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Gematrie und Vernetzung römischer Dichtung (3)

Beispiel LIBERA

C. Nachweis aus den Fasti: 8 weitere Verse

I. Einleitung: LIBER LIBERA

II.a) Die Einheit der 8+8 Wortformen

II.b) Die Einheit der Metamorphosen und der Fasti

III. ZS+FS der 8+8 Verszeilen

I. Einleitung: LIBER LIBERA

1.      Die beiden sich gegenseitig ergänzenden Kreismodelle des Eingangskapitels zeigten in den Begriffen LIBERATRIX und EXTIMUIT die Polarität von Freiheit und Angst. Welche Hindernisse stehen menschlicher Freiheit entgegen? Existentielle Ängste, die aus mangelnder Sinnorientierung entstehen. Sie sind zu überwinden durch das Licht der Erkenntnis und der Teilhabe an göttlicher Weisheit, die eine Gemeinschaft mit den himmlischen Mächten stiften kann. Die Göttin VESTA ist das Prinzip göttlicher Ordnung im Sinnngefüge der Zahlen. Sie ist Garantin der Befreiung von Ängsten im Leben und im Tod.

2.      Römisches Denken hatte keine Schwierigkeit, Begriffen und Eigenschaften göttliche Kräfte zuzuerkennen, ja, die ganze Sprache hatte göttliche Bedeutung, insofern Buchstaben gleichzeitig Zahlenwerte waren und diese göttlichen Rang besaßen.

Zwei ursprüngliche römische Gottheiten sind der Gott LIBER und die Göttin LIBERA. Man nimmt an, daß sie um Fruchtbarkeit angerufen wurden. Wohl schon im 6. Jh. wurden sie mit Dionysos (lat. Bacchus), dem Gott des Weines, und Persephone (lat. Proserpina), der Tochter des Zeus und der Demeter und Gemahlin des Hades gleichgesetzt. Im Jahr 496 v.Chr. wurden ihnen und CERES, die der griechischen Erdmutter Demeter angeglichen wurde, aufgrund einer Weisung der sibyllinischen Bücher ein Tempel in Rom geweiht. Diese Trias wurde besonders von den Plebejern verehrt.

Sinnvollerweise setzt Ovid LIBERA mit der von THESEUS verlassenen ARIADNE gleich, die der Weingott DIONYSOS/BACCHUS zur Frau nahm. (Fasti, 3,459ff)

3.      Menschliche Freiheit vollzieht sich in der Erfüllung göttlicher Ordnung. Wenn Freiheit in den Gottheiten LIBER und LIBERA die biologische Fruchtbarkeit einschließt, ist sie auf die Gemeinschaft von Mann und Frau in der Ehe hingeordnet. Die geschlechtlichen Triebkräfte sind so in legitimierte Entscheidungsfreiheit eingebunden. In den beiden Gottheiten sind Mann und Frau gleichgerechtigt.

4.      Die Zahlenwerte (ZW) von LIBER und LIBERA sind 44 und 45. Die Summe der Einzelziffern ist 17 und entspricht 9 Punkten und 8 Linien eines Achsenkreuzes 3.

Als reale Zahlen lassen sich 44 und 45 auf einer einzelnen Achse eines Achsenkreuzes 5 in der Numerierung der Grundzahlen 1-9 anordnen:

Auch die 5+6 Buchstaben von LIBER und LIBERA lassen sich in ein Achsenkreuz 2 anordnen. Dabei enthält die eine Achse 1 Durchmesserpunkt, die andere 2 Radialmittelpunkte:

Die ZW der 4+4 Symmetrieelemente betragen jeweils 40. Da es kein römisches Zahlzeichen für die Null gibt, ergeben die Einzelziffern der Aufteilung 9+4+4 wiederum die Zahl 17.

5.      Das Fest der beiden Gottheiten, die LIBERALIA, fand bezeichnenderweise am 17.3. statt. Da die Zahlen 9+8 = 17 Komplementärzahlen zu 1+2 = 3 sind, haben LIBER und LIBERA im Verein mit CERES einen zentralen Bezug zur Gemeinschaft der drei göttlichen Personen. Der ZW des Festes LIBERALIA ist 66, was der Summe der Zahlen 1-11 und den 11 Buchstaben beider Gottheiten entspricht. Mittelpunkt des Wort ist das R, der 17. Buchstabe. Die 4 Werte lassen noch weiteres Sinnvolle erkennen:

 

ZS

FS

FW1

FW2

Sm.

LIBERALIA

66

60

16

12

154

Das Verhältnis der Zahlensumme (ZS) zur Faktorensumme (FS) 6*(11:10). Dem Produkt 6*21 = 126 entsprechen die Elemente von 2*3 Doppelrauten (DR), aus denen 3 Oktaeder gebildet werden können. Die 9 Buchstaben von LIBERALIA haben den durchschnittlichen ZW+FW 14. Die Summe 154 schließlich ist durch 11 teilbar und wieder auf die 11 Buchstaben von LIBER und LIBERA beziehbar.

