Maria
spricht über die Zusammenhänge zwischen ihrer gelobten Jungfräulichkeit und
ihrer Erwählung zur Mutterschaft
Kap.25
«Als ich die Aufgabe verstand, zu der Gott mich berufen
hatte, war ich von Freude
erfüllt. Mein Herz öffnete sich wie eine verschlossene
Lilie, und aus ihm ergoß sich das Blut, das den Grund und Boden für den Keim
des Herrn bildete.
Welch eine Freude, Mutter zu sein!
Ich hatte mich seit frühester Jugend Gott geweiht, denn
das Licht des Allerhöchsten hatte mich erleuchtet über den Ursprung des Bösen
in der Welt. Daher wollte ich, sofern dies in meiner Macht lag, in mir die Spur
Satans auslöschen. Ich
wußte nicht, daß ich ohne Makel war.
Ich konnte nicht auf den Gedanken kommen, es zu sein. Allein schon der Gedanke
daran wäre Anmaßung und Hochmut gewesen; denn, da ich von menschlichen Eltern
geboren war, konnte ich mir nicht vorstellen, daß gerade ich die Auserwählte,
die "Makellose" sein sollte. Der Geist Gottes hatte mich unterrichtet
vom Schmerz Gottvaters über die Verdorbenheit Evas, die sich, obwohl Geschöpf
der Gnade, auf das Niveau eines niedrigeren Wesens erniedrigte. Ich hatte die
Absicht, diesen Schmerz zu lindern, indem ich mein Fleisch zu engelhafter
Reinheit zurückführte und mich unberührt bewahrte vor Gedanken, Wünschen und
menschlichen Beziehungen. Nur ihm sollte der Pulsschlag meiner Liebe gelten,
nur ihm mein ganzes Wesen angehören. Wenn auch in mir keine Fleischeslust brannte, so war es
doch ein Opfer für mich, nicht Mutter zu werden.
Auch Eva hatte der Schöpfervater eine Mutterschaft
zugedacht, frei von all dem, was sie heute erniedrigt; eine süße, reine
Mutterschaft, ohne die Last des Sinnlichen. Ich habe sie erfahren. Wieviel hat
Eva verloren durch den Verzicht auf diesen Reichtum! Es war mehr als der
Verzicht auf die Unsterblichkeit. Das soll dir nicht als eine Übertreibung
erscheinen. Mein Jesus, und mit ihm ich selbst, seine Mutter: wir haben die
Todesnot kennengelernt. Ich die sanfte Mattigkeit der müde Einschlafenden, er
die bittere Todesnot nach seiner Verurteilung. Auch an uns ist der Tod
herangetreten. Aber die Mutterschaft
ohne jegliche Entweihung ist mir, der neuen Eva, allein zuteil geworden, damit
ich der Welt sagen konnte, welch süße Freude das Los der Frau gewesen ist, die
ohne die Schmerzen des Fleisches Mutter wurde. Das Verlangen nach dieser reinen
Mutterschaft durfte auch in der ganz gotthingegebenen Jungfrau bestehen, denn
sie ist der Ruhm der Frau.
Wenn ihr nun bedenkt, in
welch hohen Ehren die Frau als Mutter bei den Israeliten stand, dann werdet ihr
noch besser verstehen, welch ein Opfer ich bringen mußte, als ich diesen
Verzicht auf mich nahm.
Nun hat die ewige Güte mir dieses Geschenk gegeben, ohne mir den Glanz zu
nehmen, mit dem ich bekleidet war, um Blume an seinem Thron zu sein. Darum
jubiliere ich in doppelter Freude, Mutter eines Menschen und Mutter eines
Gottes zu sein.
Welch eine Freude, daß durch mich der Friede zwischen
Himmel und Erde wiederhergestellt wurde.
Oh! Stets hatte ich diesen Frieden aus Liebe zu Gott und
dem Nächsten ersehnt, und nun durfte ich wissen, daß er durch mich selbst, der
armen Magd des Allmächtigen, der Welt geschenkt wurde! Nun konnte ich sagen:
"Oh, ihr Menschen, weint nicht mehr! Ich trage in mir das Geheimnis, das
euch glücklich machen wird. Ich kann es euch nicht sagen, denn es ist in mir
versiegelt, in meinem Herzen, so wie der Sohn im unversehrten Schoß
eingeschlossen ist. Aber schon bringe ich ihn unter euch, und nach jeder verflossenen
Stunde ist der Augenblick näher, da ihr ihn sehen und seinen Namen kennenlernen
werdet."
Welch eine Freude, Gott glücklich gemacht zu haben: die
Freude der Glaubenden an ihrem glücklichgemachten Gott!...
Oh! Vom Herzen Gottes die Bitterkeit über den Ungehorsam
Evas genommen zu haben! Die Bitterkeit über ihren Hochmut und ihren Unglauben!
Mein Jesus hat mir erklärt, mit welcher Schuld sich das erste Elternpaar
befleckte. Ich habe diese Schuld getilgt, indem ich die Stufen ihres Abstieges
wieder hinaufstieg.
