Johannes Kepler: Die Zahlen des Frontispiz der Rudolfinischen Tafeln

I. Einleitung

II. Der Zahlenkranz der Arithmetica

III. Nachtrag: Quantität und Qualität

Die Zahl 3993 und die Initialen IC

I. Einleitung

1.      Durch einen Zahlenliebhaber lernte ich kürzlich das Titelblatt der Rudolphinischen Tafeln kennen. Johannes Kepler veröffentlichte dieses sein letztes astronomische Werk im Jahre 1627, drei Jahre vor seinem Tod in Regensburg.

Kepler war ein tiefgläubiger Mann. Er war ergriffen von der Harmonie der Schöpfung und der Weisheit und Liebe des Schöpfers. Die Beziehungen der drei göttlichen Personen sah er in der Vollkommenheit der Kugel abbildhaft dargestellt. Im Mysterium Cosmographicum (1596) beispielsweise sagt er:

Das Abbild des dreieinigen Gottes ist in der Kugelfläche, nämlich des Vaters im Zentrum, des Sohnes in der Oberfläche und des Heiligen Geistes im Gleichmaß der Bezogenheit zwischen Punkt und Umkreis.

2.      Wenn die Schöpfung Abbild und Widerschein des dreieinen Gottes ist, dann muß er auch aus dem System der Zahlen selbst zu erkennen sein. Welche Zahlenverbindung scheint dafür geeigneter zu sein als die Zahlen 1 und 3. Die tiefsten Geheimnisse der Zahlen sind also im Wesen des einen Gottes in drei Personen verankert und gehören zur inneren Identität dessen, dem diese Erkenntnisse geschenkt worden sind. Wir dürfen vermuten, daß Kepler weit über das hinaus, was er explizit formuliert hat, in die faszinierende Welt der Zahlen eingedrungen ist und so auf dem von ihm selbst gestalteten Titelblatt den dreifaltigen Gott in kunstvoller Weise geehrt hat.

3.      Unter weitestgehendem Verzicht auf kunsthistorische Zusammenhänge, mathematische Erklärungen und werkbezogene Auskünfte befassen sich die folgenden Ausführungen ausschließlich mit Zahlenaspekten von drei Bereichen: dem Zahlenkranz der ARITHMETICA, den rätselhalften Zahlen 8 82 013 zwischen seinen beiden Händen und der Tafel mit 4 Werken Keplers. Ich lege dabei die Prinzipien des Dezimalsystems zugrunde, die sich mir als universal gültig erwiesen haben und folglich auch von Johannes Kepler erkannt worden sein können. Zu den Gesetzmäßigkeiten gehören besonders alle Arten von Kreisstrukturen, etwa die Umkehrungen von Zahlen. Kreis, Hexagon und Tetraktysstern sind zentrale geometrische Referenzmaßstäbe.

II. Der Zahlenkranz der Arithmetica

1.      Hinter dem Haupt der ARITHMETICA befindet sich, einem Heiligenschein vergleichbar, ein Kreisring mit 7 Ziffern:

Die Ziffern sind in gleichmäßigem Abstand so angeordnet, da der verdeckte Rest des Kreisringes Platz für weitere 3 Zahlen läßt, so daß die 10-Zahl erreicht ist, die den 10 Säulen des Rundtempels sinnvoll entsprechen würde. Da sich keine der 7 Ziffern wiederholt, kann man bereits hier vermuten, Kepler habe die restlichen drei Ziffern 058 an anderer Stelle berücksichtigt.

2.      Der Punkt nach der Ziffer 4 zeigt an, daß die folgenden beiden Ziffern Dezimalstellen sind. Die Rechnung mit Dezimalstellen setzt kurz nach 1600 ein. Es handelt sich um die logarithmische Konstante log2 0,693147180. Sie wurde zuerst von dem schottischen Mathematiker berechnet mit dem Wert 0,693146922 für die ersten 5 Dezimalstellen, den Kepler auf 0,693147193 präzisierte. Kepler hat die siebte Dezimalstelle 1 auf 2 aufgerundet.

Nach Auskunft der Kepler-Gesellschaft in Weil der Stadt arbeitete Kepler gern mit der Einheit 100000, weswegen der Dezimalpunkt nach der 5. Zahl steht.

3.      Unter symmetrischer Sichtweise bilden die Ziffern 314 den horizontalen Bekrönungsbogen, den der folgende Punkt von den vertikal abwärts gewandten Ziffern 72 trennt. Ihnen stehen symmetrisch die Ziffern 69 gegenüber. Es liegt nahe, die zusammengehörigen Zifferngruppen als zweistellige oder dreistellige Zahlen zu lesen.

4.      Die krönende Zahl 314 dürfte Kepler mit der Kreiszahl π 3,14 identifiziert haben. Für ihn war der Kreis auf zweidimensionaler Ebene ebenso vollkommen wie die Kugel auf der dreidimensionalen. Vom Standpunkt des Dreifaltigkeitsdenkens verstand er 314 als Gleichung 3+1 = 4 analog zu der Grundgleichung, daß die Summe der ersten beiden Zahlen gleich der dritten Zahl ist, so daß letztlich jede gültige Aussage aus einer Gleichung besteht.

