Das Lehrbeispiel vom törichten Bauern und seiner reichen Ernte

aus Kap.319: 2. Lehrjahr, etwa Ende September

Der Bittsteller

Das Gleichnis

Demut gegenüber eigener Schwachheit

Jesus befindet sich auf einem Hügel am westlichen Ufer des Sees. Vor seinen Augen breiten sich die Städte und Dörfer der beiden Ufer aus, doch direkt am Fuß seines Hügels liegen Magdala und Tiberias. Ersteres hat ein ganz in Gärten verstecktes Luxusviertel, das von den armen Häusern der Fischer, Bauern und einfachen Leute durch einen zurzeit ausgetrockneten Bach getrennt ist; die andere Stadt, in all ihren Teilen herrlich, kennt weder Armut noch Verfall und erstrahlt schön und neu am See in der Sonne. Zwischen der einen und der anderen Stadt die wenigen, aber wohlgepflegten Gärten in der kleinen Ebene, dann, an den Hängen bis zu den Kuppen der Hügel, die Olivenhaine. Hinter dem Rücken Jesu sieht man den Sattel des Berges der Seligpreisungen, an dessen Fuß sich die Hauptstraße hinzieht, die vom Mittelmeer nach Tiberias führt. Vielleicht hat Jesus diese Stelle wegen der Nähe der sehr belebten Straße ausgewählt, auf der die Menschen von vielen Orten am See oder vom Inneren Galiläas kommen und am Abend auch leicht nach Hause zurückkehren oder eines der Dörfer erreichen können, um Unterkunft zu finden. Es ist hier nicht so heiß wegen der Höhenlage und der großen Bäume, die auf dem Gipfel die Ölbäume ablösen.

Tatsächlich hat sich schon viel Volk zu den Aposteln und Jüngern gesellt. Menschen, die gekommen sind, um Jesus um Gesundheit oder Rat zu bitten. Leute, die aus Neugierde gekommen oder weil sie von Freunden eingeladen worden sind. Eine große Volksmenge also. Die Jahreszeit, die nicht mehr so heiß ist, sondern schon zur herbstlichen Milde neigt, lädt mehr denn je dazu ein, Jesus aufzusuchen.

Jesus hat schon Kranke geheilt und zu den Menschen gesprochen, gewiß über den ungerechten Reichtum und die Loslösung von diesem, die notwendig ist für alle, um sich den Himmel zu verdienen, aber unerläßlich für jene, die Jesu Jünger sein wollen. Und nun antwortet er auf die Fragen des einen oder anderen reichen Jüngers, die darüber ein wenig beunruhigt sind.

Der Schriftgelehrte Johannes sagt: «Muß ich also vernichten, was ich habe, und die Meinen des ihrigen entledigen?»

«Nein! Gott hat dir Besitz gegeben. Mache ihn der Gerechtigkeit dienstbar und bediene dich seiner mit Redlichkeit. Das heißt: erhalte mit dem Besitz deine Familie, das ist Pflicht; behandle die Diener menschlich, das ist Liebe; tue den Armen Gutes und komme den armen Jüngern zu Hilfe. So werden dir deine Besitztümer nicht ein Hindernis, sondern eine Hilfe sein.»

Darauf wendet Jesus sich an alle: «Wahrlich, ich sage euch, daß selbst der ärmste Jünger Gefahr läuft, den Himmel zu verlieren, wenn er mein Priester geworden ist und aus Liebe zu den Reichtümern gegen die Gerechtigkeit fehlt, indem er mit den Reichen gemeinsame Sache macht. Wer reich oder böse ist, wird oft versuchen, euch mit Geschenken zu verlocken, um eure Zustimmung für seine Lebensweise und seine Sünde zu erhalten. Es wird auch unter meinen Jüngern geschehen, daß sie der Versuchung, Geschenke anzunehmen, erliegen. Das darf nicht sein! Der Täufer lehrt es euch! Wahrlich, ohne Richter zu sein, war er ein vollkommener Richter und Lehrer gemäß dem Deuteronomium: "Du sollst keine persönliche Rücksicht und keine Geschenke nehmen, denn sie blenden die Augen der Weisen und verdrehen die Worte der Gerechten." Zu oft läßt der Träger des Schwertes der Gerechtigkeit die Klinge stumpf werden durch das Gold, das ein Sünder ihm daraufschüttet.

