zurück

Die Doppelsonne in Cicero de re publica (III)

VI. Vergleich der ersten beiden mit Buchstaben besetzten Modelle

Bedeutung der Zahl 40

VII. Die dritte Buchstabenfigur

VIII. Das Wechselspiel der Freunde und Philosophen

IX. Schlußbemerkung

VI. Vergleich der ersten beiden mit Buchstaben besetzten Modelle

1.       Wenn Cicero die 41 und 24 Buchstaben im DR-Kreuz und in zwei Tetraktys anordnete, mußte es sein Bestreben sein, nicht nur in jeder einzelnen Figur, sondern auch im Zusammenspiel beider sinnvolle Verhältnisse zu erreichen. Insbesondere geht es dabei um das ZW-Verhältnis der 28 Buchstaben des äußeren Kreisrings und 37 des inneren Kreises (IK):

 

DR-Krz.

Tetrakt.

Sm.

Ring

16

12

28

IK

25

12

37

Zur Veranschaulichung seien beide Figuren nebeneinander gestellt:

2.       Wie die nachfolgende Tabelle für den äußeren Kreisring zeigt, geht es Cicero von vorneherein um Verhältnisse, die aus dem gemeinsamen Ergebnis von Zahlensummen (ZS) + Faktorensummen (FS) 708+532 = 1240 = 40*31 gebildet werden können:

 

DR-KRZ

TETR

Sm.

 

ZS

172

138

310

10*31

FS

127

90

217

7*31

Von den 4 Werten ist keiner allein durch 31 teilbar, aber sowohl die Summe der ZW als auch der Faktorenwerte (FW). Die ZS und FS jeder Figur sind aufeinander bezogen: die des DR-Kreuzes durch Umkehrwerte (172 und 127), die der Tetraktys durch den gemeinsamen Teiler 6: 6*(23:15) = 6*38 = 12*19. Die Teilbarkeit des gemeinsamen Ergebnis durch 19 ist sinnvoll, da die FS jeder einzelnen Figur durch 19 teilbar ist: 209+323 = 19*(11+17).

3.       Schon jetzt steht fest, daß die 4 Werte des inneren Kreises durch 31 teilbar sein und 23*31 ergeben müssen:

 

DR-KRZ

TETR

Sm.

ZS

248

150

398

FS

196

119

315

 

713

Von den 4 Werten ist 248 durch 31 teilbar: 8*31. Die Summe der übrigen 3 beträgt dann 15*31. Da im äußeren Kreisring jeweils 2 Werte eine Teilbarkeit durch 31 ergeben, kann man von einem Verhältnis 2:2 sprechen. Die Werte im inneren Kreis hingegen bilden das Verhältnis 1:3. Die beiden Verhältnisse bestätigen die Korrespondenz von Radialelementen und Flächengröße: Der äußere Kreisring hat die Flächengröße 2 sowie 2 Radialelemente, der innere Kreis die Flächengröße 1 und 3 Radialelemente. Wenn man den beiden Verhältnissen des äußeren Kreisringes (17*31) den Wert 8*31 hinzufügt, erhält man mit dem Verhältnis 5*(3:5) die Radialelemente, denen die grundlegenden Flächenverhältnisse 3 (= 1:2) und 1:3 entsprechen. Die Untergliederung der 5 Radialelemente in 3:2 erhält man durch (7+8) = 15*31:10*31. Das Verhältnis 5*(3:2) hat Cicero durch die Faktorensumme 532 wiedergegeben.

Es bleibt noch hinzuzufügen, daß eine Korrespondenz auch unter den 3 Werten besteht: 196:117 = 7*(28:17) = 7*45 = 21*15 = 315; 315:150 = 15*(21:10).

4.       Die Zahl 40 nimmt in den biblischen Schriften bekanntlich eine wichtige Rolle ein. Sie setzt sich zusammen aus 4*(1+2+3+4) = 4*10 und hat somit einen bedeutenden Bezug zum Dezimalsystem. Die Rechnung 4*10+(4+10) ergibt 54. Die Zahlen 5+4 stellen die Durchmesserelemente des Doppelkreises mit dem Flächenverhältnis 1:2 dar.

Ciceros gematrisches Projekt zeigt, daß die Zahl 40 eine ebenso große Bedeutung aus dem Produkt 5*8 erhält. Die Rechnung 5*8+(5+8) ergibt 53. Als Durchmesserelemente bedeuten 5 und 3 die Flächenverhältnisse 3:1. Die Addition beider Verhältnise ergibt 43. Die Zahlen 4 und 3 zusammen geben eine Wesensaussage über Gottes dreifaltiges Wesen.