Der erste Schritt zur Schuld war der Ungehorsam: "Eßt
nicht und berührt nichts von diesem Baum!", hatte Gott gesagt. Und der
Mann und die Frau, die Könige der Schöpfung, die alles berühren und genießen
durften mit dieser Ausnahme, weil Gott wollte, daß lediglich die Engel über
ihnen stehen – sie achteten nicht auf dieses Verbot.
Die Pflanze war das Mittel, den Gehorsam der Kinder zu
prüfen. Was ist der Gehorsam den göttlichen Gesetzen gegenüber? Etwas Gutes,
denn Gott befiehlt nur das Gute. Was ist der Ungehorsam? Er ist böse, denn er
versetzt den Geist in den Zustand der Auflehnung, in welchem Satan wirken kann.
Eva geht zur Pflanze, von der ihr Wohl abhängt: entweder
sie geht ihr aus dem Weg oder sie handelt gegen die klare Vorschrift Gottes.
Sie läßt sich leiten von der kindlichen Neugierde, sie will sehen, was sie
Besonderes auf sich habe; sie läßt sich leiten von ihrer Unklugheit, die ihr
das Gebot Gottes unnötig erscheinen läßt, da sie ja stark und rein ist, die
Königin des Eden, wo alles ihr gehorcht und ihr nichts Übles zustoßen kann.
Ihre Überheblichkeit wird ihr zum Verderben. Überheblichkeit ist schon
Sauerteig des Hochmuts.
Bei der Pflanze findet sie den Verführer, der ihrer
Unerfahrenheit, ihrer jungfräulichen, so wunderbaren Unerfahrenheit, das Lied
der Lüge singt. "Du glaubst, hier sei etwas Schlechtes? Nein! Gott hat dir
das gesagt, weil er euch als Sklaven halten will. Glaubt ihr, Könige zu sein?
Ihr seid nicht einmal so frei wie das wilde Tier. Ihm ist es erlaubt, sich in
wahrer Liebe zu lieben. Euch nicht! Ihm wird es gewährt, Schöpfer zu sein wie
Gott. Das Tier kann Junge zeugen und sieht seine Familie beliebig anwachsen.
Ihr nicht! Euch wird diese Freude versagt. Wozu also hat er euch als Mann und
Frau erschaffen, wenn ihr in dieser Weise leben müßt? Seid Götter! Ihr wißt
nicht, welche Freude es ist, wenn zwei im Fleisch eins werden und dadurch einen
Dritten zeugen! Glaubt den Versprechungen Gottes nicht; glaubt nicht, daß ihr
das Glück der Nachkommenschaft haben werdet und sehen werdet, wie eure Kinder
neue Familien gründen und Vater und Mutter um ihretwegen verlassen. Er hat euch
nur ein Scheinleben gegeben: das wahre Leben besteht darin, die Gesetze des
Lebens zu kennen; das macht euch zu Göttern, und ihr könnt zu Gott sagen: 'Wir
sind deinesgleichen'."
Und die Verführung geht weiter; denn es war kein Wille da,
sie abzuweisen; vielmehr war der Wille da, ihr weiter zu folgen und das
kennenzulernen, was der Mensch nicht wissen sollte. So wird der verbotene Baum
für das Menschengeschlecht wirklich todbringend; denn an seinen Zweigen hängt
die bittere Frucht des Wissens, das von Satan kommt. Und die Frau wird zum
Weib, und mit dem Sauerteig des satanischen Wissens im Herzen geht sie hin, um
Adam zu verführen. So ward das Fleisch erniedrigt, der Charakter verdorben, der
Geist entehrt. Sie lernten den Schmerz und den Tod des der Gnade beraubten
Geistes kennen und den Tod des der Unsterblichkeit beraubten Fleisches. Und die
Wunde Evas gebar das Leiden, und sie wird nicht heilen, bevor nicht das letzte
Paar auf Erden gestorben ist.
Ich habe die Wege der beiden Sünder rückwärts durchlaufen:
ich habe gehorcht, in jeder Beziehung gehorcht. Ich habe die Jungfräulichkeit
geliebt, die mich gleichmachte der Reinheit der Stammutter, bevor sie Satan
kannte. Gott verlangte von mir, Braut zu werden. ich habe gehorcht, indem ich
die Ehe zu dem Grad der Reinheit erhob, den sie im Gedanken Gottes hatte, als
er die Stammeltern schuf. Ich war überzeugt, zur Einsamkeit im Ehestand
bestimmt zu sein und zur Verachtung durch die Menschen wegen meiner heiligen
Kinderlosigkeit. Da forderte Gott von mir, Mutter zu werden. Ich gehorchte. Ich
habe geglaubt, daß es möglich sei und daß dieses Wort von Gott komme, weil sich
in mir Friede ausbreitete, als ich es hörte.
Ich habe nicht gedacht: "Das habe ich verdient."
