Mythologischer Hintergrund zum Zorn
der Iuno in der Aeneis
Eines der ersten Glieder in der Kette der Ereignisse, die
das Vorspiel zum Trojanischen Krieg bildeten, wurde von Prometheus, dem großen Wohltäter
der Menschheit, geschmiedet. Prometheus hatte – sehr zum Ärger seines Vetters
Zeus – den Menschen das Feuer gebracht, dessen Wohltaten bisher allein den
Göttern vorbehalten gewesen waren. Er hatte die Menschen auch gelehrt, den
Göttern bei Fleischopfern nur die Knochen und das Fett darzubringen und die
besten Stücke für sich zu behalten. Zur Strafe fesselte Zeus Prometheus an
einen Felsen hoch in den Bergen und schickte einen Adler, der ihm jeden Tag die
Leber, welche ihm über Nacht wieder nachwuchs, heraushacken und fressen sollte.
Nach einigen Quellen wurde Prometheus schließlich von
Herakles befreit, andere behaupten jedoch, er sei von Zeus selbst erlöst
worden, nachdem er sich bereit erklärt hatte, diesem ein wichtiges Geheimnis
preiszugeben. Dieses Geheimnis betraf die Meeresnymphe Thetis, die so schön
war, daß auch mehrere Götter zu ihren Freiern zählten, darunter Poseidon und
Zeus. Eine nur Prometheus bekannte Prophezeiung besagte jedoch, daß es dem Sohn
der Thetis bestimmt sei, mächtiger zu sein als sein Vater. Als Zeus dies
erfuhr, ließ er von seiner Absicht, einen Sohn mit Thetis zu zeugen, sofort ab
und beschloß, sie mit dem sterblichen Peleus zu vermählen; aus dieser
Verbindung ging Achilleus hervor, der größte der griechischen Heroen vor Troja.
Thetis wies Peleus' Annäherungsversuche zunächst zurück,
indem sie sich in Feuer, Schlangen, Ungeheuer und anderes verwandelte, doch
Peleus hielt sie trotz all ihrer Verwandlungen fest, und schließlich mußte sie
sich fügen. Bis auf eine wurden alle Gottheiten des Olymp zu der prachtvollen
Hochzeit von Peleus und Thetis geladen; während das Fest in vollem Gange war,
erschien Eris, die Göttin der Zwietracht, die als einzige übergangen worden
war, und warf einen goldenen Apfel unter die Gäste, der (was allerdings erst in
sehr späten Quellen überliefert ist) die Inschrift »Für die Schönste« trug.
Drei Göttinnen, nämlich Hera, Athene und Aphrodite, erhoben Anspruch auf diesen
Apfel. Da sie sich nicht einigen konnten und Zeus verständlicherweise in dieser
Angelegenheit ungern selbst eine Entscheidung fällen wollte, sandte er die
Göttinnen zu Paris, der als der schönste Mann unter den Sterblichen galt; der
vermeintliche Hirte auf dem Berg Ida vor den Toren Trojas an den östlichen
Gestaden des Mittelmeeres sollte entscheiden, welche von ihnen die Schönste
sei.
In Wirklichkeit war Paris nämlich ein Sohn des Priamos,
des Königs von Troja, doch als Priamos' Gattin Hekuba mit ihm schwanger war,
hatte sie einen Traum, in dem sie eine zischende Schlangen hervorbringende
Fackel gebar. Der von den besorgten Eltern befragte Seher verkündete, das Kind
werde Trojas Untergang herbeiführen. Deshalb wurde es gleich nach der Geburt
einem Dienstboten mit dem Befehl übergeben, es auf den Berg Ida zu bringen und
dort zu töten. Der Diener tötete den Säugling jedoch nicht, sondern setzte ihn
lediglich aus; er wurde von Schäfern oder sonstigen Hirten gefunden und von
ihnen großgezogen. Als Paris eines Tages wie üblich über seine Herden auf dem
Berg wachte, brachte Hermes die drei Göttinnen zu ihm, damit er ihre Schönheit
beurteile. Jede versprach ihm eine Belohnung, wenn seine Wahl auf sie falle:
Hera lockte mit Reichtum und Macht, Athene mit Tüchtigkeit und Weisheit im
Kampf und Aphrodite mit der Liebe der schönsten Frau der Welt. Er erkannte
Aphrodite den Apfel zu und zog sich damit den unsterblichen Haß der beiden
anderen zu, die von diesem Zeitpunkt an unversöhnliche Feindinnen Trojas waren.
Kurze Zeit später begab sich Paris nach Troja. Diener des Königs hatten ihm
seinen besten Stier fortgetrieben, der als Preis bei athletischen Wettkämpfen
ausgesetzt werden sollte, und Paris hoffte, ihn zurückgewinnen zu können. Er
nahm an den Spielen teil, und schon bald weckten seine Tüchtigkeit und seine
verblüffende Schönheit das Interesse seiner Eltern, die rasch entdeckten, wer
er war, und ihn mit Freuden wieder in die Familie aufnahmen.
Die schönste Frau der Welt war Helena, die Tochter des
Zeus und der Leda. Viele Könige und Adlige wollten sie als Gemahlin heimführen,
und ehe ihr sterblicher Vater, Tyndareus, den Namen des Auserwählten
bekanntgab, ließ er alle Freier schwören, daß sie Helenas Wahl anerkannten und
ihrem Gatten zu Hilfe kämen, sollte sie jemals entführt werden. Helena
heiratete Menelaos, den König von Sparta, und als Paris sie aufsuchte, hatten
sie bereits eine Tochter, Hermione. Menelaos hieß den Trojaner in seinem Haus
willkommen, doch Paris vergalt ihm seine Gastfreundschaft mit der Entführung
seiner Gemahlin.