Zu Teil I

Deutsche Rechtschreibung II

V.   Die Situation der Rechtschreibung heute

VI.  Sünden gegen die Laut-Buchstaben Zuordnung

1.         Fremdwörter aus dem Griechischen

2.         Fremdwörter aus dem Lateinischen

3.         Augst, der Sprachveränderer

3.1        Satire

3.2        Sachverhalt

VII. Der geschichtliche Kairós des deutschen Regelwerks von 1901

1.         Geschichtliche Unumkehrbarkeit

2.         Ideologische Einflüsse der Rechtschreibreform

3.         Umkehr unter Einbeziehung ästhetischer Wahlfreiheit

       Verwendete Literatur

5 erloschene externe Links sind grau unterlegt.

V. Die Situation der Rechtschreibung heute

Mit der 1995 beschlossenen Rechtschreibreform ist ein großer Teil der Bevölkerung unzufrieden. Der Unmut richtet sich besonders gegen die Urheber der neuen Regelungen. Zunächst muß man einiges zu ihren Gunsten sagen. Sie arbeiteten ihr Reformwerk im offiziellen Auftrag der deutschen Kultusministerkonferenz aus, deren Vorgaben sie zu beachten hatten. Im Bereich der Laut-Buchstaben vermochten sie nur einige wenige Änderungen vorzunehmen, die meisten auf Kosten bewährter Regeln. Die Festlegungen in der Groß- und Kleinschreibung sowie der Getrennt- und Zusammenschreibung jedoch zeigen systemimmanente Probleme auf, die weder vom alten noch vom neuen Regelwerk befriedigend gelöst wurden. Man glaubt nämlich noch immer, alles nach systematischen Kriterien entscheiden oder im Einzelnen festlegen zu können. Dabei kam es schon in der alten Rechtschreibung zu kaum nachzuvollziehenden Spitzfindigkeiten, aus denen die Reformer nur soviel lernten, daß sie diese Ungereimtheiten durch neue Systemkriterien beseitigen wollten. So schrieb die alte Rechtschreibung etwa vor, im Falle eines substantivierten Adjektivs alles übrige klein, alles Weitere groß zu schreiben. Also verfügte man, daß in Zukunft substantivierte Adjektive groß zu schreiben seien. Freitag abend wurde in allgemeiner Bedeutung, Freitag Abend für einen bestimmten Zeitpunkt verwendet. Die Reformer lösten das Problem einfach durch Zusammenschreibung Freitagabend.

Weder die Groß- und Kleinschreibung noch Getrennt- und Zusammenschreibung eignen sich für starre Festlegungen. Sie sollten ähnlich wie die Laut-Buchstaben Zuordnungen der vergangenen Jahrhunderte wenigsten auf eine bestimmte Zeit für das ästhetische Dafürhalten freigegeben werden. Nach diesem Zeitpunkt können lexikalische Einträge Haupt- und Nebenvariante erhalten. Der einzelne Schreiber sollte unter dem Druck eines Analogprinzips stehen, wenn er zugunsten zusammen und zu Lasten auseinander schreibt.

VI. Sünden gegen die Laut-Buchstabenzuordnung

Die deutsche Rechtschreibung gründet auf einem festgefügten Regelwerk. Will man etwas verändern, so kann man dies ohne Schaden nur innerhalb dieses Regelsystems tun. Bricht man nur ein Stückchen heraus, beginnt die Unsicherheit. Dies aber haben die Rabenväter der Rechtschreibreform im Namen der Erleichterung verbrochen. Betroffen sind sowohl Fremdwörter als auch Wörter des deutschen Wortschatzes.

1. Griechische Fremdwörter

Fremdwörter aus dem Griechischen sind an den Buchstabenverbindungen th, ph, ch und am y erkennbar. Daher wurde ihre Schreibung konsequent beibehalten, auch in Panther und Thunfisch, die sich eben auch aus dem Griechischen herleiten. Wer sich über die Schreibung wundert, kann sich in einem etymologischen Lexikon vergewissern, und wer keines besitzt, sollte sich eines erwerben.

Auch hinsichtlich der Fremdwörter aus dem Griechischen sollte man, bevor man etwas ändert, in Rechnung stellen, daß in der englischen und französischen Rechtschreibung an den griechischen Buchstaben grundsätzlich festgehalten wird. Für Panther und Thunfisch ist die französische Schreibung panthère und thon, die englische panther und tuna bzw. tunny. (Das fehlende h in den letzten beiden Formen hat historische Gründe).