Die beiden zweistelligen Zahlen 69 und 72 sind durch 3 teilbar und bilden ein Verhältnis aus zwei benachbarten Konstitutivzahlen: 69:72 = 3*(23:24) = 3*47.

Ich nehme an dieser Stelle an, daß Kepler mit gematrischer Praxis vertraut war, zugleich daß er das SATOR-Quadrat kannte. Er konnte daher wissen, daß 47 der Zahlenwert (ZW) für DEUSGott ist. Die Zahl 47 wird auch später noch eine Rolle spielen. Somit bedeutet 3*47 dreimal Gott. Auch könnte Kepler gewußt haben, daß die lateinischen Namen der Trinität PATER (57) FILIUS (73) SANCTUS (92) SPIRITUS (125) den ZW 347 haben.

5.      Die Addition der Zahlen 69+314+72 ergibt 455 = 5*7*13. Das Ergebnis ist bemerkenswert, auch wenn ihm wegen der Zusammensetzung aus drei Zahlen und der letzten aufgerundeten Dezimalstelle die originale Logik fehlt. Die Faktoren lassen sich auf die beiden konzentrischen Kreise des Tetraktyssterns beziehen, deren Flächenverhältnis 1:3 beträgt:

Diese Verhältnis 1:3 wird durch die Zahl 13 selbst wiedergegeben, aber auch durch die Zahlen 7 und 13, da das Hexagon aus 7 Punkten und der ganze Sechseckstern aus 13 Punkten besteht. Dasselbe Flächenverhältnis wird repräsentiert durch 5 hexagonale Punkte und 7 Punkte der gesamten Doppelraute (DR):

6.      Eine Gemeinsamkeit des Additionsergebnisses der drei Zahlen mit den ersten 6 Ziffern 693147 besteht darin, die 6-stellige Zahl in kreisförmiger Fortsetzung jeweils durch 3*7*13 teilbar ist:

 

FW

693147 = 3* 7* 13* 2539

2562

931476 = 2* 2* 3* 7* 13* 853

880

314769 = 3* 7* 13* 1153

1176

147693 = 3* 7* 13* 541

564

476931 = 3* 7* 13* 1747

1770

769314 = 2* 3* 7* 13* 1409

1434

3333330

8386

ZS: 3333330 = 2* 3* 3* 5* 7* 11* 13* 37

81

FS: 8386 = 2* 7* 599

608

Sm

689

689 = 13* 53

66

Die FS 8386 ist aufteilbar in die systemimmanente Summe den ein- und zweistelligen Faktoren und den höheren Faktoren: 144 + 8242. Letztere Zahl besteht aus den Faktoren 2*13*317.

Das Endergebnis der ZW/FW-Verrechnung 689 führt wiederum zur Zahl 13 und zum Flächenverhältnis 3:1, da die Zahl 53 verstanden werden kann als 5 und 3 Radialelemente des äußeren und inneren Kreises:

Da eine Raute aus 11 Elementen besteht, läßt der ZW 66 auf 3 Doppelrauten (DR) schließen, sowie die Zahl 53 auf den aus zwei DR bestehenden Oktaeder mit seinem Doppelaspekt (26+27) aus 26 Außenelementen und dem Volumen.

Wie weit Kepler mit Faktorenwerten (FW) arbeitete, ist nicht zweifelsfrei festzustellen, sollte jedoch mitbedacht werden.

III. Nachtrag: Quantität und Qualität

Meine Untersuchung der Tischzahlen hat gezeigt, daß deren Werte und die der 3 Teilzahlen der Logarithmuszahl aufeinander abgestimmt sind.Daher ist es angebracht, noch einiges Grundsätzliche und einige Details zum Zahlenkranz der Arithmetica hinzuzufügen.

1.      Johannes Kepler soll große Genugtuung, Freude und Stolz über die Präzisierung von nl 2 empfunden haben. Aber diese seine Leistung kann kaum ausreichend dafür gewesen sein, daß er das Ergebnis in die Gloriole der Arithmetica gesetzt hat. Nach unserer Prämisse muß es ein trinitarisches Motiv geben: Die Zahl 2 steht für Jesus Christus, die zweite göttliche Person. Sie sieht Kepler abbildhaft dargestellt in der Kugeloberfläche und folglich auch in der Kreislinie, die sich im stets gleichen Abstabnd um den Mittelpunkt dreht.

Außerdem erweist sich log2 als konstante Größe, wenn man den Ausgangswert einer Zahl, deren Logarithmus ermittelt wurde, halbiert: Der Logarithmus der halben Zahl ist stets die Differenz von log 2 zum Logarithmus der ganzen Zahl, z.B.:

Log26 = 3,2580965

- 0,6931472

Log13 = 2,5649493

Unter trinitarischer Betrachtungsweise beinhaltet 1 durch 2 ein Verhältnis der ersten zur zweiten Person.