Die ZW/FW-Verrechnung der beiden Zahlen 54+53 ergibt:

 

ZW

FW

Sm.

FW

 

54

11

 

 

 

53

53

 

 

Sm.

107

64

171

24

FW

107

12

117

25

Sm.

 

49

Das Endergebnis verweist auf den Tetraktysstern, der (von innen nach außen) aus 25+24 Elementen besteht.

VII. Die dritte Buchstabenfigur

Es folgt die Auswertung der dritten im letzten Kapitel bereits eingeführten Buchstabenfigur:

1.       Eine schrittweise Überprüfung der Werte ergibt, daß nur die Einbeziehung der beiden Wörter AFRICANE und TVBERO in das Innere des Hexagons befriedigende Verhältnisse zuläßt. Da Ciceros gematrisches Projekt von der Gleichheit der Radialelemente geprägt ist, sind zwei Mittelpunkte sinnvoll. Indem sie den Buchstaben des äußeren Kreisrings zugerechnet werden, ist ein höchstmögliches Gleichgewicht zwischen 32+33 Buchstaben für den äußeren Kreisring und dem inneren Kreis erreicht. Die Einzelziffern beider Zahlen geben den Doppelaspekt von 5 Durchmesser- und 6 Radialelementen wieder. Die folgende Tabelle differenziert zwischen ZS und FS der Punkte und der Linien (L) bzw. Dreiecken (D):

 

außen

Sm.

innen

Sm.

 

ZS

FS

 

ZS

FS

 

P

222

155

377

180

122

302

L/D

114

93

207

192

162

354

 

336

248

584

372

284

656

 

336

248

 

+36

+36

 

 

336

-88

 

+88

284

 

248+372 = 4*31*(2+3) = 20*31

584:656 = 8*(73:82)

Die Teilbarkeit durch 31 kommt hier nicht durch das Zusammenwirken von ZS+FS zustande, sondern einmal ist nur die FS der äußeren und einmal die ZS der inneren Buchstaben beteiligt. Die Zahl FS 248, die mit der FS 284 durch Umkehrung korrespondiert, bildet in ihren Teilzahlen das Verhältnis 155:93 = 31*(5:3), das weiter als Verhältnis von Flächengröße zu Radialelemente verstanden werden kann: 3:5 und 1:3. Binnenverhältnisse lassen die ZS zu: 222:114 = 6*(37:19), 180:192 = 12*(15:16). Die Summen 336:372 schließlich verhalten sich 12:(28*31). Die Produktaufteilung der Zahl 372 in 12*31 enthält wiederum die grundlegenden Flächenverhältnisse des Doppelkreises.

2.       Die Differenz der Endsummen 656 und 584 beträgt 72 und verteilt sich auf die Zahlen 372336 und 284-248 jeweils zur Hälfte. Zusammen bilden die beiden durch 31 teilbaren Zahlen 248 und 372 dieselbe Summe wie die beiden anderen Zahlen. 248 ist um 88 niedriger, 372 um 88 höher als ihre benachbarten Zahlen 336 und 284. Auf diese Weise halten Zahlen- und Faktorensummen außen und innen in einem vollkommenen Gleichgewicht.

Es lohnt sich, einige weitere Details zu dieser Buchstabenfigur zu betrachten.

3.       Die drei Buchstabenfiguren entsprechen dem grundlegenden Prinzip, daß zu einem Ganzen zwei Hälften bzw. Teile gehören und daß dieses Ganze und seine Teile eine Einheit bilden. Die dritte Figur verwirklicht dieses Prinzip dadurch, daß die Hälfte der gesamten aus Zahlen- und Faktorenwerten bestehenden Summe sich aus wiederum zwei von vier Teilsummen zusammensetzen, die durch 31 teilbar sind. Wenn man nun eine Teileinheit als 1 bezeichnet, erhält die Ganzheit den Wert 2.

Dieses Prinzip spiegelt sich vielleicht in der Addition der Werte aller drei Buchstabenfiguren wider. Die ZW+FW der beide ersten Figuren ergaben für die Buchstaben des äußeren Kreisrings und des inneren Kreises 31*(17:23) = 527:713. Addiert man die Werte der dritten Figur, lauten beide Ergebnisse 527+584 = 1111 und 656+713 = 1369.

Die Zahl 1111 läßt sich auf die Gleichheit von 2 Radialelementen und 2 Flächeneinheiten beziehen. Ihre Primzahlfaktoren 11*101 führen zum ZW 112. Die Zahl 112, die eine Reihe von Bedeutungen hat, kann hier das Prinzip von 2 Teilen und das Ganze stehen, aber vielleicht noch mehr für die zweimal zu zählende Fläche des inneren Kreises und der Flächengröße 2 des äußeren Kreisrings.