2. Fremdwörter aus dem Lateinischen

Auch hier haben die Reformer mit ausgesprochen provinziellem Denken herumgebastelt, statt zu berücksichtigen, daß die Beibehaltung der lateinischen Rechtschreibung eine Erleichterung für die Erlernung der Nachbarsprachen Französisch und Englisch darstellt. Es geht insbesondere um die Änderung von ti zu zi in Adjektiven, die Substantiventsprechungen mit auslautendem z haben. Die neue Rechtschreibung sieht also potenziell statt potentiell entsprechend dem Substantiv Potenz vor. Für diese Änderung das sogenannte Stammprinzip zu bemühen, ist oberflächlich, kurzsichtig und einfach falsch. Wenn schon Stammprinzip, dann muß das lateinische Wort Ausgangspunkt sein, in vorliegendem Fall potentia. Die Schreibung des Adjektivs potentiell richtet sich also nach dem Stammprinzip, während die verkürzte Substantivendung an die deutsche Schreibweise angepaßt ist.

Mit der neuen Regelung haben die Reformer ohne Not die orthographische Achse der Wortbildungselemente –tion und –tiell/–tial zerbrochen. Schüler und Erwachsene denken bald nicht mehr an das Stammprinzip, wenn sie potenziell und tendenziell schreiben, und sie werden anfangen, auch Intenzion und Edizion (wenn vielleicht auch nicht Nazion) zu schreiben. Und welche Regel geben die Reformer, wenn kein Stammprinzip vorhanden ist wie in den Wörtern partiell und artifiziell, einmal mit t und einmal mit z geschrieben? Hier wird ohne Not eine einheitliche Regel zerbrochen.

Schreibt man potentiell und substantiell wie bisher, findet man im Englischen (potential, substantial) und im Französischen (potentiel, substantiel) dieselbe t-Schreibung wieder. Umgekehrt kann man sie bei einer Übersetzung problemlos übernehmen. Die Reformer haben also den Schülern einen Bärendienst erwiesen. (zurück)

3. Augst, der Sprachveränderer

3.1 Satire

Folgendes soll sich zugetragen haben: Herr Gerhard Augst überlegte, wie er berühmt werden könne. "Schreib, wie du sprichst!" ist schon zu oft gesagt worden, sagte er zu sich, und wird mir keinen Ruhm einbringen. Aber "Sprich, wie du schreibst!" ist etwas Neues. Und er dachte lange nach. Dann stellte er sich den zipfelmützigen Michel vor Augen und sagte: "Wenn du meinst, du kennst deinen deutschen Wortschatz, irrst du. Du mußt die Wörter nach dem Stammprinzip verbinden, dann erst verstehst du ihn. Und damit du weißt, wie das geht, habe ich vorsorglich einige Wörter geändert, indem ich falsches e durch richtiges ä ersetzt habe."

Und bevor der deutsche Michel nur einen Gedanken fassen konnte, drangen an sein Ohr schon einige der neuen Schöpfungen: behände, aufwändig, Gräuel, Gämse, Stängel, schnäuzen.

Herr Augst war sehr stolz auf seine Geistestat und stellte sich vor, daß man in einigen Jahren nicht mehr vom Stammprinzip, sondern vom Augstprinizip sprechen werde, womit sein Name der Nation immer im Gedächtnis bleiben werde.

Und tatsächlich, alle folgten willig der Schalmei der neuen Doktrin, die Kultusminister, die Ministerpräsidenten, die Schulbuchverlage, die Zeitungsagenturen, die Zeitungen und natürlich– quasi als Geiseln der Nation –die weisungsgebundenen Schüler und Lehrer.

Es stellte sich heraus, daß die Volksseele gespalten war. Äußerlich neigte sie zur Autoritätsgläubigkeit, aber innerlich zuckte sie jedesmal zusammen, wenn ihr eine neue Gräueltat begegnete. Siebzig Prozent der Bevölkerung sollen es sein, deren unverbildete Seele schmerzt. Und die anderen 30 Prozent? Verführte, Gleichgültige und semper rerum novarum cupidi, wie Sallust sagen würde, die Früheres für veraltet und jede Veränderung für gut halten.