Nein, das darf nicht sein! Versteht es, arm zu sein, seid bereit zu sterben, aber schließt nie ein Bündnis mit der Sünde. Nicht einmal mit der Entschuldigung, das Gold für die Armen zu verwenden. Es ist verfluchtes Gold und würde ihnen nur schaden. Es ist das Gold eines üblen Kompromisses.

Ihr seid als Jünger bestellt, Lehrer, Ärzte und Erlöser zu sein. Was würde aus euch werden, wenn ihr aus Eigennutz Mitläufer des Bösen würdet? Meister der schlechten Wissenschaft, Ärzte, die den Kranken töten; nicht Retter, sondern Mitschuldige am Verderben der Seelen.»

Einer aus der Menge tritt vor und sagt: «Ich bin kein Jünger. Aber ich bewundere dich. Antworte mir daher auf diese Frage: Ist es erlaubt, daß einer dem anderen Geld vorenthält?»

«Nein, Mann! Das ist Diebstahl, genauso, wie wenn jemand einem Vorübergehenden die Tasche nimmt.»

«Auch wenn das Geld der Familie gehört?»

«Auch dann! Es ist ungerecht, wenn einer sich das Geld aller anderen aneignet.»

«Dann komm auf dem Weg nach Damaskus nach Abelmain, Meister, und befiehl meinem Bruder, mir meinen Anteil am Erbe des verstorbenen Vaters zu geben, der kein Testament hinterlassen hat. Mein Bruder hat alles an sich genommen. Es ist bekannt, daß wir Zwillinge der ersten und einzigen Geburt sind. Ich habe also die gleichen Rechte wie er.»

Jesus schaut ihn an und sagt: «Das ist eine peinliche Angelegenheit, und dein Bruder handelt sicher nicht recht. Alles, was ich tun kann, ist, für dich und mehr noch für ihn beten, damit er sich bekehre, und in dein Dorf kommen, dort predigen und dadurch sein Herz rühren. Ich scheue den Weg nicht, wenn ich den Frieden unter euch wiederherstellen kann.»

Der Mann fährt giftig auf: «Was soll ich mit deinen Worten anfangen? In diesem Fall braucht es anderes als Worte.»

«Aber hast du mich nicht gebeten, deinem Bruder zu befehlen ...»

«Befehlen ist nicht dasselbe wie predigen. Der Befehl ist immer mit einer Drohung verbunden. Drohe ihm, daß du ihn schlägst, wenn er mir nicht das Meine gibt. Du kannst es tun. Wie du Gesundheit schenkst, so kannst du auch Krankheiten geben.»

«Mann, ich bin gekommen, um zu bekehren, nicht um zu schlagen. Aber wenn du Vertrauen in meine Worte hast, wirst du Frieden finden.»

«Welche Worte?»

«Ich habe dir gesagt, daß ich für dich und deinen Bruder beten werde, damit du getröstet wirst, und er sich bekehrt.»

«Märchen! Geschichten! Ich bin nicht so dumm, an sie zu glauben. Komm und befiehl.»

Jesus, der sanft und geduldig war, wird nun machtvoll und streng. Er richtet sich auf, während er sich bisher ein wenig über das korpulente und zornige Männlein geneigt hat, und sagt: «Wer hat mich zum Schiedsrichter zwischen euch bestellt? Niemand! Aber um diesen Zwist zwischen zwei Brüdern zu beheben, war ich bereit zu kommen und meine Mission als Friedensstifter und Erlöser auszuüben, und wenn du an meine Worte geglaubt hättest, hättest du bei deiner Rückkehr nach Abelmain deinen Bruder schon bekehrt vorgefunden. Du kannst nicht glauben. Und so wirst du das Wunder nicht erlangen. Wenn es dir gelungen wäre, dich dieses Schatzes zu bemächtigen, dann hättest du ihn behalten und deinen Bruder leer ausgehen lassen; denn wahrlich, so wie ihr als Zwillinge geboren seid, so habt ihr auch die gleichen Leidenschaften, und du hast, wie dein Bruder, nur eine Liebe: das Gold, und einen Glauben: das Gold. Bleib also bei deinem Glauben. Leb wohl!»