Ich habe mir nicht gesagt: "Jetzt wird die Welt mich bewundern, denn ich
bin Gott ähnlich, weil ich das Fleisch Gottes gebären werde." Nein, ich
habe mich selbst vernichtet in der Demut. Die Freude ist in meinem Herzen
aufgeblüht wie ein blühender Rosenstock. Aber er zierte sich sofort mit spitzen
Dornen und wurde eingezwängt in das Gewirr des Schmerzes, wie Zweige, die
umringt sind von den Schlingen der Zaunwinde. Schmerz über den Schmerz des
Bräutigams: sieh, das war die Bedrängnis in meiner Freude. Schmerz über die
Schmerzen meines Sohnes: sieh, die Dornen meiner Freude. Eva wollte das
Vergnügen, den Triumph, die Freiheit. Ich nahm den Schmerz, die Vernichtung,
die Sklaverei an. Ich verzichtete auf ein stilles Leben, auf die Achtung von
seiten meines Bräutigams, auf meine eigene Freiheit. Ich hielt nichts für mich
zurück.
Ich wurde die Magd Gottes im Fleisch, im sittlichen
Verhalten, im Geist, indem ich mich ihm nicht nur in der jungfräulichen
Empfängnis anvertraute, sondern auch in der Verteidigung meiner Ehre, in der
Tröstung meines Bräutigams und in der Suche nach einem Mittel, um auch ihn an
der Heiligung der Ehe teilhaftig werden zu lassen und aus uns jene zu machen,
die dem Mann und der Frau die verlorene Würde wiedergeben. Ich nahm den Willen
des Herrn an für mich, für meinen Bräutigam und für mein Kind. Ich sagte ja für
alle drei, sicher, daß Gott seine Versprechen nicht Lügen strafen würde: er
hatte mir beigestanden in meinem Schmerz als Braut, die sich als schuldig
verurteilt sah; in meinem Schmerz als Mutter, die sich erwählt wußte, einen
Sohn zu gebären, um ihn den Schmerzen auszuliefern.
"Ja", habe ich gesagt. Ja, und das genügte.
Dieses Ja hat das Nein Evas gegenüber dem Gebot Gottes aufgehoben. Ja, Herr,
wie du willst. Du wirst mir deinen Willen mitteilen. Ich werde leben, wie du
willst. Ich werde mich freuen, wenn du es willst. Ich werde leiden, wofür du
willst. Ja, immer ja, mein Herr, vom Augenblick an, in dem dein Strahl mich zur
Mutter machte bis zu dem Augenblick, in dem du mich zu dir riefst. Ja, immer
ja! Alle guten Eigenschaften des Fleisches, alle guten Sitten hatten in meinem
"Ja" ein unüberbietbares gutes Beispiel. Und darüber, wie auf einem
Sockel aus Diamanten, erhebt sich mein Geist, dem zwar die Flügel fehlen, um zu
dir zu fliegen, der aber der Herr seines ganzen Ichs und dein Knecht ist.
Knecht in der Freude, Knecht im Schmerz. Aber lächle, o Gott! Und sei
glücklich! Die Schuld ist besiegt. Sie ist überwunden, sie ist zerstört. Sie
liegt unter meiner Ferse, sie ist gewaschen mit meinen Tränen, zerstört von
meinem Gehorsam. Aus meinem Schoß wird der neue Baum entspringen, der die
Frucht trägt, die alles Böse kennenlernen wird, weil sie es selbst durchleiden muß,
und alles Gute bringen wird. Zu ihr werden die Menschen kommen können, und ich
werde glücklich sein, wenn sie sie pflücken, auch ohne daran zu denken, daß sie
von mir geboren wurde. Wenn nur der Mensch gerettet und Gott geliebt wird! Es
geschehe seiner Magd das, was mit der Scholle geschieht, aus der ein Baum
wächst: eine Stufe, um aufzusteigen.»
Ein Unterkommentar:
Maria: «Man muß immer Stufe sein, um andere
zu Gott emporsteigen zu lassen. Wenn sie uns auch treten, es macht nichts. Wenn
es ihnen nur gelingt, zum Kreuz zu gelangen. Es ist der neue Baum, der die
Frucht der Erkenntnis des Guten und des Bösen trägt; denn es sagt dem Menschen,
was böse ist und was gut ist, damit er wählen und leben kann, und lehrt ihn zu
gleicher Zeit, aus sich einen Saft zu bilden, mit dem er alle die zu heilen
vermag, die sich in der Berührung mit dem Bösen vergiftet haben.
Möge unser Herz unter die Füße der Menschen
geraten, wenn nur die Zahl der Erlösten wächst und das Blut meines Jesu nicht
vergeblich vergossen worden ist! Das ist das Los der Magd Gottes. Aber dann
dürfen wir im Kreis der Gläubigen die heilige Hostie empfangen und zu Füßen des
Kreuzes, benetzt von seinem Blut und von unseren Tränen, sagen: "Sieh, o
Vater, die unbefleckte Hostie, die wir dir aufopfern für das Heil der Welt.
Blicke auf uns, o Vater, die wir verbunden sind mit ihm, und aufgrund seiner
unendlichen Verdienste gib uns deinen Segen!"