3.2 Sachverhalt

Was ist nun wirklich von den e- zu ä-Verschiebungen zu halten? Da aus historischen und phonetischen Gründen (schon bei Adelung unter ä vermerkt) nicht selten e statt ä geschrieben wurde, haben sich Sprach- und Rechtschreibexperten mit diesem Thema mit Vorliebe befaßt und es allmählich hochstilisiert. Ohne daß auf diesen Sachverhalt näher eingegangen werden kann, ist jedoch folgendes zu den Neuerungen festzustellen:

1.   Es ist abwegig zu fordern, der Deutschsprachige müsse ein etymologisches Bewußtsein mit sich herumtragen, um die Bedeutung von Wörtern angemessen zu verstehen. Warum muß man wissen, daß Stange und Stengel verwandt sind. Es ist im Gegenteil besser, wenn beide Vorstellungsbereiche getrennt bleiben, statt daß sie vermischt werden.

Der Ablaut a zu ä (wie auch o > ö, u > ü) erfolgt in ganz bestimmten Mustern: Singular – Plural (Land – Länder), Grundform – Deminutivform (Garten – Gärtchen), Grundform – Komparativ (dumm – dümmer), Substantiv – Verb (Trost – trösten), intransitives Verb – transitives Verb (fallen – fällen). Ein solches Muster liegt jedoch nicht bei Stange und Stengel und bei den meisten anderen veränderten Wörtern vor. Herr Augst nimmt darüber hinaus der deutschen Sprache die poetischen Bildungen Stenglein und Stengelein. Ein Stänglein ist und bleibt eben eine kleine Stange.

2.   Herr Augst hat sich nicht ohne Vorarbeiten anderer an sein Änderungswerk gewagt. Schon 1968 sieht Wolfgang Mentrup in Regeln der deutschen Rechtschreibung. Dudenverlag, S.37f. eine seltsame Problemlage. Er behauptet nämlich, daß zwischen Wende und Wände kein Lautunterschied bestehe. Das mag in nördlichen Teilen Deutschlands der Fall sein, nicht aber in Süddeutschland. Herr Mentrup aber insinuiert damit, daß wegen der angeblichen Lautgleichheit von e und ä zur Zeit der orthographischen Lautfestlegung aus diesem oder jenem Grund das e dem ä vorgezogen worden sei. Unter R 95 (S.38) heißt es: "Bei einer bestimmten Anzahl von Wörtern ist die Schreibung deshalb besonders schwierig, weil man ... ein ä erwarten könnte, wo jedoch ein e zu schreiben ist". Es folgt eine Liste einschlägiger Wörter, darunter sieben der durch Augst zu ä geänderten: aufwendig, behende, belemmert, Gemse, Schenke, überschwenglich, Stengel.

Was Mentrup hier behauptet, ist völlig aus der Luft gegriffen. Wer das Wort behende verwendet, denkt überhaupt nicht an Hand oder Hände, sondern wählt dieses Adjektiv, als für den aktuellen Anlaß geeignet, aus einer Gruppe von Synonymen aus: schnell, geschwind, geschickt, flink. Herr Mentrup hätte eher seine nördlichen Landsleute darauf hinweisen können, daß, wenn sie Genschen hören, sie Gänschen schreiben müssen.

3.   Fast vergißt man etwas Unerhörtes bei der Diskussion um die ä-Wörter: Woher nimmt Herr Augst das Recht, am ureigensten deutschen Wortschatz nach den dürftigen Kriterien seiner Wissenschaft herumkorrigieren zu wollen? Der deutsche Wortschatz wurde geformt durch den Konsens vieler Generationen von Menschen. Es fehlt diesem Neuerer einfach die grundlegende Achtung vor dem geschichtlich Gewordenen. Er will unbedingt zurechtbiegen, was die Sprachgemeinschaft so und nicht anders entschieden hat. Dabei übergeht er einfache klangliche und semantische Gesetze. Wenn behende jemals eine lebendige Nähe zu Hände hatte, ist das zweite e schnell durch die umgebenden Laute entstanden, besonders nachdem die Bedeutung sich von Hand entfernt hatte. Im Wort Gemse wird das ä durch den Lippenlaut m und das folgende e assimiliert, außerdem kennzeichnet der größere Kontrast zwischen a und e (statt a und ä) günstiger den Geschlechtsunterschied zwischen Gamsbock und Gemse. Das Wort aufwendig läßt sich ohne Mundverrenkung gar nicht mit einem ä-Laut aussprechen. Außerdem liegt die Ableitung des Adjektivs vom Verb aufwenden näher als vom Substantiv Aufwand.