Der Mann geht fluchend davon, ein Ärgernis für die anderen, die ihn bestrafen möchten. Doch Jesus hält sie zurück und sagt: «Laßt ihn gehen. Warum wollt ihr euch die Hände beschmutzen, indem ihr einen groben Menschen schlagt? Ich verzeihe ihm, denn er ist vom Dämon des Goldes besessen, der ihn verführt. Macht es mir nach! Wir wollen für diesen Unglücklichen beten, damit er wieder ein Mensch mit einer schönen, freien Seele wird.»

«Es ist wahr: auch sein Gesichtsausdruck ist durch seine Habgier ganz abscheulich geworden. Hast du ihn gesehen?» fragen sich die Jünger und die Leute, die in der Nähe stehen, gegenseitig.

«Es ist wahr! Es ist wahr! Er ist ein ganz anderer geworden.»

«Ja. Als er den Meister zurückwies, hätte er ihn beinahe geschlagen, während er ihn beschimpfte, und nahm den Gesichtsausdruck eines Dämons an.»

«Ein teuflischer Verführer. Er wollte den Meister zu einer Schlechtigkeit verführen ...»

«Hört», sagt Jesus. «Tatsächlich spiegelt sich der Seelenzustand eines Menschen in seinem Antlitz wieder. Es ist, als ob der Dämon sich im Äußeren des von ihm besessenen Menschen zeigte. Es gibt nur wenige von Dämonen besessene Menschen, die sich nicht durch ihre Werke und durch ihr Aussehen als das verraten, was sie sind. Und diese wenigen sind die vollkommen Bösen und vollkommen Besessenen.

Das Gesicht des Gerechten hingegen ist immer schön, selbst wenn seine Züge entstellt sind, denn es ist schön durch eine übernatürliche Schönheit, die sich vom Innern auf das Äußere überträgt. Nicht nur gewissermaßen, sondern tatsächlich können wir beobachten, wie dem von Lastern Unberührten auch Frische des Fleisches eigen ist. Die Seele ist in uns und durchdringt uns ganz. Die Fäulnis einer verkommenen Seele aber verdirbt auch das Fleisch, während die Düfte einer reinen Seele es schützen. Die verdorbene Seele treibt das Fleisch zu wüsten Sünden an, und diese machen alt und entstellen. Die reine Seele fordert das Fleisch zu einem reinen Leben auf, und so bewahrt es seine Frische und strahlt Würde aus.

Sorgt dafür, daß in euch die reine Jugend des Geistes erhalten bleibt oder daß ihr sie wiedererlangt, wenn sie verlorengegangen ist, und hütet euch vor jeder Begehrlichkeit der Sinne oder der Macht. Das Leben des Menschen hängt nicht vom Überfluß der Güter ab, die er besitzt, und weder das irdische noch das andere Leben, das ewige, hängt davon ab! Es hängt ab von der Lebensweise. Und mit dem Leben das Glück dieser Erde und des Himmels. Denn der Lasterhafte ist nie wirklich glücklich, während den Tugendhaften immer eine himmlische Freude erfüllt, auch wenn er arm und einsam ist. Nicht einmal der Tod beeindruckt ihn. Denn weder Sünden noch Gewissensbisse lassen ihn die Begegnung mit Gott fürchten; er trauert dem nicht nach, was er zurücklassen muß. Er weiß, daß sein Schatz im Himmel ist, und er geht wie einer, der von seinem Erbe, dem heiligen Erbe, Besitz ergreifen will, ruhig und froh dem Tod entgegen, der ihm die Tore öffnet zum Reich, wo sein Schatz ist.

Bereitet jetzt euren Schatz vor. Beginnt schon in der Jugend, ihr, die ihr noch jung seid; arbeitet unablässig, ihr Älteren, die ihr wegen eures Alters dem Tod näher seid. Und da ihr nicht wißt, wann ihr diese Welt verlaßt und der Jüngling oft vor dem Greis stirbt, verschiebt diese Arbeit nicht und schafft euch einen Schatz an Tugenden und guten Werken für das andere Leben, damit euch nicht der Tod ereilt, bevor ihr einen Schatz an Verdiensten im Himmel habt. Viele sagen: "Oh, ich bin noch jung und stark! Jetzt will ich mein Leben genießen, später will ich mich bekehren!" Großer Irrtum!