II.a) Die Einheit der 8+8 Wortformen

1.       In Ovids Metamorphosen fanden sich 8 Verse mit der Wortform LIBERA und ihren möglichen Flexionserweiterungen. Dasselbe Ergebnis zeigen auch die FASTI:

 

ZW

FW

(1,52) verbaque honoratus libera praetor habet.

378

18

(1,122) libera perpetuas ambulat illa vias:

306

25

(2,673) Termine, post illud levitas tibi libera non est:

450

18

(2,793) surgit et aurata vagina liberaT ensem

341

42

(3,111) libera currebant et inobservata per annum

381

130

(3,512) nam tibi mutatae Libera nomen erit,

294

19

(3,771) Restat ut inveniam quare toga libera detur

410

48

(3,777) sive, quod es Liber, vestis quoque libera per te

459

26

 

3019

326

Zweimalige Erweiterung durch T in den Metamorphosen wird durch einmaliges T in den Fasti fortgesetzt. Die Gesamt-ZS der 16 Wortformen ist nun 16*45+3*19 = 720+57 = 777. Diese ZS ist zunächst der 7-fache ZW von LIBERATRIX als dem Attribut der VESTA, deren ZW 3*21 = 63 ist. Die drei gleichen Ziffern 7 weisen auf die 3*7 = 21 Elemente des Tetraktysrahmens hin. Die Produktaufteilung 3*7*37 verweist auf die Form des V und A der gegenüberstehenden Tetraktys in VESTA.

Erstaunlich sind die Versnummern 111 und 777. Die entsprechenden Zeilenwerte sind 381+459 = 840 = 40*21 = FW 21. Die dazugehörigen FW 130+26 bilden das Verhältnis 26*(5:1). Aus 26 Elementen besteht ein Oktaeder. Sinnvoll ist hier eine ZW/FW-Verrechnung:

 

ZW

FW

Sm.

FW

 

381

130

 

 

 

459

26

 

 

Sm.

840

156

996

90

FW

21

20

41

41

Sm.

 

 

 

131

Ein DR-Kreuz, aus dem man einen Oktaeder zusammenfügen kann, besteht aus 21+20 = 41 Elementen.

Die Umkehrzahl 131 sowie die Teilbarkeit der FS 156 durch 13 könnte darauf hinweisen, daß Ovid das Kreismodell des Götterpantheons im Auge hatte, indem er die Trias CERES LIBER LIBERA mit VESTA verband:

P

ZW

L

ZW

CERES

48

CERES

48

LIBER

44

LIBER

44

LIBERA

45

 

 

VESTA

63

LIBERATRIX

111

 

200

 

203

200+203 = 403 = 13*31

Den Einzelziffern der Summe 403 entspricht die Zahl der 4+3 Namen.

2.       Wenn nach dem bisherigen Gang der Untersuchung festgestellt werden kann, daß die 8 Verse der Fasti auf die 8 Verse der Metamorphosen aufbauen und sie gewissermaßen sogar vervollständigen, muß Ovid umfangreiche Unterlagen seiner Konzepte und Berechnungen angelegt haben, um bei Bedarf auf sie zurückgreifen zu können. Offensichtlich strebte er eine innere Einheit der Metamorphosen und der Fasten an.

Ein weiteres Beispiel der Vernetzung sind die drei Verszeilen mit der Wortform LIBERAT. Die ZW/FW-Verrechnung ergibt:

 

ZW

FW

Sm.

Fkt.

FW

Fkt.

 

417

142

 

 

 

 

 

361

38

 

 

 

 

 

341

42

 

 

 

 

Sm.

1119

222

1341

9*149

155

 

Fkt.

3*373

3*2*37

 

 

 

 

FW

376

42

418

2*11*19

32

 

Sm.

 

 

 

 

187

11*17

Die Summe 1119 bedeutet einen durchschnittlichen ZW der Primzahl 373, die in ihren Einzelziffern die Verteilung der 13 Punkte des Tetraktyssterns mit seinen 2 Tetraktys wiedergibt. In der Multiplikation 37*3 = 111 enthält jede Zeile den ZW von LIBERATRIX. Ebenso bedeutet die FS 222 den Durchschnittswert von 2*37 Tetraktyselementen, wodurch wiederum das V und das A von VESTA bezeichnet wird.

1119 wiederholt sich in den Faktoren 11*19 des ersten Ergebnisses 418. Sie stellen die Addition der Durchmesser- und Radialelemente des inneren und äußeren Kreises des Tetraktyssterns dar: 5+2*3 = 11, 9+2*5 = 19. Die Faktoren 11*17 des zweiten Ergebnisses beziehen sich auf die Numerierung der 5 DM-Elemente des einfachen Kreises und die 7 Elemente einer Tetraktysseite:

Auch die Zahl der Vokale und Konsonanten weisen auf VESTA hin:

a(16) e(10) i(9) o(3) u(12)

V 50

429

b(5) c(6) f(1) g(3) l(4) m(4) n(6) q(2) r(9) s(5) t(10)

K 55

690

Das Verhältnis der Vokale zu den Konsonanten ist 5*(10:11) = 5*21. Die ZS+FS von VESTA ist 21*(3+2) = 105. Die durchschnittliche Buchstabenzahl je Zeile ist 35.