4.   Hätte Herr Augst Respekt vor der Sprachgeschichte, hätte er Stengel nicht antasten dürfen, denn dieselbe Form hat das Wort schon im Mittelhochdeutschen ebenso wie Stange. Schon Adelung vermerkt, daß der Genusunterschied die Stange, aber der Stengel auf eine lange Trennung der semantischen Inhalte hinweise. (zurück)

VII. Der geschichtliche Kairós des deutschen Regelwerks von 1901

1. Geschichtliche Unumkehrbarkeit

Als 1901 auf der 2. Orthographischen Konferenz in Berlin letzte Hand an die deutsche Rechtschreibung gelegt worden war, hatte nach langem Ringen ein Werk seinen erfolgreichen Abschluß gefunden, das nach wenigen Grundregeln logisch und sinnvoll durchgestaltet war. Diese Leistung in Frage zu stellen, zeugt von ungeschichtlichem Denken.

Konrad Duden, der entscheidend zu diesem Regelwerk beigetragen hatte, warf indes einen langen Schatten auf die Zukunft der Rechtschreibung. Er hatte 1876 mit von Raumer gegen den usus scribendi – vergeblich – den Aufstand geprobt und wurde so zum geistigen Vater zahlreicher Epigonen, die in seinem und eigenem Namen beanspruchten, das vollenden zu wollen, was Duden gegen den Volkswillen nicht gelungen war.

Daß sich 1920 eine Kommission des Reichsschulausschusses mehrheitlich für "einen schleunigen und rücksichtslosen Umsturz der bestehenden Schreibweise" aussprach, läßt sich aus der Zeitsituation einigermaßen erklären: Die Monarchie war kurz zuvor gestürzt worden, und in revolutionärer Stimmung verwarf man die Rechtschreibung zusammen mit der Gesellschaftsordnung, in der sie kodifiziert worden war. Die Vorschläge der Kommission nahmen fast alle Forderungen späterer Reformbefürworter vorweg: Kleinschreibung der Substantive, eindeutige Laut-Buchstaben Zuordnungen, Abschaffung der Dehnungszeichen.

Man hätte in diesen radikalen Veränderungswünschen eine pubertäre Auflehnung der Söhne gegen ihre Väter vermuten können. Aber in der Folgezeit löste eine Reforminitiative die andere ab – während der Weimarer Republik, der nationalsozialistischen Diktatur und der zweiten Republik. Mit jeder neuen Interessengruppe verfestigte sich die Doktrin, daß eine Rechtschreibreform unumgänglich sei, so daß schließlich auch die Kultusministerkonferenz mit einstimmte und 1987 einen Vorschlagsentwurf in Auftrag gab.

Die Reformexperten nährten sich von Argumenten der Vergangenheit. Sie hätten aus engem nationalen Denken zu einer internationalen Sichtweise gelangen müssen. Dann hätten sie erkennen können, daß Franzosen und Engländer ihre anspruchsvollen Rechtschreibsysteme nicht in Zweifel zogen und daß sich das deutsche durchaus ebenbürtig zur Seite stellen konnte, wenn man sein Niveau nicht senken würde.

2. Ideologische Einflüsse der Rechtschreibreform

Zweifellos zeigten die Kultusminister zu wenig Umsicht. Sie hätten sich zunächst Gutachten erstellen lassen müssen, ob und inwieweit für die Rechtschreibung wirklicher Neuregelungsbedarf bestand. Aus den Erfahrungen der 1. Orthographischen Konferenz hätten sie zudem die Problematik einer obrigkeitlichen Regelung erkennen müssen.

Die Kultusminister übersahen ebenfalls, daß die Verfechter von Rechtschreibänderungen nicht frei von ideologischen Vorstellung waren und sind. Beispielsweise suchten sie Gründe für Änderungen in historischen Sprach- und Rechtschreibentwicklungen, wie die ä-Wörter zeigen. Sehr bedenklich daran ist das Unvermögen der Reformer, die Vergangenheit der deutschen Sprachgemeinschaft positiv zu sehen. Sie können und wollen geschichtlich Gewordenes einfach nicht annehmen und in Ruhe lassen. Sie kritisieren ihre Vorfahren, daß sie so und so gesprochen und so und so geschrieben haben, sie machen sich zu Herren der deutschen Sprache und glauben, nachträgliche Korrekturen anbringen zu müssen.