Hört dieses Gleichnis. Einem reichen Mann haben seine Ländereien eine reichliche Ernte gebracht. Wirklich eine wunderbare Ernte. Er betrachtet glücklich all seinen Reichtum, der sich in Hülle und Fülle auf seinen Feldern und seinen Tennen anhäuft; und da er keinen Platz mehr in den Scheunen hat, um ihn unterzubringen, benützt er sogar die Räume seines Hauses. Dann sagt er zu sich: "Ich habe gearbeitet wie ein Sklave, aber die Erde hat mich nicht enttäuscht. Ich habe für zehn Ernten gearbeitet, und jetzt will ich mich entsprechend ausruhen. Wie kann ich alles unterbringen? Ich will nichts verkaufen, denn ich wäre dann gezwungen, wieder zu arbeiten für eine neue Ernte im nächsten Jahre. Ich mache es so: Ich will meine Scheunen abreißen und größere bauen, in denen meine ganze Ernte, und was ich besitze, Platz hat. Dann will ich zu meiner Seele sagen: 'O meine Seele! Du hast nun Vorrat für viele Jahre. Ruhe dich aus, iß und trink und laß es dir gut gehen."' Dieser Mann verwechselt wie so viele andere den Körper mit der Seele und vermischt das Heilige mit dem Unheiligen, denn wahrlich, in der Schwelgerei und im Müßiggang erfreut sich die Seele nicht, sondern sie verkümmert; so ruht er sich wie viele andere nach der ersten großen Ernte auf den Feldern des Guten aus, da ihm scheint, daß schon alles getan ist.

Wißt ihr denn nicht, daß man, wenn man die Hand an den Pflug gelegt hat, durchhalten muß, zehn oder hundert Jahre, solange das Leben dauert; denn Aufhören ist ein Verbrechen gegen sich selbst, durch das man die Erlangung einer größeren Herrlichkeit unmöglich macht; es ist ein Rückschritt, denn wer beim Durchschnittlichen stehenbleibt, kommt nicht nur nicht mehr vorwärts, er geht vielmehr rückwärts. Der Schatz des Himmels muß sich von Jahr zu Jahr vermehren, um Wert zu haben. Denn, wenn die Barmherzigkeit auch mit dem gütig sein wird, der nur wenige Jahre Zeit hatte, so ist sie nicht Helfershelfer der Trägen, die viele Jahre haben und wenig tun. Es ist ein Schatz, der ständig anwachsen muß, sonst ist er kein gewinnbringendes, sondern totes Kapital, und dies auf Kosten des im Himmel wartenden Friedens. Gott sagte zum Törichten:

"Du törichter Mensch, der du den Körper und die irdischen Güter mit dem, was Geist ist, verwechselst und die Gnade Gottes in Schlechtes verkehrst, wisse, daß noch heute nacht deine Seele von dir gefordert werden und der Körper leblos zurückbleiben kann. Was du vorbereitet hast, wem wird es gehören? Kannst du es mitnehmen? Du wirst ohne deine irdische Ernte und ohne Verdienste für den Himmel erworben zu haben vor mir erscheinen und im anderen Leben arm sein. Besser wäre es für dich gewesen, du hättest mit deiner Ernte Barmherzigkeit am Nächsten geübt. Denn wenn du gegen deinen Nächsten barmherzig bist, ist Gott auch dir barmherzig. Anstatt an Müßiggang zu denken, hättest du Tätigkeiten nachgehen sollen, die deinem Körper wahren Nutzen und deiner Seele Verdienste einbringen, bis ich dich rufen werde." Und der Mann starb in der Nacht und wurde streng gerichtet.

Wahrlich, ich sage euch, so geht es dem, der irdische Reichtümer sammelt, aber in den Augen Gottes arm bleibt. Nun geht und zieht einen Nutzen aus der Lehre, die ich euch gegeben habe. Der Friede sei mit euch!»

Jesus segnet das Volk und zieht sich mit den Aposteln und den Jüngern in einen dichten Hain zurück, um etwas zu essen und sich auszuruhen. Doch während der Mahlzeit fährt er mit der Belehrung fort und kommt auf ein Thema zurück, über das er schon oft zu den Aposteln gesprochen hat. Doch es ist gut, darauf wieder und wieder einzugehen, da der Mensch sich zu sehr von seinen törichten Ängsten überwältigen läßt.

«Glaubt mir», sagt er, «daß man nur darauf bedacht sein muß, an Tugend reich zu werden. Und achtet darauf, daß eure Bemühungen niemals mit Aufregung und Unruhe verbunden sind. Das Gute ist den Unruhen, den Ängsten und der Hetze, die noch an Geiz, Eifersucht und menschliches Mißtrauen erinnern, feind.