Die Zahl 1369 ist die Quadratzahl von 37 und verweist vermutlich darauf, daß der Tetraktystern aus zwei Tetraktys mit je 37 Elementen besteht.

4.       Eine ZW/FW-Verrechnung führt zu folgendem Ergebnis:

 

ZW

FW

Sm.

FW

 

1111

112

 

 

 

1369

74

 

 

Sm.

2480

186

2666

76

FW

44

36

80

13

Sm.

 

89

Die FS 112+74 = 186 ist wiederum durch 31 teilbar. Das zweite Endergebnis 89 setzt sich aus 76 =4*19 (T) und 13 (N)zusammen und entspricht den 4 T und dem Mittelpunkt-N des SATOR-Quadrats. Es ist anzunehmen, daß Ovid in seinen Metamorphosen diese Zahlen bewußt für die Plazierung der Erschaffung des Menschen wählte, indem er mit der Zeile 76 beginnt und sie in 13 Versen darstellt.

Die Zahl 89 ist der symmetrische Gegenpol zur Zahl 21, die durch das Produkt 3*7 die Zahl 10 und die Elemente der Tetraktys darstellt.

VIII. Das Wechselspiel der Freunde und Philosophen

1.       Die kultivierte Gesprächsrunde im Haus des Scipio Africanus findet in einer ausgesprochen freundschaftlichen Atmosphäre statt, in der geistreiches Spiel seinen Platz hat. Um die vielfältigen Aspekte der Sonnenfinsternis und des Tetraktyssterns im Doppelkreis darzustellen, wechseln die Rollen und Plätze von Scipio und Tubero sowie der Philosophen Panaitios und Sokrates.

2.       Die 6 Namensbezeichnungen dienen zunächst der Darstellung der 2*3 Radialelemente des Kreises. Da es jedoch um einen konzentrischen Doppelkreis geht, wird man die Radialelmente auf 6 Radialpunkte ausweiten. Man kann sich vorstellen, daß zuerst die linken Radialpunkte und dann die rechten der Reihe nach besetzt werden. Tubero als ILLE steht im Mittelpunkt, er spricht AFRICANE an. Dann gesellt sich SCIPIO zum Mittelpunkt, erwähnt den PANAETIUM, der auf dem äußersten Kreispunkt plaziert wird. Er nennt TUBERO beim Namen, dieser nimmt die Stelle rechts von ihm ein, dann folgt SOCRATEM auf dem rechten Außenpunkt:

3.       Nachdem man zum Thema gekommen ist und zumindestens einen der Philosophen, Panaitios, als kompetent anerkannt hat, ist den gebildeten Gesprächspartnern klar, daß bei zwei konzentrischen Kreisen oder Himmelskörpern zwei identische Größen über oder hinter einander liegen. Da die Philosophen DE ISTO ALTERO SOLE Bescheid wissen, was sich durch identische ZW bekundet, rücken sie um eine Stelle nach innen, während die Namensdoulbe AFRICANE und TUBERO als einstweilig entbehrlich nach außen rücken:

4.       Alles braucht seine Proportion. Der Mond, der um ein Vielfaches kleiner als die Sonne ist, aber sich auch als wesentlich kleiner dem Anblick bietet, nimmt bei einer Sonnenfinsternis ein ungeahnte Dimension an. Um dies durch ein rationales Verhältnis zu verdeutlichen, wird das Verhältnis des Doppelkreises der Tetraktys, mit dem die Größenverhältnisse von Mond und Sonne in Verbindung gebracht werden können, einfach von 2:1 auf 1:2 umgekehrt. Dazu kommen nun, nachdem die Doppelnatur des inneren Kreises gesichert ist, die mittleren Namen den äußeren zu Hilfe:

5.       Es zeigt sich nun, daß SCIPIO, der zunächst Sokrates den Vorzug gegeben hat, sich auf der Seite des PANAITIOS befindet; dem auf Dauer seine Loyalität nicht entziehen kann. Nun wird es Zeit, dem Durcheinander eine Ordnung zu geben. Man einigt sich, daß DUO SOLES den Zuschlag für ILLE TUBERO bekommt und sich SCIPIO des größeren Anhangs DE ISTO ALTERO SOLE erfreuen kann, wie es seinem Ruhm auch zukommt:

 

ZW

FS

 

 

ZW

FS

 