Ein ebenso hartnäckiger ideologischer Komplex ist eine übermäßige Berücksichtigung geistigen Mittelmaßes in der Schulbildung, wo immer dies möglich ist. Eine von egalitärer Mentalität geprägte Gesellschaft fürchtet, die Höhe geistiger Ansprüche könne Minderwertigkeitsgefühle erzeugen. Nun ist die Rechtschreibung an und für sich eine unabhängige Größe. Aber für die unduldsamen Gegner der herkömmlichen Rechtschreibung wird diese auf die Schulsituation bezogen, um über einen Mitleidseffekt größere Wirksamkeit für ihre Ziele zu erreichen. Tatsächlich haben sie dies erreicht, da die Rechtschreibung zu den schwächsten Gliedern im Kanon der Wissensvermittlung gehört. Die Gesetzmäßigkeiten in Physik oder Chemie liegen fest, aber im Bereich der Rechtschreibung glaubt man frei verfügen zu können, da sie auf Konventionen beruhe, die Veränderungen unterlägen. Nachdem der erste Entwurf der Reformkommission 1988 wegen zu vieler Änderungen keine Akzeptanz gefunden hatte, minimierte man einfach die Veränderungen, nicht etwa aus besserer Erkenntnis, sondern um des bloßen Erfolges willen. Aber natürlich verkaufte man den Sieg 75-jähriger Bemühungen um Änderungen des Bestehenden als Erleichterung für die Schüler.

Ein wünschenswertes Ziel wäre die Überwindung vorherrschender egalitärer Bildungsmentalität. Die hohen Ziele des Geistes sollten keine Angst einflößen, sondern ein Ansporn sein. Das beste Rechtschreibsystem sollte nicht das anspruchslosere, sondern das anspruchsvollere sein. Rechtschreibung sollte nicht als Übel, sondern als Übungsfeld für geistiges Verstehen, Gedächtnis und Genauigkeit angesehen werden. Dazu ist es nötig, die sinnvolle Logik der deutschen Rechtschreibung den Schülern zu vermitteln.

Erstrebenswert ist eine Wertegemeinschaft, in der sich unterschiedliche Begabungen gegenseitig anerkennen und sich – in je eigener Berufs- und Lebenssituation – verantwortlich für das Wohl aller sehen.

3. Umkehr unter Einbeziehung ästhetischer Wahlfreiheit

Eine politische Entscheidung als einen Fehler zu erklären, fällt sicherlich nicht leicht. Aber es gibt genügend Beispiele für politische Umkehr, etwa in der Umweltpolitik, in der Neuschaffung von Feuchtgebieten zur Vermeidung von Überschwemmungen und zur Sicherung des Grundwasserspiegels. Die Rechtschreibreform von 1995 muß danach überprüft werden, wie weit ihre Neuerungen mit den ursprünglichen Regeln im Einklang stehen bzw. inwieweit sie auf demselben Niveau logisch bessere Lösungen gefunden hat. In einer Phase der Neubesinnung muß man die Prinzipien finden, die eine möglichst flexible Handhabung der systemimmanenten Rechtschreibprobleme ermöglichen. Zu diesen Prinzipien gehört auch ein gewisses Maß an ästhetischer Wahlfreiheit, das im System der Laut-Buchstabenzuordnung bereits fest verankert ist.

(zurück)

Verwendete Literatur:

Gallmann/Sitta: Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Dudenverlag. Mannheim 1996

Wolfgang Mentrup, Die Regeln der deutschen Rechtschreibung. Dudenverlag. Mannheim 1968

Drosdowski/Grebe u.a.: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. Dudenverlag. Mannheim 1963

Aus dem Internet:

Christoph Johann Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1174-1786)

Florian Speer, Entwicklungsstufen der Lateinischen Schrift bis zum Beginn des Buchdrucks

Michael Schneider, Geschichte der deutschen Orthographie unter bes. Berücksichtig. der Entwicklung seit 1994.

Ingolf Giese, Geschichte der Rechtschreibung

Alexander Kranz, Die Entwicklung der deutschen Orthographie im 19. Jahrhundert

Marta Czyzewska, Fremdwörterorthographie am Ende des 19. Jahrhunderts

Meyers Konversationslexikon 1888: Stichwort Orthographie

Amtliches Regelwerk von 1902

Heide Kuhlmann, Orthographie und Politik. Zur Debatte um die deutsche Rechtschreibreform (Die Magisterarbeit informiert umfassend über die Hintergründe der Rechtschreibreform und bietet eine Chronologie der Reformbewegungen im 20 Jh. und die personelle Zusammensetzung der Rechtschreibkommission)

Reinhard Marker, Rechtschreibung als Staatsaktion

Chronik einer Überwältigung (FAZ, August 04)

 

Erstellt: August/September 2004

 

Armin Rieble

83071 Stephanskirchen

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