Eure Arbeit sei ausdauernd, vertrauensvoll, friedfertig. Ohne plötzlichen Beginn und plötzliche Unterbrechung. So machen es die Wildesel. Aber niemand außer einem Schwachsinnigen bedient sich ihrer, wenn er sicher reisen will. Friedfertig in Siegen, friedfertig in Niederlagen! Auch die Tränen über einen begangenen Fehler, der euch betrübt, weil ihr damit Gott mißfallen habt, müssen friedvoll sein, getröstet durch Demut und Vertrauen. Die Niedergeschlagenheit und der Zorn auf sich selbst sind immer ein Zeichen von Hochmut und Mißtrauen. Wenn einer demütig ist, weiß er, daß er ein armer Mensch und den Nöten des Fleisches unterworfen ist, das manchmal triumphiert. Wenn einer demütig ist, hat er kein zu großes Vertrauen in sich selbst, sondern er vertraut auf Gott und bleibt auch bei Fehlschlägen ruhig und sagt: "Verzeih mir, Vater. Ich weiß, daß du meine Schwächen kennst, die mich manchmal übermannen. Ich glaube, daß du Mitleid mit mir hast. Ich habe das feste Vertrauen, daß du mir in Zukunft noch mehr als in der Vergangenheit helfen wirst, obwohl ich dich so wenig zufriedengestellt habe." Und dann, seid weder apathisch noch geizig hinsichtlich der Gaben Gottes. Gebt, was ihr an Weisheit und Tugend besitzt. Seid tätig im Geist, so wie die Menschen in den Dingen des Fleisches geschäftig sind. Und was das Fleisch betrifft, macht es nicht jenen in der Welt nach, die immer um ihre Zukunft besorgt sind und fürchten, es könnte ihnen an Überfluß fehlen, es könnten Krankheiten oder Tod kommen, es könnten ihnen Feinde Schaden zufügen und so weiter.

Gott weiß, was ihr nötig habt. Fürchtet daher nicht für eure Zukunft. Seid frei von Ängsten, die schwerer wiegen als die Ketten der Galeerensträflinge. Sorgt euch nicht um euer Leben oder um das, was ihr essen, trinken und womit ihr euch bekleiden sollt. Das Leben des Geistes ist mehr wert als das Leben des Körpers, und der Körper ist mehr wert als das Gewand; denn ihr lebt mit dem Körper und nicht mit dem Gewand, und durch die Abtötung des Körpers helft ihr dem Geist, das ewige Leben zu erlangen. Gott weiß, wie lange er die Seele in eurem Körper lassen wird; solange wird er euch das Notwendige geben. Er gibt es den Raben, unreinen Tieren, die sich von Kadavern nähren und ihre Daseinsberechtigung darin haben, daß sie die Verwesung beseitigen. Und da sollte er es euch nicht geben? Sie haben keine Vorratskammern und Scheunen, und Gott ernährt sie doch. Ihr seid Menschen und keine Raben. Gegenwärtig seid ihr die Blüte der Menschheit, denn ihr seid die Jünger des Meisters, die Verkünder des Evangeliums in dieser Welt, die Diener Gottes. Und glaubt ihr, daß Gott, der sich um die Lilien der Felder kümmert und sie wachsen läßt und schöner kleidet als Salomon gekleidet war, ohne daß sie etwas anderes tun als ihn durch ihren Duft anzubeten, es euch an Kleidung fehlen läßt?

Ihr könnt nicht einmal in einen zahnlosen Mund einen Zahn einsetzen; ihr könnt ein verkrüppeltes Bein nicht um eine Daumenbreite wachsen lassen, noch einem blinden Auge die Sehkraft wiedergeben. Und wenn ihr dazu nicht fähig seid, wie könnt ihr dann glauben, daß es euch gelingt, Elend und Krankheiten von euch fernzuhalten und den Staub in Nahrung zu verwandeln? Ihr könnt es nicht! Doch seid nicht schwach im Glauben; ihr werdet immer haben, was ihr braucht. Sorgt euch nicht wie die Menschen der Welt, die sich abrackern, um sich vergnügen zu können. Ihr habt euren Vater, der weiß, was euch fehlt. Ihr müßt allein darauf bedacht sein, und es soll eure erste Sorge sein, das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen, alles übrige wird euch hinzugegeben werden.

(...)

 

 

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