TVBERO

77

61

138

SCIPIO

68

40

108

SOCRATEM

89

69

158

PANAETIUM

95

69

164

 

 

 

296

 

 

 

272

ILLE

36

33

69

AFRICANE

55

51

106

DUO SOLES

104

63

167

DE ISTO ALTERO SOLE

184

146

330

 

 

 

236

 

 

 

436

 

306

226

532

 

402

306

708

 

296:272 = 8*(37:34); 236:436 = 4*(59:109)

 

568:672 = 8*(71:84)

Wenn TUBERO zu SCIPIO und ILLE zu AFRICANE kommt und die eine Namenshälfte ihren Philosophen und die andere den Gesprächsstoff erhält, ist die Aufteilung der 2*4 Gruppen alles in bester, durch 4 und 8 teilbarer Proportion.

Alles ist gerecht aufgeteilt: Tubero hat zwar den geringeren Zahlenanteil, dafür aber den wertvollen Kern aller Faktorenwerte, während Scipio natürlich den Taktstock mit allen Zahlenwerten in Händen hält.

Damit die Freundschaft auch nicht der leiseste Schatten trüben kann, teilen sie sich das reizende Produkt 17*18, Tubero als ZW, Scipio als FW.

6.       Das geistreiche Wechselspiel hat einen sachlichen Hintergrund, der bisher noch nicht in den Blick genommen wurde. Cicero setzt 5 Wortgruppen für sein gematrischen Unternehmen ein, von denen 2 dem Sachbereich und 3 dem Personenbereich angehören. Beide sind von einander ähnlich getrennt wie normalerweise der Mond und die Sonne. Durch die Sonnenfinsternis tritt der Mond in den Bereich Sonne und besetzt nach der Zahl der Wortgruppen zwei Drittel des Personenbereichs, so daß, wie eben dargelegt, die Zahlenwerte des äußeren Kreisrings zum inneren Kreis 1:2 betragen. Daß dabei AFRICANE und TUBERO ihren personenidentischen Namensentsprechungen SCIPIO und ILLE zu Hilfe kommen, bietet sicherlich einen Grund, darüber nachzudenken, was Cicero über die Bedeutung von Identität und Verdoppelung gemeint hat. Dies soll aber hier nicht weiter verfolgt werden.

IX. Schlußbemerkung

Die Textstelle de re publica 1,15 stellt ein Meisterwerk gematrischer Kunst dar. Wie Cicero dieses Kunststück vollbrachte, scheint sich selbst kühnster Vorstellungskraft des heutigen Menschen zu entziehen. Daß er es vollbrachte, stellt für mich keinen Zweifel dar. Sich über das innerste Bewußtsein des antiken Menschen klar zu werden, betrachte ich allerdings nicht als meine vorrangige Aufgabe. Im Sinne römischen Bewußtseins, daß die Nachkommen ihren Vorfahren in nichts nachstehen sollen, können die vorliegenden Ergebnisse jedoch ein Ansporn sein, der geistigen Leistung Ciceros und der ihm an geistiger Größe Gleichenden durch eigene Bemühung gerecht zu werden.

Cicero hat dieses Werk gewiß nicht ohne Versicherung göttlichen Beistands unternommen. Darauf weisen die ersten drei Wörter über die Sonnenfinsternis DE ISTO ALTERO hin. Denn die ersten vier Buchstaben bedeuten Für die Götter und durch Umstellung der folgenden Buchstaben erhält man TOLERATOdu sollst erdulden, also eine Selbstaufforderung Für die Götter sollst du (Mühen) erdulden.

Der Zahlenwert der beiden Wörter DEIS (36) und TOLERATO (100) ist in sich programmatisch für das Dezimalsystem. Denn die Summe beider Werte 136 zeigt in ihren Einzelziffern die Abfolge der 10 Punkte der Tetraktys (Mittelpunkt, 3 Eckpunkte, 6 Hexagonalpunkte). Sie lassen sich aus den Zahlen 1+2+3 bilden, wenn man zur folgenden Zahl die vorhergehende Summe hinzuzieht: 1+(2+1)+(3+2+1). Die beiden Zahlenwerte sind Quadratzahlen von 6 und 10, diese wiederum ergeben sich als Summe der Zahlen 1-3 und 1-4. Das Produkt 8*17 ist zu verstehen als 8*(9+8) und die Zahlen 8 und 9 als symmetrische Entsprechungen von 2 und 1, so daß das analoge Produkt 2*3 = 6 lautet. Der Faktorenwert von 136 ist denn auch 23.

 

 

 

Erstellt: März 2006

Index II