2.      In der Mathematik und denNaturwissenschaften geht es um Errechnung exakter Zahlenwerte. Diese genügen sich zunächst allein durch ihre Richtigkeit. Kepler hat jedoch ein so geartetes Harmonieverständnis von der Schöpfung, daß er prinzipiell in allen Zahlenwerten eine tiefere Sinnordnung sieht, die er bisweilen bewußt bedacht haben wird. Dabei wird ihm hinsichtlich log 2 die Tetraktys, die aus der Erweiterung des Hexagons hervorgeht, als Grundmodell vor Augen gestanden haben.

3.      Uns scheint es selbstverständlich zu sein, daß Kepler log 2 auf 7 Stellen berechnet hat. Aber wie es dazu kam und auf welche Weise er die Zahl in die Gloriole der Arithmetica setzte, das könnte in mehreren Schritten erfolgt sein:

a)   Die Zahlen 6 und 9 lassen sich in doppelter Weise auf die drei Achsen des Hexagon beziehen, zunächst auf 3*2 Radiallinien und 3*3 Punkte. Sodann, auf die drei göttlichen Personen bezogen, hat Kepler den Mittelpunkt mit 1, die Kreislinienpunkte mit 2 und die Radiallinien mit 3 numeriert gedacht:

Dies ergibt für jeden Radius die Summe 6, für zwei Radien 12 je Achse. Betrachtet man eine Achse als Durchmesser, entfällt ein Zähler und die Summe ist 11. Die Summe der drei numerierten 3 Achsen beträgt demnach 3*(12+11) = 3*23 = 69.

An dieser Stelle ist bereits das SATOR-Quadrat zu nennen, das Kepler wohl gekannt hat. Die Umwandlung des Wortes SATORSchöpfer in Zahlenwerte ergibt 69.

b)     Für die Zahlen 7 und 2 läßt sich die Kreisteilung durch Einziehung einer Achse anführen:

Eine Kreishälfte ist definierbar als Kreislinie + Fläche + 5 Durchmesserelemente. Es bleiben Kreislinie + Fläche der zweiten Kreishälfte übrig. Eine weitere Bedeutung liegt in den Produktzahlen 8*9, die noch zu behandeln sind. Für Kepler erschließt sich aus diesen Zahlen der prinzipielle Sinn der Aufrundung (hier 19 = 2).

c)      Die Bedeutung der Zahlen 3 1 4 wurde bereits oben behandelt.

4.      Die Numerierung der Radiallinien mit der Zahl 3 gilt ebenso für die Segmentlinien. Eine Segmentlinie mit ihren zwei Begrenzungspunkten hat also die Numerierung 232.

Erweitert man eine Segmentlinie zu einer Tetraktysseite, kommen auf jeder Seite eine Linie und ein Punkt hinzu, so daß die Abfolge der Elemente 2+3+2 beträgt. Die Numerierung der 4 Punkte und 3 Linien ergibt somit 8+9 = 17:

Die 3-stellige Zahl 232 hat die Faktoren 2³*29. Die Zahl 29 läßt sich so erklären, daß 8 = 2³ und 9 = 3² jeweils den FW 6 haben und 17+12 die Summe 29 ergibt.

Kepler könnte diesen Zusammenhang als bedeutungsvoll erkannt haben. Jedenfalls wenn man die ZS+FS der 3 Logarithmusahlen mit ihren Umkehrungen errechnet, ist das Ergebnis durch 29 teilbar. Seine weitere Teilbarkeit durch 11 verbindet diese Zahlen mit den Tischzahlen:

Z

69

314

72

455

FW

26

159

12

197

Z

96

413

27

536

FW

13

66

9

88

 

204

952

120

1276

1276 = 4*11*29

5.      Hat log 2 etwas Wesentliches mit der Tetraktysseite zu tun? Man kann die 7 Elemente in 4+3 aufteilen und die FW ermitteln. Die Rundung der 7. Stelle entfällt dabei:

 

ZW

Fkt.

FW

sm

Fkt.

FW

 

6341

17*373

390

 

 

 

 

917

7*131

138

 

 

 

sm

7258

2*19*191

528

7786

2*17*229

248

FW

212

 

22

234

13*18

21

 

 

 

 

 

 

269

Entsprechend der symmetrischen Zusammensetzung der Tetraktysseite, sind 3 FW Rückkehrzahlen: 373, 131, 212. Die Zahl 373 enthält in den Einzelziffern die Aufteilung der 13 Punkte des Tetraktyssterns, die Zahl 131 weist auf das Flächenverhältnis 1:3/3:1 der beiden konzentrischen Kreise hin.

Die Faktoren 17 und 7 stimmen mit der Numerierungssumme und den Elementen einer Tetraktysseite überein. Ihre Summe 24 und die Summe 504 (7*8*9) bilden das Verhältnis 24*(1:21).

Die FS 528 ist erstaunlicherweise auch die Summe zweier Tischzahlen: 310+218.

Die Zahl 234 gibt mit ihren Produktzahlen 13*18 die Elemente der drei Hexagonachsen und der 3 Tetraktysseiten wieder:

Die Primzahl 269 enthält sowohl die Zahl 69 als auch 29.

 

 

Erstellt: Juni 2009

 

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