Die ZS 690 und 429 sind ebenso durch 3 teilbar: 3*(10*23), 3*(11*13). Die Faktoren weisen auf die numerierten DM- + Radialelemente der drei Achsen des Hexagon und die 11 und 13 Elemente der darin befindlichen Doppeldreiecke hin.

3.       Wenn sich nun gezeigt hat, daß Ovid die Fasten mit den Metamorphosen zu einer inneren Einheit verbunden hat, steht dem ein schwieriges Problem gegenüber: In den ersten beiden Versen der FASTI bekundet Ovid seine Absicht, ein Werk über das ganze Jahr zu verfassen:

1,1 Tempora cum causis Latium digesta per annum

1,2 lapsaque sub terras ortaque signa canam.

Ich werde die Zeiten durch das latinische Jahr mit Erklärungen besingen

Und die Sternzeichen, wie sie unter dem Erdkreis verschwinden und wieder aufgehen.

Veröffentlicht hat Ovid jedoch nur 6 Bücher, jedes über die Feste eines Monats. Prof. Niklas Holzberg, München führt in seiner Einführug zur zweisprachigen Ausgabe der FASTI (1995) in der Tusculum-Reihe bei Artemis – entgegen bisherigen Auffassungen der Altphilologie – plausible Gründe an, daß Ovid sein Werk zwar vor seiner Verbannung nach Tomis 8 n.Chr. begonnen, aber im Laufe seiner Arbeit beschlossen habe, sein Vorhaben bei 6 Büchern zu belassen. Als die beiden Hauptgründe nennt er fehlendes Quellenmaterial und den Tod des Augustus, dem das Werk in erster Linie gewidmet war.

Wie sich Ovid die Einteilung des Jahres vorstellte, läßt sich aus den Zahlenwerten (ZW) des ersten Distichons erkennen: 418+374 = 11*2*(19:17). Die gleiche Teilbarkeit durch 22 und die Primzahlzwillinge 19 und 17 weisen auf eine komplementäre Gleichbehandlung der beiden Jahreshälften hin. Die Doppelung der Zahl 19 dürfte auf 2 Tetraktys mit 10 Punkten + 9 Dreiecken, die der Zahl 17 auf 2 Doppelrautenrahmen mit umlaufender Numerierung bzw. auf die Elemente von zwei Oktaederhälften hinweisen.

Die Faktorensummen der gemeinsamen Teiler und der Verhältniszahlen sind 26+36 = 62 = 2*31. Die Zahl 36 = 6*6 führt zu Umkehrung der Zahl 26, die als 2*6 Monate verstanden werden kann. Auf den beiden Kreisbögen des Tetraktyssterns liegen jeweils 6 Punkte.

Auch die Verteilung der Vokale und Konsonanten gibt Aufschluß über Ovids (ursprünglicher) Kompositionsabsicht:

a(12) e(6) i(4) o(2) u(7)

V 31

246

b(1) c(3) d(1) g(2) l(2) m(5) n(4) p(3) q(2) r(5) s(7) t(5)

K 40

546

Die Zahlensummen der Vokale (6*41) und Konsonanten (6*91) sind jeweils durch 6 teilbar, was ebenso als 2*6 Monate aufzufassen ist. Die Primzahl 41 weist auf ein Doppelrautenkreuz mit 41 Elementen hin, die Zahl 91 ist die Summe der Zahlen 1-13 des Tetraktyssterns. Das Produkt 7*13 gibt das Verhältnis 1:3 des inneren Kreises zum äußeren Kreis wieder.

II.b) Die Einheit der Metamorphosen und der Fasti

Die Zusammengehörigkeit der 8+8 Verse könnten auf zweifache Weise zustande gekommen sein:

Erstens, Ovid hat frühzeitig sein Werk auf 6 Bücher beschränkt und so gematrische Konstruktionen rechtzeitig berücksichtigt.

Zweitens, Ovid beabsichtigte, einige gematrische Konstruktionen nur im ersten Teil und andere im zweiten Teil durchzuführen.

Für letztere Annahme spricht, daß sich Ovid an die 21 Elemente der Doppelraute orientierte. Sie besteht aus 15 Rahmenelementen und 6 Füllelementen:

Da ein Oktaeder – dreidimensionaler Abschluß des Dezimalsystems – aus zwei Doppelrauten zusammengefügt werden kann, wollte Ovid die 15 Bücher der Metamorphosen teils mit der ersten, teils mit der zweiten Hälfte der FASTI verbinden.

 

Erstellt: Mai 2007

 

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