die
Aufklärung genommen worden war. Aus den Bemerkungen, die er dabei über den
Islam machte, ließen sich zwei kritische Einwände erkennen: Erstens, der Islam lehre
keine konsequente Gewaltlosigkeit, zweitens, im Gottesbegriff des Islam gebe es
keine Analogie zwischen menschlicher und göttlicher Vernunft. Daraufhin
verfaßten und unterzeichneten 38 islamische Geistliche und Gelehrte aus der
ganzen Welt ein Schreiben an den Papst, in dem sie in höflicher und
kultivierter Form dessen Einwände zurückwiesen, gleichzeitig aber den Weg des
friedlichen Dialogs zwischen beiden Religionen als unverzichtbar bezeichneten.
Kommentatoren würdigten dieses Schreiben an den Papst als ein Zeichen, das
radikale Kräfte des Islam nicht ignorieren könnten.
Erstellt: Dezember 2006